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Urteil: VKI gewinnt gegen Lebenshilfe Wien wegen intransparenter Klauseln in Heimverträgen

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat - im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums - einen Musterprozeß gegen die Lebenshilfe Wien geführt und auf Zurückzahlung von zu Unrecht bezahlten Beträgen geklagt. Diese Beträge wurden aufgrund eines mit der Heimbewohnerin abgeschlossenen Heimvertrages verlangt, der dem KSchG nicht entspricht. Der OGH gab dem VKI nun vollinhaltlich Recht, nachdem die ersten beiden Instanzen zu Gunsten der Lebenshilfe entschieden hatten.

Eine Heimbewohnerin, die am Down Syndrom leidet wohnte seit September 2011 in einem Heim für vollbetreutes Wohnen der Lebenshilfe Wien. Der Heimvertrag enthielt eine Klausel die eine Bezahlung von EUR 280,- monatlich für Zusatzleistungen als Gesamtpaket vorsah. Das Pflegschaftsgericht verweigert zunächst auf Grund dieser Klausel die pflegschaftgerichtliche Genehmigung zum Heimvertrag. In der Folge erwirkte der Sachwalter die Genehmigung unter der Voraussetzung, dass die Zusatzleistungen unter Vorbehalt der rechtlichen Klärung bezahlt werden.

Der VKI klagte daraufhin in einem Musterprozeß die Lebenshilfe auf Zahlung der zu Unrecht bezahlten Beträge. Die ersten beiden Instanzen folgten den Argumenten der Lebenshilfe. Der VKI wandte sich mit einer außerordentlichen Revision an den OGH und bekam vollinhaltlich Recht.

Ein Betreuungsvertrag hat nach dem KSchG eine Aufschlüsselung des Entgelts, jeweils für Unterkunft, Verpflegung, Grundbetreuung, besonderen Pflegeleistungen und zusätzliche Leistungen sowie die vom Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe gedeckten Leistungen zu enthalten. Wenn der Heimträger Zusatzleistungen erbringt,  hat der Heimvertrag Angaben darüber zu enthalten. Im gegenständlichen Fall wurden die Leistungen aber im Gesamten bestellt, ohne, dass der Bewohner zwischen benötigten und nicht benötigten Zusatzleistungen wählten konnte.

Eine in Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung ist unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Für Heimverträge geht die im KSchG verlangte Genauigkeit und Verständlichkeit noch darüber hinaus. Die einzelnen Inhalte eines Heimvertrages sind nicht nur einfach und verständlich, sonder auch zusätzlich umfassend und genau zu umschreiben.

Die beanstandete Klausel über die Zusatzleistungen auszugsweise:

8. Z u s a t z l e i s t u n g e n
Es gilt als vereinbart, dass die Zusatzleistungen im gesamten und mit dem in Punkt VII. beschriebenen
Gesamtpaket bestellt sind.
Leistungsumfang
Sachleistungen:
- Anteilige Fahrtkosten der Betreuerinnen für die
individuelle Betreuung und Begleitung im Rahmen von
Freizeit- , Arzt- oder Amtswegen;
- Teilweise Instandhaltung bzw
Wiederbeschaffung von Investitionsgütern,
Betreuungsleistungen im Ausmaß bis zu
10 Mitarbeiterstunden pro Monat,
- individuelle Einzelbetreuung bei Krisen, bzw
Krankheit (inklusive Besuche im Krankenhaus), die über das
übliche Ausmaß hinausgehen,
- Dokumentation und Abrechnung des
Taschengeldes in tabellarischer Form (Einnahmen - ,
Ausgabenrechnung),
- individuelle Betreuung und Begleitung im
Rahmen von Amtswegen über das übliche Ausmaß hinaus,
- Unterstützung, Organisation und Mithilfe bei
der individuellen Einrichtung und Ausgestaltung der Zimmer,
- individuelle Begleitung bei
Freizeitveranstaltungen und bei persönlichen Einkäufen über
das übliche Ausmaß hinaus.
Diese Annahme der Zusatzleistungen wurde mit
dem FSW besprochen und gilt solange, bis nicht vom FSW
detailliert festgelegt wird, welche einzelne Leistungen im
Rahmen der Gesamtbetreuung als Grundbetreuung angesehen
und bezuschusst werden. Für den Bewohner besteht kein
Anspruch, dass ihn bzw seinem Sachwalter gegenüber diese
Zusatzleistungen einzeln abgerechnet werden, da der damit
verbundene Verwaltungsaufwand die Kosten für die
Zusatzleistungen erheblich erhöhen würde. Hingegen besteht
der Anspruch, dass diese Leistungen in ihrer Gesamtheit
ordnungsgemäß erbracht und nachgewiesen werden. Ein
Einzelleistungsnachweis muss von der Einrichtung nicht
erbracht werden.


Laut OGH galt es hier zu klären, ob sich aus den beanstandeten Vertragsbestimmungen ausreichend klar und verständlich ableiten lässt, dass durch das gesondert vereinbarte Entgelt tatsächlich Zusatzleistungen abgegolten werden und nicht Leistungen, die ohnedies Teil der Grundversorgung sind. Als Zusatzleistungen waren 10 Mitarbeiterstunden im Monat angeführt, die eine "individuelle Betreuung über das übliche Maß hinaus" geleistet werden. Der OGH stellte fest, dass durch diese Formulierung in keiner Weise eine Konkretisierung erfolgt und jegliche Einschätzung verhindert wird, ob es sich nicht ohnedies um eine Leistung aus der Grundbetreuung handelt.

Auch diverse Sachleistungen wie "anteiliger Ersatz der Fahrtkosten für Begleitpersonen", teilweise Instandhaltung bzw. Wiederbeschaffung von Investitionsgütern, Unterstützung bei der Einrichtung des Zimmers sah der OGH als nicht nachvollziebar oder intransparent an.

Für die Zahlungen der Zusatzleistungen der Heimbewohnerin fehlte somit auf Grund der Intransparenz des Heimvertrages die vertragliche Grundlage. Diese sind daher zurück zu zahlen.

OGH 29.1.2014,7 Ob 232/13p
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

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