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Urteil: Voller Erfolg VKI gegen Amazon

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums Amazon EU S.a. r.l. wegen 12 Klauseln der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (aus 2012). Der OGH beurteilte nun alle eingeklagten Klauseln als rechtswidrig.

Anwendbares Recht
Zunächst war die Frage zu klären, welches Recht hier zur Anwendung kommt, da Klausel 12 vorsieht, dass luxemburgisches Recht gelte. Hierzu wurde die Entscheidung des EuGH eingeholt (C-191/15). Die Missbräuchlichkeit der einzelnen Klauseln ist nach dieser EuGH-Entscheidung durch Anwendung der Rom I-VO zu ermitteln. Amazon schließt Verträge mit Verbrauchern und richtet seine Tätigkeit (auch) auf Österreich aus. Daher ist die Verbraucherschutzvorschrift des Art 6 Rom I-VO anwendbar. Die objektive Anknüpfung nach Abs 1 dieser Bestimmung führte zur Anwendung österreichischen Rechts. Davon kann zwar nach Art 6 Abs 2 Rom I-VO mit Rechtswahl iSv Art 3 Rom I-VO abgewichen werden. Die Rechtswahl kann aber  nicht dazu führen, dass in Österreich ansässigen Verbrauchern der Schutz zwingender Bestimmungen des österreichischen Rechts entzogen würde.

Eine Rechtswahlklausel ist missbräuchlich iSv Art 3 Abs 1 KlauselRL (RL 93/13/EWG), wenn sie keinen Hinweis auf den ergänzenden Schutz durch Anwendung der zwingenden Bestimmungen des Verbraucherstaatrechts enthält. Das hat nach der Rechtsprechung des EuGH zur Folge, dass diese Klausel - als "unverbindlich" bzw "nichtig" - nicht anzuwenden ist (C-618/10, Banco Español de Crédito SA). Im vorliegenden Fall enthalten die AGB der Beklagten daher keine wirksame Wahl luxemburgischen Rechts. Damit sind die strittigen Klauseln gemäß Art 6 Abs 1 Rom I-VO nach österreichischem Recht zu beurteilen.

Anwendbares Recht auf Datenschutzklauseln
Zwar ist Art 6 Abs 1 Rom I-VO auch auf diese Klauseln anwendbar, sodass auch sie grundsätzlich nach österreichischem Recht zu beurteilen sind. Soweit ihre Zulässigkeit aber von der Vorfrage abhängt, ob das darin genannte Verhalten der Beklagten gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstößt, ist die speziellere Bestimmung des Art 4 Abs 1 lit a DatenschutzRL (RL 95/46/EG) maßgebend. Diese Regelung hat der EuGH dahin ausgelegt, dass das Ausrichten einer Tätigkeit auf einen Mitgliedstaat nur dann zur Anwendung von dessen Datenschutzrecht führt, wenn das belangte Unternehmen die strittige Datenverarbeitung im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung vornimmt, die sich in diesem Mitgliedstaat befindet. Das trifft hier nicht zu, da die Beklagte über keine Niederlassung in Österreich verfügt. Österreichisches Datenschutzrecht ist nicht anwendbar. Es liegt nahe, dass im vorliegenden Fall auf die Frage der Zulässigkeit der angekündigten Datenverarbeitung - bis zum Geltungsbeginn der Datenschutz-Grundverordnung (VO [EU] 2016/679) - luxemburgisches Recht anzuwenden wäre. Das ist hier aber irrelevant, weil  die betroffenen Klauseln schon aus anderen Gründen zu untersagen sind (siehe unten).

Einzelnen Klauseln

1. Abweichende Bedingungen des Bestellers erkennt Amazon.de nicht an, es sei denn, Amazon.de hätte ausdrücklich schriftlich ihrer Geltung zugestimmt.

Verstoß gegen § 10 Abs 3 KSchG. § 10 Abs 3 KSchG bestimmt, dass die Rechtswirksamkeit formloser Erklärungen des Unternehmers oder seiner Vertreter zum Nachteil des Verbrauchers vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann.

2. Falls Sie aktuell oder in Zukunft von Amazon.de angebotene Dienstleistungen und Services nutzen (z.B. Amazon MP3 Music Service oder Prime), gelten zusätzlich zu diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen diejenigen Richtlinien und Geschäfts- oder Nutzungsbedingungen, die für den jeweiligen Service Anwendung finden. Diese Regelungen gehen für den Fall, dass sie im Widerspruch zu diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen stehen, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor.

Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG: Der OGH hat bereits mehrfach den pauschalen Verweis auf ergänzende Bedingungen als intransparent angesehen. Ein solcher Verweis führt typischerweise dazu, dass sich der Verbraucher aus verschiedenen AGB jene Regelungen heraussuchen muss, die auch für das konkrete Vertragsverhältnis gelten.

3. Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder - wenn Ihnen die Sache vor Fristablauf überlassen wird - auch durch Rücksendung der Sache widerrufen.

