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Urteil: Unzulässige Check-In-Gebühr von Laudamotion

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Laudamotion GmbH.

Folgende Klauseln wurden für rechtswidrig erklärt:

Rechtswahlklausel
"Sofern das Übereinkommen oder einschlägige Gesetze nichts anderes vorsehen, unterliegen Ihr Beförderungsvertrag mit uns, diese Beförderungsbestimmungen und unsere Regelungen dem Irischen Recht."

Nicht nur aufgrund des Umstands, dass die Beklagte keine reinen Inlandsflüge anbietet, sondern auch aufgrund der Rechtswahlklausel selbst, ist die Anwendbarkeit der Rom I-VO gegeben.

Es liegt kein Verstoß gegen Art 6 Abs 2 Rom I-VO vor, weil Art 6 Abs 4 lit b Rom I-VO Beförderungsverträge (mit Ausnahme von Pauschalreisen) vom Anwendungsbereich (des Abs 1 und insb) des Abs 2 ausnimmt, wonach dem Vertragspartner Verbraucherschutzrechte, die er ohne Rechtswahl hätte, nicht entzogen werden dürfen.

Allerdings dürfen die Parteien eines Vertrages über die Beförderung von Personen gemäß Art 5 Abs 2 Rom I-VO zulässigerweise nur die dort normierte Rechtswahl treffen. Da jedoch in jedem Fall auf das Vertragsverhältnis irisches Recht anzuwenden sein soll, obwohl nicht jedenfalls einer der in Art 5 Abs 2 Unterabsatz 2 lit a bis e Rom I-VO genannten Anknüpfungspunkte (gewöhnliche Aufenthalt der zu befördernden Person, gewöhnlicher Aufenthalt oder Sitz der Hauptverwaltung des Beförderers, Abgangs- oder Bestimmungsort) in der Republik Irland liegt, ist die Vereinbarung der Anwendung irischen Rechts unzulässig.

Flughafen Check-In-Gebühr
"Alle Passagiere müssen auf https://www.ryanair.com  / online einchecken und die Bordkarte ausdrücken und mitführen, außerhalb die Flexi Plus Tickets, die den kostenlosen Flughafen-Check In auch enthalten, bis Sie einen Mobil Bordkarte benutzen (Sie mussen die Kriteriumen einhalten, fur die Benutzung der Mobil Bordkarten, klicken Sie hier für die Bedingungen). Der Online Check-in öffnet 60 Tage vor jedem gebuchten Abflug und es schliesst 2 Stunden vor jedem gebuchten Abflug, wenn Sie Sitzplätze reservieren und bezahlen. (…) Aber wenn Sie keine Sitzplätze bezahlen möchten, können Sie den Online Check-in kostenlos zwischen 2 Tagen und 2 Stunden vor jedem Flug machen. Jede Bordkarte muss auf einer eigenen A4-Seite ausgedruckt werde oder erreichbar sein auf der Ryanair App auf dem Handy. Passagieren, die es nicht schaffen innerhalb der vorgegebenen Fristen einzuchecken (außerhalb Flexi Plus Kunden), wird die Gebühr für den Flughafen Check-in zu dem in unserer Gebührentabelle angeführten Preis verrechnet (…)
Gebühr für den Flughafen Check-In (…)
Nach der Buchung/ Flughafen  EUR 55
Es ist kostenlos für Business Plus Ticket."

Aufgrund der obigen Ausführungen ist festzuhalten, dass auf das Vertragsverhältnis nicht irisches, sondern - gemäß Art 5 Abs 1 Rom I-VO - österreichisches Recht anzuwenden ist. Damit sind die vertraglichen Sachnormen auf ihre Vereinbarkeit mit zwingendem österreichischem Recht zu überprüfen.

Verstoß gegen § 864a ABGB: Die Gebühren für allfällige Zusatzleistungen im Zusammenhang mit Flugreisen sind per se nicht ungewöhnlich. Die Ungewöhnlichkeit ergibt sich im vorliegenden Fall allein aus der Höhe der Gebühr für eine Nebenleistung, mit der der Kunde insbesondere deshalb nicht zu rechnen braucht, weil es sich beim Check-In-Vorgang um eine einfache und in kürzester Zeit zu erledigende Dateneingabe handelt, die der Kunde - worauf die Beklagte selbst hinweist - ohne besondere intellektuelle Anforderungen und Fähigkeiten auch selbst vornehmen kann (und sogar sollte), sodass die Verrechnung eines Entgelts, das die von Billigfluglinien vielfach angebotenen Beförderungsentgelte deutlich übersteigt (!), jedenfalls überraschend ist.

