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Urteil: Irreführendes "Flexibles Ticket" von travelgenio

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die spanische Online-Reiseagentur Travelgenio SL ua wegen Irreführung über den Umfang des von ihr angebotenen "FLEXIBLEN Tickets". Das Oberlandesgericht Wien gab dem VKI in allen Punkten recht.

Irreführende Bewerbung des "Flexiblen Tickets"
Der spanische Online-Reiseagentur travelgenio bot zusätzlich zur Flugbuchung ein Zusatzservice "FLEXIBLES Ticket" zum Preis von EUR 99,00 an. Beim Buchungsvorgang beschrieb sie dieses Service wie folgt:
"Ihr Ticket erlaubt keine Änderungen? Keine Sorge! Wir garantieren Ihnen, dass Sie immer zu den von Ihnen gewünschten Zeiten fliegen.

  • ALLE Arten von Änderungen inkludiert:
    • HINFLUG
    • RÜCKFLUG
    • HIN- UND RÜCKFLUG [sic]
    • 1 FLUGSEGMENT
    • MEHRERE SEGMENTE

  • KEINE Tarif-Einschränkungen
  • KEINE Bearbeitungskosten"

Über die empfindlichen Einschränkungen des "FLEXIBLEN Tickets" wurde der Konsument nur bei Anklicken eines auf Höhe der Überschrift "FLEXIBLES Ticket" angebrachten "i"-Zeichens informiert.

Demnach sind ua Änderungen eines Tickets

  • nur mindestens 48 Stunden vor dem geplanten Abflug und
  • nicht für "teilweise verwendete" Tickets möglich. Tatsächlich kann der Flug daher nur 48h vor Antritt des Hinflugs geändert werden.

Travelgenio löst aufgrund der Wendungen "ALLE ... Änderungen, Keine Tarifeinschränkungen, keine Bearbeitungsgebühren," die Erwartung hoher Flexibilität aus, die auch durch den verhältnismäßig hohen Preis für diese Zusatzleistung von EUR 99,-- genährt wird.

Der Durchschnittsverbraucher erwartet bei der bloßen Abbildung eines "i"-Zeichens auf Höhe der Überschrift keine weiterführenden Informationen. Selbst wenn der Durchschnittsverbraucher das Zeichen "i" als Link zu weitergehenden Informationen verstehe, müsse er nicht davon ausgehen, dass dort die angebotene Zusatzleistung derart einschränkende Bestimmungen enthalten seien, die mit der durch deren Beschreibung im Rahmen des Buchungsvorgangs verursachten Erwartungshaltung in diametralem Widerspruch stünden. Die konkrete Gestaltung ist daher irreführend iSd § 2 Abs 1 UWG.

Unzulässige AGB-Klauseln
Auch die bezughabenden AGB-Klauseln, mit denen die Einschränkungen des FLEXIBLEN Tickets in den Geschäftsbedingungen festgeschrieben wurden, beurteilte das OLG Wien als unzulässig:

"Die Änderung der Buchung muss innerhalb der Öffnungszeiten unseres Kundenservices erfolgen, sowie mindestens 48 Stunden vor dem geplanten Abflug."

Die Klausel ist intransparent, weil nicht ersichtlich ist, welcher Abflug gemeint ist, der die 48-Stundenfrist auslöst.

"Für teilweise verwendete Tickets sind keine Änderungen mehr möglich."

Auch diese Klausel ist intransparent, weil der Durchschnittsverbraucher nach dem allgemeinen Sprachgebrauch davon ausgehe, dass er bei gleichzeitiger Buchung von Hin- und Rückflug zwei Tickets erwerbe. Nach dem "Ticketverständnis" von Travelgenio besteht aber keine Umbuchungsmöglichkeit mehr, sobald der Hinflug angetreten worden ist ("teilweise verwendetes Ticket").

"Wenn die Services FLEXIBLES Ticket und REISERÜCKTRITTSVERSICHERUNG oder REISERÜCKTRITTSVERSICHERUNG PLUS zusammen verwendet werden, werden durch die Verwendung des Services FLEXIBLES Ticket die abgeschlossenen Versicherungen annulliert."

Die Klausel ist nicht nur überraschend, sondern auch gröblich benachteiligend iSd § 879 ABGB. Nach erfolgter Umbuchung kann noch immer ein Reiserücktrittsgrund eintreten, der die Inanspruchnahme der annullierten Reiserücktrittsversicherung notwendig macht.

Verstoß gegen die Informationspflichten
§ 4 Abs 1 Z 1 FAGG schreibt Unternehmern vor, Verbraucher im Fernabsatzgeschäft vor Vertragsabschluss in klarer und verständlicher Weise über die wesentlichen Eigenschaften der Dienstleistung in angemessenen Umfang zu informieren. Das Erfordernis der "Klarheit" und "Verständlichkeit" bezieht sich nicht nur auf den Bedeutungsinhalt, sondern die Information muss ganz allgemein so erteilt werden, dass sie vom Verbraucher - bei gehöriger Aufmerksamkeit - überhaupt wahrgenommen wird. Im vorliegenden Fall wurde durch die (Kurz-)Beschreibung des Zusatzservices "Flexibles Ticket" für den Durchschnittsverbraucher der - irreführende - Eindruck erweckt, dass der Kunde, der dieses Service in Anspruch nimmt, uneingeschränkt Umbuchungen vornehmen kann. Unter diesen Umständen bestand für ihn auch bei gehöriger Aufmerksamkeit keine Veranlassung, auf der Homepage nach den Umfang der angekündigten Leistung einschränkenden oder gar ausschließenden Informationen zu suchen. Von einer "klaren und verständlichen Information" über die wesentlichen Eigenschaften des umbuchbaren Tickets kann daher nicht gesprochen werden. Travelgenio hat gegen § 4 Abs 1 Z 1 FAGG verstoßen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

OLG Wien 27.2.2020, 2 R 99/19x
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Klagsvertreter: Höhne, In der Maur & Partner, Rechtsanwälte in Wien

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