Der Kläger behauptet einen Verstoß gegen § 5e Abs 1 KSchG idF vor dem FAGG, weil diese Bestimmung - anders als § 3 KSchG - für den Widerruf keine bestimmte Form vorsehe. § 5e KSchG wurde durch die am 13. Juni 2014 in Kraft getretenen Regelungen des Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetzes (FAGG) ersetzt. § 13 Abs 1 FAGG sieht nun ausdrücklich vor, dass die Rücktrittserklärung an keine bestimmte Form gebunden ist. Die Änderung der Rechtslage erfordert eine doppelte Prüfung (6 Ob 169/15v): Grundsätzlich ist der Unterlassungsanspruch nach der Sach- und Rechtslage bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu beurteilen. Ein in die Zukunft wirkendes Verbot kann aber nach st Rsp nur dann erlassen oder bestätigt werden, wenn das beanstandete Verhalten auch nach der (neuen) Rechtslage im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung rechtswidrig ist. Die zweitgenannte Voraussetzung ist hier wegen der ausdrücklichen Anordnung in § 13 Abs 1 FAGG jedenfalls erfüllt. Ebenso liegt ein Verstoß nach der Rechtslage bei Schluss der Verhandlung erster Instanz vor: § 5e Abs 1 KSchG idF vor dem FAGG sah keine besondere Formpflicht vor.

4. Das Widerrufsrecht besteht nicht bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfalldatum überschritten würde, zur Lieferung von Audio- oder Videoaufzeichnungen oder von Software, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind oder zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten.

Sowohl nach § 5f Abs 1 Z 5 KSchG idF vor dem FAGG als auch nach § 18 Abs 1 Z 9 FAGG ist die in Klausel 4 genannte Ausnahme vom Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht) bei Verträgen über den laufenden Bezug der darin genannten Druckwerke nicht anwendbar. Insofern gibt daher die Klausel die Rechtslage nicht bloß unvollständig, sondern schlicht falsch wieder.

5. Falls Amazon.de ohne eigenes Verschulden zur Lieferung der bestellten Ware nicht in der Lage ist, weil der Lieferant von Amazon.de seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt, ist Amazon.de dem Besteller gegenüber zum Rücktritt berechtigt. In diesem Fall wird der Besteller unverzüglich darüber informiert, dass das bestellte Produkt nicht zur Verfügung steht. Die gesetzlichen Ansprüche des Bestellers bleiben unberührt.

Nach § 6 Abs 2 Z 1 KSchG ist eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsbestimmung nicht verbindlich, wenn der Unternehmer ohne sachliche Rechtfertigung vom Vertrag zurücktreten kann. Die Klausel erfasst auch kurzfristige Lieferverzögerungen durch einen Lieferanten der Beklagten. Insofern ist das Rücktrittsrecht überschießend. Denn die Klausel
ermöglichte der Beklagte ein Lösen vom Vertrag, obwohl sie ihn mit nur geringer Verzögerung erfüllen könnte. Dafür fehlt jede sachliche Rechtfertigung.

6. Bei Zahlung auf Rechnung sowie in sonstigen Fällen bei berechtigtem Anlass prüft und bewertet Amazon.de die Datenangaben der Besteller und pflegt einen Datenaustausch mit anderen Unternehmen innerhalb des Amazon-Konzerns, Wirtschaftsauskunfteien und ggf. der Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG, Postfach 5001 66, 22701 Hamburg, Deutschland.

Die Zulässigkeit der in der Klausel angekündigten Datennutzung ist nach luxemburgischem Recht zu beurteilen (siehe oben). Diese Prüfung ist aber entbehrlich, weil sich die Unzulässigkeit der Klausel schon aus § 6 Abs 3 KSchG ergibt. Die vorliegende Klausel ist dahin zu verstehen, dass der Verbraucher nicht bloß über die darin genannte Datenübermittlung informiert wird, sondern dass er ihr - durch Akzeptieren der AGB - auch zustimmt. Dabei ist aber weder klar, welchen sonstigen "berechtigten Anlass" es für die in der Klausel genannten Maßnahmen geben kann, mit welcher Zielsetzung die Daten "bewertet" werden und mit welchen anderen Unternehmen und zu welchem Zweck ein "Datenaustausch" erfolgt.

7. Kommt der Besteller in Zahlungsverzug, so ist Amazon.de berechtigt, Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem von der Europäischen Zentralbank bekannt gegebenen Basiszinssatz p.a. zu fordern. Falls Amazon.de ein höherer Verzugsschaden nachweisbar entstanden ist, ist Amazon.de berechtigt, diesen geltend zu machen.

Satz 1 der Klausel ist jedenfalls intransparent, da tatsächlich kein "Basiszinssatz" existiert, der von der EZB bekannt gegeben wird.
Jedenfalls unzulässig ist die in Satz 2 der Klausel vorgesehene Verpflichtung zum Ersatz zusätzlicher Schäden, die den Verbraucher nach dem Wortlaut der Bestimmung auch ohne Verschulden träfe. Diese Erfolgshaftung weicht massiv vom dispositiven Recht ab und führte daher zu einer gröblichen Benachteiligung iSv § 879 Abs 3 ABGB.

