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Urteil: Alternative Finanzierung: Unzulässige Klauseln der Karma Werte GmbH

Der VKI klagte - im Auftrag des Sozialministeriums - die Karma Werte GmbH. Auch das Oberlandesgericht Graz gab dem VKI ganz Recht.

Im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes nimmt die Karma Werte GmbH Darlehen (sog Nachrangdarlehen) von Verbrauchern auf. Dh Kreditgeber ist der Verbraucher und Kreditnehmer die Karma Werte GmbH. Der VKI prüfte die Darlehensbedingungen und klagte 11 Klauseln ein. Bereits das erstinstanzliche Gericht gab der Klage voll statt; dh es wurden alle eingeklagten Klauseln für rechtwidrig befunden. Die Karma Werte erhob bezüglich einiger der Klauseln Berufung, andere sind bereits rechtskräftig geworden. Das OLG Graz hat nun die Berufung der Karma Werte zur Gänze abgewiesen und die noch verfahrensgegenständlichen Klauseln ebenfalls für gesetzwidrig erklärt.

Hierbei handelt es sich um folgende Klauseln:
Klausel 6 (§ 8) "Qualifizierter Rangrücktritt - Nachrangigkeit":
"Der DG tritt für den Fall der Insolvenz hiermit mit seinen Forderungen unwiderruflich im Rang hinter sämtliche Forderungen gegenwärtiger und zukünftiger anderer Gläubiger (mit Ausnahme der Gläubiger, die ebenfalls Nachranggläubiger sind) zurück. Der DG kann seine Forderungen aus dem Nachrangdarlehensvertrag nicht vor, sondern nur gleichrangig mit den Einlagenrückgewähransprüchen der Karma Werte GmbH verlangen (qualifizierter Rangrücktritt). Außerhalb der Insolvenz verpflichtet sich der DG, seine Forderungen solange und soweit nicht geltend zu machen, wie die teilweise oder vollständige Befriedigung dieser Forderung zu einer zum Insolvenzantrag verpflichtenden Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des DNs führen würde. Die Forderungen des DGs können außerhalb einer Insolvenz nur nachrangig, und zwar nach Befriedigung aller anderen nicht gleichrangigen Gläubiger und erst nach Beendigung einer allenfalls vorliegenden Krise, befriedigt werde. Der DN befindet sich in einer Krise, wenn die Eigenmittelquote (§ 23 Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) der Gesellschaft weniger als 8% und die fiktive Schuldentilgungsdauer (§ 24 URG) mehr als 15 Jahre betragen."

Mit dem Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) erklärt der Gesetzgeber Nachrangdarlehen nicht generell, sondern nur unter bestimmten Bedingungen für zulässig. So sieht § 3 AltFG einen maximalen Gesamtgegenwert vor (EUR 1,5 Mio), idR dürfen von einem einzelnen Anleger binnen 12 Monaten nur maximal EUR 5.000,-- entgegengenommen werden und es dürfen keine Ratenzahlungen vereinbart werden, die einen Zeitraum von 12 Monate überschreiten. Die beklagte Partei gesteht in der Berufung zu, dass die von ihr aufgenommenen qualifizierten Nachrangdarlehen aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung nicht dem AltFG entsprechen.

Die qualifizierte Nachrangklausel in der Klausel behandelt einen Darlehensgeber, der kein Gesellschafter ist und dem im Vertrag auch nicht die Rechte eines Mitunternehmers eingeräumt werden, im Insolvenzfall und in einer Krise trotzdem wie einen Mitunternehmer. Das vom Anleger nach der beanstandeten Klausel zu tragende Risiko geht weit über das allgemeine Insolvenzausfallsrisiko hinaus, da er sein Kapital und seine Zinsforderungen auch ohne Insolvenz des Unternehmers vollständig verlieren kann. Die Klausel kann daher nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, der Darlehensgeber erhalte als Entgelt für die Übernahme des Mitunternehmerrisikos eine erhöhte Verzinsung. Eine derartige Risikotragung und Schlechterstellung des Darlehensgebers gegenüber dem gesetzlichen Leitbild des Darlehensvertrags kann nur dann sachlich ausreichend gerechtfertigt sein, wenn der Anleger auch im Erfolgsfall wie ein Mitunternehmer behandelt wird, er also am Gewinn, den stillen Reserven und dem Firmenwert des Unternehmens beteiligt ist. Eine Beteiligung an diesen Werten verkörpert die positive Seite der Mitunternehmerschaft, die der Grund und die Voraussetzung dafür ist, dem Mitunternehmer im Fall eines Scheiterns auch deren negative Seite aufzuerlegen und seine Forderungen als nachrangig anzusehen. Die Klausel benachteiligt daher den Darlehensgeber gröblich.

Klausel 2 (§ 5.1. erster Satz):
"Der DG ist berechtigt diesen Darlehensvertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten jeweils zum 31.12. ordentlich zu kündigen."

Der Darlehensvertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und endet durch die Kündigung des Darlehensgebers oder -nehmers zum jeweils möglichen Kündigungstermin. Der Darlehensgeber verzichtet auf die Ausübung des Kündigungsrechts für die Dauer von 4 Jahren.