Zwar lässt sich die Höhe des Entgelts vor und während des Buchungsvorgangs in den AGB leicht auffinden; der durchschnittliche Kunde, der während des Buchungsvorgangs nicht explizit auf die Höhe des Entgelts hingewiesen wird, wird aber - selbst wenn er wahrnimmt, dass ein Check-In am Flughafen grundsätzlich kostenpflichtig ist - das Entgelt dafür nicht während des Buchungsvorgangs abfragen - wohl auch deshalb, weil er bei der Buchung oft noch gar nicht weiß, auf welche Weise er einchecken wird - und weil er mit einem derart hohen Entgelt für diese einfachste Tätigkeit nicht rechnet und lediglich ein geringfügiges, dem Aufwand angemessenes Entgelt jedenfalls in Kauf zu nehmen bereit sein wird. Dabei spielt auch eine Rolle, dass es sich beim Check-In um keine fakultative Zusatzleistung, wie etwa eine Bordverpflegung, handelt, die den Beförderungsvorgang selbst nicht tangiert, sondern um eine Leistung, die für den Antritt der Flugreise unumgänglich ist.

Versäumt ein Kunde also das Zeitfenster für den Online-Check-In oder mangelt es ihm während dieses Zeitfensters an den technischen Voraussetzungen dafür, ist der Kunde gezwungen, den Flughafen-Check-In in Anspruch zu nehmen, wenn er in den Genuss der Hauptleistung kommen will. Damit liegt die von der Rechtsprechung als Kriterium angenommene Überrumpelung vor. Sollte die Gebühr für einen Flughafen-Check-In - wie die Beklagte vorgibt - lediglich einen Steuerungseffekt dahin erzielen, dass möglichst viele Kunden online einchecken, wäre wohl zu erwarten, dass die Beklagte - gerade zur Verstärkung dieses Steuerungseffekts - bereits während des Buchungsvorgangs auf die exorbitante Höhe der Gebühr hinweist. Da die genannte Klausel daher schon aufgrund des Verstoßes gegen § 864a ABGB unwirksam ist, müssen andere Anspruchsgrundlagen nicht mehr geprüft werden.

Hingegen wurde diese Klausel als rechtskonform eingestuft:

Gerichtsstandsvereinbarung
"Sofern das Übereinkommen oder einschlägige Gesetze nichts anderes vorsehen, unterliegen [...] sämtliche Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag der Zuständigkeit irischer Gerichte."

Die Frage, ob sich die Zulässigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach nationalem Recht oder nach Gemeinschaftsrecht richtet, ist aufgrund des Anwendungsbereiches der EuGVVO zu bestimmen. In seinem Anwendungsbereich geht Art 25 EuGVVO dem nationalen Recht vor. Die Vorschrift ist hinsichtlich Zulässigkeit, Form und Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen abschließend. Das nationale Recht wird daher insoweit verdrängt. Nach hM ist der umfassende Wortlaut des Art 25 Abs 1 aber teleologisch zu reduzieren, sodass dieser auf reine Binnensachverhalte nicht anwendbar ist. Dabei schafft bereits die Wahl eines (aus Sicht der Parteien) ausländischen Gerichts den erforderlichen Auslandsbezug. Dem Abschluss einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung steht daher auch Art 19 EuGVVO nicht entgegen, weil Art 17 Abs 3 EuGVVO die Art 17 bis 19 (Zuständigkeit in Verbrauchersachen) vom Anwendungsbereich der EuGVVO auf Beförderungsverträge ausnimmt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Beide Parteien haben Berufungen eingebracht; das Urteil ist zu keiner Klausel rechtskräftig (Stand: 8.3.2019).

LG Korneuburg 5.2.2019, 2 Cg 70/18x
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Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien




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