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Urteil: VKI gewinnt gegen Lebensversicherer

Das HG Wien beurteilt Klauseln zum Rückkaufswert in Lebensversicherungsverträgen der UNIQA und der Österreichischen Beamtenversicherung als gesetzwidrig.

Die Klauseln verstoßen gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG und gegen die Vorgaben des § 176 Abs 4 VersVG.

Konsumenten, die ihre Lebensversicherung in den ersten Jahren nach Abschluss kündigen, erleben oft eine böse Überraschung. Sie erhalten oft nur einen Bruchteil jenes Betrages, den sie an Prämien einbezahlt haben - den sogenannten "Rückkaufswert". Den Rest schluckt die Versicherung. Auf diese Folgen einer Kündigung wurde nach Ansicht des VKI von vielen Versicherungen nicht ausreichend hingewiesen.

Der VKI brachte daher mangels Einigung mit den Versicherungen - im Auftrag des BMSG - gegen insgesamt 12 Lebensversicherungen Verbandsklagen ein. Gegenstand der Klagen waren vor allem die Vertragsklauseln zum Rückkaufswert.

Nunmehr liegen die ersten Urteile der Gerichte in den Verfahren gegen die Uniqa Personenversicherung AG und die Österreichische Beamtenversicherung vor. Die Urteile bestätigen die Rechtsansicht des VKI und folgen der Entscheidung des BGH zur Intransparenz von Klauseln (vgl. VR-Info Juli 2003.)

Die Urteile beziehen sich vor allem auf folgende- im wesentlichen bei beiden Versicherungen gleichlautende - Klausel. Sie stellt die Grundlage für die Verrechnung von Abschlusskosten (im wesentlichen die relativ hohe Provision des Vermittlers) und von Stornoabzügen ("Abschlag") dar.

"Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien. Er errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes, unter Berücksichtigung eines Abschlages auf die tarifliche Deckungsrückstellung und der angefallenen Kosten nach den tariflichen Grundsätzen."

Das HG Wien geht in seinem Urteil davon aus, dass das System der Zillmerung der Abschlusskosten (also die Verrechnung der relativ hohen Provision des Vermittlers mit den eingezahlten Prämien am Beginn des Vertrages) bedeutende Nachteile im Fall einer vorzeitigen Vertragsauflösung bringt. Der Rückkaufswert erreicht nämlich erst bei langjähriger Vertragsdauer den Wert der eingezahlten Prämien und kann in den ersten Jahren auch Null betragen.

Das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG erfordert, dass Verbraucher verständlich und vollständig über allfällige wirtschaftliche Nachteile einer Vertragsklausel aufgeklärt werden müssen (Verständlichkeits- und Vollständigkeitsgebot). Da die Zillmerung bei einer vorzeitigen Auflösung einer Lebensversicherung in den ersten Jahren erhebliche Nachteile bringt, ist es notwendig, dass die Versicherungsnehmer über diese Nachteile informiert werden. Die gegenständliche Klausel informiert über diese Nachteile allerdings nicht ausreichend.

Die Versicherungen hatten unter anderem argumentiert, dass den Versicherungsverträgen Tabellen mit den Rückkaufswerten angeschlossen wären und dadurch eine ausreichende Information gegeben würde. Das HG Wien weist allerdings darauf hin, dass eine Rückkaufswerttabelle für sich keine eigenständige vertragliche Vereinbarung begründen sondern nur eine Ergänzung zu einer Klausel darstellen kann. Die gegenständliche Klausel verweist allerdings nicht auf derartige Tabellen. Nach ständiger Rechtsprechung sind Klauseln unter Verzicht auf außerhalb des Textes liegende Umstände auszulegen. Das Anfügen einer Tabelle zu den Vertragsgrundlagen kann daher nicht zu einer vertraglichen Vereinbarung über die Berechnung der Rückkaufswert- und Abschlusskosten und zur ausreichenden Information über die Nachteile im Fall einer vorzeitigen Auflösung führen.

Auch das Argument der Versicherungen, dass die Finanzmarktaufsicht (FMA) ohnehin die Versicherungsbedingungen überprüfen würde und diese Klausel nicht beanstandet hätte, schlägt nach dem HG Wien fehl. Die Nichtbeanstandung der Klauseln durch die FMA ist nämlich zivilrechtlich ohne Bedeutung.

Zum Stornoabzug weist das HG Wien darauf hin, dass ein derartiger Abzug nach den Vorgaben des § 176 Abs 4 VersVG abstrakt (in Prozent) oder betragsmäßig konkret vereinbart sein muss. Da die gegenständliche Klausel intransparent ist, ist sie nicht geeignet eine diesen gesetzlichen Vorgaben genügende Vereinbarung darzustellen.

Die Urteile beziehen sich auch auf drei weitere Vertragsklauseln:

Die Klausel "Alle Erklärungen, die wir abgeben, sind ebenfalls nur dann gültig, wenn sie schriftlich erfolgen und firmenmäßig gezeichnet sind" wurde vom HG Wien unter Hinweis auf die ständige Judikatur als eindeutiger Verstoß gegen § 10 Abs 3 KSchG gewertet, wonach die wirksamkeit formloser Erklräungen nicht ausgeschlossen werden kann.

Die Klausel "Ihnen gegenüber abgegebene Erklärungen werden wirksam, wenn sie an Ihrer uns bekanntgegebenen Adresse bei Ihrer Anwesenheit zugegangen wären" lässt nach Beurteilung des HG Wien auch den Fall zu, dass der Versicherungsnehmer von seiner richtigen Wohnadresse vorübergehend abwesend ist und daher eine wirksame Zustellug von Schriftstücken auch im Fall von Urlaub oder Krankenstand angenommen werden könnte. Dadurch liegt eine wesentliche Abweichung vom dispositiven Recht und von den Vorgaben des § 10 VersVG vor, weshalb die Klausel gröblich benachteiliegend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB ist.

Schließlich verstößt die Klausel der Uniqa "Alle Ihre Erklärungen sind gültig, wenn sie schriftlich erfolgen und bei der Generaldirektion eingelangt sind" gegen die Vorgaben des § 6 Abs 1 Z 4 KSchG, da die Notwendigkeit des Eintreffens von Erklärungen in der Generaldirektion ein besonderes und gesetzwidriges Zugangserfordernis darstellt. Die Urteile sind ein erster Schritt, damit Konsumenten die Auszahlung eines höheren Rückkaufswertes verlangen können. Sie sind nicht rechtskräftig.

HG Wien 27.10.2005, 18 Cg 52/05v (UNIQA)
HG Wien 27.10.2005, 18 Cg 53/05s (ÖBV)
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

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