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Urteil: No show-Klauseln von KLM unzulässig

Die niederländische Fluglinie KLM Royal Dutch Airlines verrechnet eine Gebühr ab EUR 125,-, wenn Fluggäste zB nur den Hinflug in Anspruch nehmen, aber nicht den Rückflug. Außerdem müssen Kunden EUR 275,-- für die Herausgabe ihres Gepäcks bezahlen, wenn sie ihren Flug vorzeitig am Flughafen von Amsterdam oder Paris abbrechen. Dagegen ging der VKI im Auftrag des Sozialministeriums gerichtlich vor. Das Handelsgericht (HG) Wien erklärt diese Gebühr für unzulässig.

1. Der Flugpreis der am Ausstellungsdatum des Tickets zugrunde gelegt wurde, gilt ausschließlich für ein vollständig und in der Reihenfolge der Coupons verwendetes Ticket, für die auf dem Ticket eingetragenen Flüge und Daten. Wenn am Reisetag festgestellt wird, dass der Passagier die Nutzungsvorgaben nicht eingehalten hat (wenn beispielsweise der erste Flugcoupon nicht genutzt wird oder Coupons nicht in der ausgegebenen Reihenfolge genutzt werden), ist dieser verpflichtet, am Flughafen folgende Zusatzgebühren zu entrichten: 125 EUR bei einem Kurzstreckenflug innerhalb von Kontinentalfrankreich und Korsika, 250 EUR bei einem Flug innerhalb von Europa in Economy, 500 EUR bei einem Flug innerhalb von Europa in der Business Class, 500 EUR bei einem Interkontinentalflug in Economy oder Premium Economy, 1.500 EUR bei einem Business Interkontinentalflug und 3.000 EUR bei einem Air France La Première Interkontinentalflug (oder der Gegenwert in der Landeswährung).

Mit dieser Klausel muss ein Fluggast nicht rechnen. Dass er, bei Verzicht auf Teile der von ihm gebuchten Reise, einen Aufpreis für die Inanspruchnahme der übrigen Flüge leisten muss, ist überraschend. Da zusätzliche Zahlungen des Kunden vorgesehen sind, verschlechtert sich seine Rechtsstellung im Vergleich zum dispositiven Recht, sodass die Klausel nachteilig iSd 864a ABGB für den Verbraucher ist. Allerdings missbilligt § 864a ABGB nicht schon die Aufnahme überraschender und nachteiliger Klauseln in AGBs, sondern erst deren Verwendung ohne besonderen Hinweis darauf. Der Hinweis auf diese Klausel ist erst gegen Ende des Buchungsvorganges durch Anklicken mehrerer Buttons sichtbar. Dies ist kein deutlicher Hinweis auf diese Klausel. Die Klausel verstößt daher gegen § 864a ABGB.

Der Fluggast hat für mehrere Teilflüge bezahlt und befindet sich somit lediglich in Gläubigerverzug. Der Unternehmer verfügt im Allgemeinen über keinen Anspruch auf Ausführung oder Vollendung des Werkes. Der Kunde muss trotz Verzichtes auf eine Teilleistung nicht nur jedenfalls den gesamten Preis der ursprünglich gebuchten Flugreise weiterhin bezahlen. Unter gewissen Umständen hat er sogar eine zusätzliche Gebühr an das Luftfahrtunternehmen zu entrichten. Die Rechtspostion eines Verbrauchers aufgrund der AGB der Beklagten ist also schlechter als jene nach dispositivem Recht. Die Beklagte rechtfertigt die Verwendung einer derartigen Klausel vor allem mit dem Schutz ihres Tarifsystems. Im Zuge dessen versucht das Flugunternehmen seine Preise an die Nachfrage unterschiedlicher Abflughäfen anzupassen oder aber verschiedenen Zielgruppen entsprechende Ticketpreise anzubieten, ohne dabei Kunden, die grundsätzlich bereit wären für mehr Flexibilität einen höheren Preis zu bezahlen, ein Ausnützen der jeweiligen Tarifstruktur zu ermöglichen. Es liegt daher durchaus ein legitimes Interesse auf Seiten der Beklagten vor, den jeweiligen Markterfordernissen mithilfe privatautonomer Handlungen nachzukommen und den Wettbewerb somit zu schützen.

