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Urteil: OGH: Vermögensberater haftet für Fehlberatung bei kreditfinanzierter Lebensversicherung

Ein Anlagemodell, bei dem die Prämien einer Lebensversicherung durch kurzfristige Privatkredite finanziert werden, ist hoch riskant. Wird nicht über das Verlustrisiko aufgeklärt, liegt ein Beratungsfehler vor. Die fehlerhafte Beratung der Finanzdienstleistungsassistentin ist dem Geschäftsherrn zuzurechnen. Eine Naturalrestitution ist wegen der Beteiligung Dritter untunlich.

Mag. Johannes Steiner, ein Vermögensberater und Versicherungsmakler, bewarb auf Informationsveranstaltungen unter dem Schlagwort "Sparen ohne eigenes Geld" ein Anlageprodukt, bei dem die Prämien eines langfristigen Versicherungsvertrages durch die Aufnahme von kurzfristigen Privatkrediten finanziert werden sollten. Auch Kunden ohne vorhandene Eigenmittel sollten demnach auf lange Sicht angeblich ertragreiche Versicherungsverträge abschließen können.

Der Vermögensberater war zur Erzielung von Einkünften daran interessiert, möglichst viele provisionspflichtige Versicherungsverträge abzuschließen, da er die Privatkredite provisionsfrei vermittelte.

Einer Konsumentin mit sehr geringem Einkommen wurde nach einer Informationsveranstaltung von einer Mitarbeiterin des Mag. Steiner dieses "Sparen ohne Eigenmittel" im Frühjahr 2008 so erklärt, dass sie eine staatlich geförderte Zukunftsvorsorge mit einer Laufzeit von mindestens 15 Jahren abschließen sollte. Die Prämien und Zinsen sollten über Privatkredite finanziert werden, wobei sich pro Polizze jedenfalls ein Gewinn von ca. EUR 3.000,-- ergeben sollte. Der Konsumentin wurde mitgeteilt, dass sie selbst nie auch nur einen Cent selbst bezahlen müsse.

Diese Zusagen waren allerdings unzutreffend, weil ein derartiger Überschuss angesichts des Veranlagungsrisikos und der gänzlichen Fremdfinanzierung niemals mit Sicherheit prognostiziert werden kann. Das Modell ist auch davon abhängig, dass über Jahre ausreichend viele Privatkredite vermittelt werden können. Das verkaufte Produkt ist somit hoch riskant.

Die Konsumentin schloss für sich und ihren zweijährigen Sohn dieses Modell mit einer Jahresprämie von EUR 2.164,-- ab und unterzeichnete neben den Versicherungsanträgen zwei Kreditvermittlungsaufträge und eine Reihe von Blankokreditanträgen. Weiters unterzeichnete sie ein Beratungsprotokoll, in dem sie über Diktat der Mitarbeiterin folgendes niedergeschrieben hatte: "Meine Spekulation ist, dass der Ertrag der Polizze die Kosten für den fremdfinanzierten Betrag übersteigt". Tatsächlich wurde das Verlustrisiko aber nicht dargestellt und es wurde nicht erläutert, dass sie spekulierte. Vielmehr wurde ein sicherer Gewinn in Aussicht gestellt.

In der Folge wurden der Konsumentin sehr wohl Zinsen vorgeschrieben. Nach und nach erfasste die Konsumentin das wahre Risiko der Konstruktion und veranlasste eine Prämienfreistellung der Lebensversicherung und einen Stopp der weiteren Kreditvermittlung. Die Differenz zwischen Wertstand der Lebensversicherung und dem Kreditaufwand betrug 2013 bereits rund EUR 1.400,--. 

Der VKI machte den Schaden - im Auftrag des Sozialministeriums - klagsweise geltend.

Bereits die Unterinstanzen gingen davon aus, dass die Beratung äußerst mangelhaft erfolgt war und damit die Interessenswahrungspflicht des Versicherungsmaklers verletzt wurde.

Der OGH bestätigt diese Entscheidung. Die Mitarbeiterin ist als Finanzdienstleistungsassistentin jedenfalls als Erfüllungsgehilfin im Pflichtenkreis des Geschäftsherrn tätig gewesen. Die Beratung erfolgte in dessen Namen, die Blankokreditverträge und die Beratungsprotokolle wurden vom Geschäftsherrn unterfertigt. Die Täuschung über das Anlagemodell war erst im Juni 2010 erkennbar, Verjährung kann daher nicht eingetreten sein.

Der OGH setzt sich auch ausgiebig mit der Frage der Möglichkeit einer Naturalrestitution auseinander und kommt schließlich zum Ergebnis, dass diese in der vorliegenden Konstellation als untunlich angesehen werden muss, weil mehrere Verträge mit verschiedenen Vertragspartnern - somit unter Beteiligung Dritter - abgeschlossen wurden. Es wurde somit nicht nur ein Anlageprodukt erworben, das im Rahmen einer Zug-umZug-Verpflichtung zurückgegeben werden könnte. Der OGH sprach daher das ebenfalls gestellte Feststellungsbegehren zu.

OGH 23.7.2014, 8 Ob 66/14k
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Klagsvertreter: Dr. Alexander Klauser, RA in Wien

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