Gem § 986 Abs 2 ABGB kann ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Darlehensvertrag von jedem Vertragsteil unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden. Nach § 6 Abs 1 Z 1 KSchG sind für den Verbraucher Vertragsbestimmungen jedenfalls nicht verbindlich, nach denen er während einer unangemessen langen Frist an den Vertrag gebunden ist.
Die Vereinbarung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist in Verbindung mit einem bestimmten Endtermin führt hier zu einer unangemessen langen Vertragsbindung. Die Klausel verstößt gegen § 6 Abs 1 Z1 KSchG und ist als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB zu werten. Warum das vertragliche Abgehen vom allgemeinen Grundsatz, dass ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Dauerschuldverhältnis grundlos unter Einhaltung einer angemessenen (im Regelfall bloß wenige Wochen langen) Frist gekündigt werden kann, im Anlassfall sachlich gerechtfertigt sein soll, bedürfte jedenfalls einer ausführlichen Begründung. Die von der Beklagten behauptete schwierige Beschaffung einer anderen Finanzierung vermag die Verlängerung der (einzelfallabhängig) angemessenen Kündigungsfrist für ein qualifiziertes Nachrangdarlehen auf zwölf Monate - zumal unter Einhaltung eines Kündigungstermins - nicht ohne weiteres zu rechtfertigen.

Der Kündigungstermin kann nach der inkriminierten Klausel nur in Anspruch genommen werden, wenn die Kündigung so rechtzeitig vor dem Termin erfolgt, dass der Beklagten zwischen dem Zugang und dem Termin die volle Frist - 12 Monate - zur Verfügung steht. Der Fristbeginn ist daher anhand des Endzeitpunktes (31.Dezember) zu ermitteln. Dies erfordert die Kenntnis der gesetzlichen Regeln (§§ 902f ABGB) über die Berechnung von Fristen, die vom Durchschnittskunden aber nicht zu erwarten sind. Die Verknüpfung von Kündigungstermin und -frist birgt die Gefahr in sich, dass der Verbraucher die ordentliche Kündigung nicht rechtzeitig erklärt. Die in Rede stehende Kündigungsklausel ist vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze daher als intransparent und damit als unwirksam zu qualifizieren.

Klauseln 4a (§ 5.4.),4b (§ 6) und 5 (§ 5.5.):
Die Klauseln sehen für den Fall der ordentlichen Kündigung und der noch nicht vollständigen Bezahlung der vertraglich vereinbarten Gesamtsumme im Zeitpunkt des Kündigungsendtermins eine pauschalierte Ersatzleistung für den Darlehensnehmer vor (§ 5.4.; Klausel 4a). Diese beträgt gemäß § 6 der Darlehensbedingungen (Klausel 4b) 25% des Differenzbetrages sämtlicher Einzahlungen und der vertraglich vereinbarten Gesamtsumme. Die pauschalierte Ersatzleistung wird nach den Darlehensbedingungen vom Rückzahlungsbetrag in Abzug gebracht, ist aber nicht mit diesem begrenzt. Wenn die pauschalierte Ersatzleistung den Rückzahlungsbetrag übersteigt, ist der Darlehensgeber nach der Klausel 4b (§ 6) vielmehr verpflichtet, diesen Differenzbetrag binnen 14 Tagen nach schriftlicher Aufforderung durch den Darlehensnehmer zu bezahlen.

Wenn monatliche Raten von EUR 100,-- im ersten Vertragsjahr, die sich in den weiteren Vertragsjahren um EUR 120,-- jährlich (dh EUR 10,-- pro Monat) erhöhen, und eine Gesamtsumme von EUR 66.000,-- vereinbart werden, hätte der Verbraucher bei einem Vertragsbeginn am ersten Jänner und einer Kündigung zum frühest möglichen Zeitpunkt bis zum Endtermin nach sechs Jahren EUR 9.000,00 bezahlt, sodass noch EUR 57.000,00 offen wären. Dies ergäbe nach den Darlehensbedingungen eine Entschädigungsleistung von EUR 14.250,00 und nach 10 Jahren EUR 12.150,00. Die beanstandeten Klauseln sind nach den dargelegten Rechtsgrundsätzen schon deshalb gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil dem Verbraucher bei kundenfeindlichster Auslegung eine das bis dahin gewährte Darlehen erheblich übersteigende Entschädigung auferlegt wird, deren sachliche Rechtfertigung die Beklagte auch nicht konkret aufzeigt.

Die ordentliche Revision wurde zugelassen. Die Beklagte hat die ordentliche Revision eingebracht.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig (Stand: 18.4.2017).

Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien
OLG Graz 30.3.2017, 4 R 142/16h

Update 28.9.2017:

Nunmehr liegt die Entscheidung vom OGH (4 Ob 110/17f) dazu vor: Zu den Klausel 2 (Kündigungstermin und -frist) und 6 (Nachrangklauseln) wurde die Klage abgewiesen. Alle übrigen Klauseln wurden als gesetzwidrig eingestuft.

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