Wie der OGH in 4 Ob 164/12i ausführte, rechtfertigt dieses Interesse zwar nicht eine Regelung, wonach bei Nichtnutzung eines Flugscheinabschnittes der Flugschein verfällt, jedoch erscheint eine AGB-Klausel, die eine Aufzahlung auf jenen Preis vorsieht, der zum Buchungszeitpunkt für die jeweilige Teilleistung zu bezahlen gewesen wäre, als verhältnismäßiges Mittel für die Durchsetzung dieser berechtigten Interessen. Allerdings werden von der hier strittigen Klausel keinesfalls nur Fluggäste erfasst, denen es primär um ein Ausnützen der Tarifstruktur des Unternehmens geht. Vielmehr entsteht auch ein Nachteil für jene Kunden, die aus einem anderen Grund, beispielsweise aufgrund einer Verspätung des Zubringerfluges, das gebuchte Ticket nicht vollständig in Anspruch nehmen. All diesen Fluggästen geht es gerade nicht darum die Tarifstruktur des Unternehmens auszunützen, weshalb sie in ihrer Rechtsposition zweifellos zu schützen sind.

In derartigen Fällen steht dem (durchaus legitimen) allgemeinen Interesse des Fluganbieters, nämlich seine Tarifstruktur durchsetzen zu können, regelmäßig das konkret schützenswerte Interesse des Verbrauchers an der Anwendung des dispositiven Rechts gegenüber. Auf Seiten des Luftfahrtunternehmens kann ein vergleichbar konkretes Interesse für die zusätzlich anfallende Gebühr nicht erkannt werden, da man sich durch die Nichtinanspruchnahme nicht nur weitere Aufwände erspart, sondern den dadurch frei gebliebenen Sitzplatz auch anderweitig verwenden kann. Die Höhe der Zusatzgebühr orientiert sich auch - soweit erkennbar - nicht am Preis der Teilleistung im Buchungszeitpunkt. Dies ist daher gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

Die vorliegende Klausel enthält keinen Hinweis auf das richterliche Mäßigungsrecht gemäß § 1336 Abs 2 ABGB, welches allerdings vom Rechtsanwender nicht wirksam ausgeschlossen werden kann. Das hat zur Folge, dass der durchschnittliche Verbraucher von einer jedenfalls zu bezahlenden Gebühr ausgehen könnte, dies verschleiert die tatsächliche Rechtslage zu Ungunsten des Verbrauchers stellt einen Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG dar.

2. Falls der Passagier nicht all seine Flugcoupons verwendet und die Reise vorzeitig abbricht, wird dem Passagier am Flughafen Schiphol für die Herausgabe seines Aufgabegepäcks eine Pauschalgebühr in Höhe von 275 EUR und am Charles de Gaulle (Paris) eine Pauschalgebühr in Höhe von in Rechnung gestellt.

Dass eine Bestimmung, wonach ein Fluggast bei vorzeitigem Reiseabbruch an den Flughäfen Amsterdam - Schiphol oder Paris - Charles de Gaulle mit eine zusätzliche Gebühr in Höhe von EUR 275,00 zu verrichten hat, für den Verbraucher nachteilig ist, liegt auf der Hand. Ein für beide Teilflüge zahlender Fluggast hat nicht damit zu rechnen, dass die AGB des Fluganbieters eine derartige Regelung vorsehen. Im Zuge des Buchungsvorganges wird lediglich auf die ABB hingewiesen, dies reicht nicht aus, um die Anwendung der Bestimmung des § 864a ABGB hintanzuhalten.

Die vorliegende Regelung nimmt nicht darauf Bedacht, aus welchem Grund die Reise vorzeitig an einem der beiden angeführten Flughäfen endet. Daraus folgt, dass auch jene Fälle, in denen der Reiseabbruch nicht auf einen in der Sphäre des Kunden liegenden Grund zurückzuführen ist, von der Regelung erfasst sind. Im Vergleich zum dispositiven Recht, das eine Annahmepflicht des sich in Gläubigerverzug befindenden Kunden nicht kennt, liegt hier eine Verschlechterung der Rechtsposition des Fluggastes vor, die gröblich benachteiligend ist. Eine sachliche Rechtfertigung ist hier nicht gegeben. Dass die Zusatzgebühr von EUR 275,- dem tatsächlichen Aufwand für die Ausfolgung des Gepäcks entspräche, ergab sich nicht aus den Feststellungen. Auch diese Klausel verstößt daher gegen § 879 Abs 3 ABGB.

Wie bereits oben ausgeführt, kann das richterliche Mäßigungsrecht nicht wirksam ausgeschlossen werden. Die vorliegende Klausel enthält keinen Hinweis darauf und ist daher intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand: 1.4.2019).

HG Wien 18.3.2019, 30 Cg 48/18p
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Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

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