8. Bei Zahlung auf Rechnung wird zuzüglich eventuell anfallender Versandkosten für den Komplettversand einmalig eine Gebühr von 1,50 EUR inklusive Mehrwertsteuer pro Lieferung berechnet. Der Besteller wird vor Vertragsschluss stets gesondert darüber informiert, ob diese Gebühr anfällt.

Nach § 27 Abs 6 S 2 ZaDiG ist das Erheben von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Fall der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments unzulässig. Nun ist zwar richtig, dass die in der Klausel genannte "Zahlung auf Rechnung" nicht unmittelbar unter den Begriff des "Zahlungsinstruments" in § 3 Z 21 ZaDiG fällt. Allerdings weist der VKI zutreffend darauf hin, dass eine "Zahlung auf Rechnung" iaR mit der Erteilung eines Überweisungsauftrags an eine Bank verbunden ist, während Zahlungen bei der Beklagten sonst üblicherweise durch Kreditkartenüberweisung oder Einziehung erfolgen. In der Sache liegt damit ein nach § 27 Abs 6 ZaDiG unzulässiges Entgelt für die Nutzung bestimmter Zahlungsinstrumente vor.

9. Für die Entscheidung über die Nutzung der Zahlungsart Rechnungskauf verwenden wir - neben eigenen Daten - Wahrscheinlichkeitswerte zur Beurteilung des Ausfallrisikos, welche wir von der Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG, Gasstraße 18, 22761 Hamburg sowie der informa Solutions GmbH, Rheinstrasse 99, 76532 Baden-Baden beziehen. Die Berechnungen der Wahrscheinlichkeitswerte basieren auf einem wissenschaftlich anerkannten mathematischstatistischen Verfahren. Die genannten Unternehmen werden ferner zur Validierung der von Ihnen angegebenen Adressdaten eingesetzt.

Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG: Zwar ist auf die Datenverarbeitung als solche luxemburgisches Recht anzuwenden. Klausel 9 ist aber - wie schon Klausel 6 - dahin zu verstehen, dass der Kunde der darin genannten Datenverarbeitung zustimmt. Worauf sich diese Zustimmung konkret bezieht, ist mangels näherer Beschreibung der "mathematischstatistischen Verfahren" und der dabei verwendeten Daten unklar.

10. Ein Recht zur Aufrechnung steht dem Besteller nur zu, wenn seine Gegenansprüche rechtskräftig festgestellt oder von Amazon.de unbestritten sind. Außerdem ist er zur Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts nur insoweit befugt, als sein Gegenanspruch auf dem gleichen Vertragsverhältnis beruht.

Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 7 KSchG, wonach eine Klausel unzulässig ist, nach der ein dem Verbraucher nach dem Gesetz zustehendes Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen oder eingeschränkt wird.

11. Entscheidet sich der Nutzer, auf Amazon.de Inhalte (z.B. Kundenrezensionen) einzustellen, gewährt er Amazon.de eine für die Dauer des zugrunde liegenden Rechts zeitlich und örtlich unbeschränkte und ausschließliche Lizenz zur weiteren Verwendung der Inhalte für jegliche Zwecke online wie offline.

Die Klausel ist jedenfalls intransparent. Sie erfasst nach ihrem Wortlaut nicht näher bestimmte "Inhalte", die vom Verbraucher "eingestellt" wurden. Offen bleibt, welche sonstigen "Inhalte" (neben der Kundenrezensionen) die Klausel erfasst. Von der Klausel ist zweifellos das Zurverfügungstellen von eingegebenen Inhalten auf der Website der Beklagten erfasst; weitere Nutzungsformen, die offenbar ebenfalls lizenziert werden, bleiben aber ungenannt. Damit ist es für den Kunden tatsächlich nicht möglich, die Reichweite seiner Erklärung abzuschätzen.Die Klausel ist auch gröblich benachteiligend: Der Beklagten wird für die "Dauer des zugrunde liegenden Rechts" eine auch zeitlich unbeschränkte Lizenz eingeräumt. Beim "zugrunde liegenden Recht" kann es sich wohl nur um das Urheberrecht an Textbeiträgen und eingestellten Lichtbildwerken oder Grafiken handeln; dieses erlischt erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Die Lizenz ist "ausschließlich", was bei kundenfeindlicher Auslegung dahin verstanden werden muss, dass eine Eigennutzung durch den Einsteller für die Dauer der Lizenz ausgeschlossen ist. Es wird also ein Werknutzungsrecht iSv § 24 Abs 1 UrhG begründet. Dieser umfassenden Rechteeinräumung, die ausschließlich im Interesse der Beklagten liegt, steht keine erkennbare Gegenleistung gegenüber.

Hier ein Interview mit unserem Juristen Thomas Hirmke der kurz erklärt, was das Urteil für Amazonkunden konkret bedeutet.

OGH 14.12.2017, 2 Ob 155/16g
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Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

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