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Urteil: Haftung der Kapital & Wert Bank AG für unzureichende Anlageberatung

Der VKI hat - im Auftrag des BMSG - gegen die Kapital & Wert Bank AG eine Klage wegen falscher Anlageberatung eingebracht und nun in zweiter Instanz gewonnen.

Eine Konsumentin, die im Jahr 1987 bei der Beklagten bereits in eine Immobilienbeteiligung investiert hatte, zeichnete eine Beteiligung in einen Aktieninvestmentfonds. Die Konsumentin hatte eine sichere Kapitalanlage mit geringem Risiko und kurzer Veranlagungsdauer angestrebt. Der Berater, dem dieses Anlageziel bekannt war, füllte im Beisein der Konsumentin den Zeichnungsschein und das Anlegerprofil aus, in dem als Anlagezweck "Wertsteigerung", als Anlagedauer "kurzfristig" und als Motiv "Ertrag" angekreuzt wurde. Dies mit dem Hinweis darauf, dass die gewählte Anlageform weder der Kategorie "Ansparen" noch jener der "Vorsorge" entspricht. Der Zeichnungsschein wies über dem Unterschriftsfeld für die Konsumentin einen grau unterlegten Haftungsausschluss für leicht fahrlässiges Verhalten aus.

Nachdem der Fonds sukzessive an Wert verlor, kündigte die Konsumentin den Vermögensverwaltungsauftrag mit einem Verlust von rund € 7.500,00.

Da die Konsumentin eine sichere Kapitalanlage mit geringem Risiko und kurzer Veranlagungsdauer anstrebte und nicht über einen möglichen Kapitalverlust aufgeklärt wurde, brachte der VKI - im Auftrag des BMSG - eine Klage auf Schadenersatz wegen falscher Anlageberatung gegen die Fa. Kapital & Wert Bank AG ein.

Das Erstgericht hat unserem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang vollinhaltlich entsprochen. Wie schon das Berufungsgericht kam auch das Erstgericht zur Ansicht, dass die lediglich graue Unterlegung der Haftungsfreizeichnungsklausel auf dem Zeichnungsschein nicht der Anforderung der deutlichen Hervorhebung gegenüber dem übrigen Vertragstext gemäß § 15 Abs 2 WAG (Wertpapieraufsichtsgesetz) genüge. Im übrigen sei die Konsumentin nicht im erforderlichen Ausmaß aufgeklärt worden, woraus ein grober Verstoß gegen die Schutz - und Sorgfaltspflichten iSd §§ 13 und 14 WAG abzuleiten sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Berater keine genaue Kenntnis über das bisherige Anlegerverhalten der Konsumentin hatte und daher eine richtige und sorgfältige, für den Kunden verständliche und vollständige Aufklärung nicht denkbar sei.

Auch das Berufungsgericht hat im zweiten Rechtsgang dem VKI wieder Recht gegeben und seine Entscheidung ausführlich begründet.

Der Versuch der Beklagten, die Konsumentin als Schwindlerin hinzustellen, scheiterte bereits auf Sachverhaltsebene. Das Berufungsgericht erkannte lebensnah, dass die zögerlichen Angaben der Konsumentin damit zu erklären seien, dass sie die näheren Details ihrer früheren Veranlagung schlicht und einfach nicht kannte.

Es sei notorisch, dass einem Durchschnittsmenschen nicht bekannt ist, wie eine Beteiligung als echter stiller Gesellschafter hinsichtlich Sicherheit, Risiko und Liquidität einzuschätzen ist. Deswegen erscheine es keineswegs lebensfremd, dass die offenbar nicht näher aufgeklärte Kundin der Meinung war, sie hätte eine sichere Investition in Immobilien getätigt.

Weiters sei es keineswegs lebensfremd, dass sich die Konsumentin primär auf die mündlichen Aussagen des Beraters verließ, wohingegen sie die Unterlagen - ohne ihnen besondere Aufmerksamkeit zu widmen - bloß überflog.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht zunächst aus, dass der Berater, dem das Anlageziel der Konsumentin bekannt war, das Anlegerprofil gerade nicht auf Basis der Angaben seiner Kundin ausfüllte, sondern aufgrund seiner eigenen Interpretation dieser Angaben, die mit den geäußerten Kundenwünschen jedoch nicht übereinstimmte.

Zur Haftung des Beraters als Angestellter der Bank gab das Berufungsgericht zusammenfassend die einschlägige Judikaturlinie wieder und zitierte 15 einschlägige Entscheidungen. Nach ständiger Rechtssprechung traf eine Bank bereits vor Inkraftttreten des WAG bei Abschluss von Effektengeschäften auch ohne Bestehen eines besonderen Beratungsvertrages Aufklärungs- und Beratungspflichten. Dabei sei ein strenger Maßstab an die Sorgfalt der Bank anzulegen. Der Kunde dürfe einerseits darauf vertrauen, dass sie über spezifisches Fachwissen im Wertpapierhandel verfüge und andererseits, dass sie bei Abschluss und Durchführung dieser Geschäfte umfassend berät. Entscheidend sei dabei neben der Art des Geschäftes die erkennbare Unerfahrenheit und Informationsbedürftigkeit des konkreten Kunden. Je spekulativer die Anlage und je unerfahrener der Kunde, desto weiter reichten die Aufklärungspflichten. Dies sei im Einzelfall zu prüfen. Der hier anzuwendende § 13 Z 3 und 4 WAG schreibe diese von der Rechtsprechung und Lehre abgeleiteten Aufklärungs- und Beratungspflichten fest.

Der Inhalt der Beratungspflichten sei von einer Reihe von Faktoren abhängig. Bezüglich der Anlagedauer habe der Berater zu prüfen, für welchen Zeitraum der Kunde plant und ob dies mit dem geäußerten Anlageziel übereinstimmt. Weiters seien die persönlichen Verhältnisse des Kunden, wie die Vermögens- und  Einkommenssituation und die Kenntnisse und Erfahrungen zu ermitteln. In Bezug auf das Anlageobjekt habe sich die Beratung auf die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentlichen Eigenschaften und Risken zu beziehen, wobei über allgemeine und spezielle Risken aufzuklären sei.

Insgesamt müsse die Beratung richtig und sorgfältig und dabei für den Kunden verständlich und vollständig sein.

Gemessen an diesen Grundsätzen gelangte das Berufungsgericht zur Ansicht, dass die Aufklärung und Beratung in gegenständlichen Fall unzureichend und fehlerhaft war. Der Berater habe jegliche substantielle Aufklärung über das Wesen der Veranlagung und deren typische Risikoträchtigkeit unterlassen und suggerierte der Konsumentin, dass der Aktienfonds mit ihrem Anlageziel hinsichtlich Sicherheit  vereinbar sei. Auch die Übergabe der Prospektunterlagen könne die geforderte konkrete Beratung nicht ersetzen, wobei diese nicht einmal einen Risikohinweis auf einen drohenden Kapitalverlust enthielten.

Obiter dictu überraschte das Berufungsgericht mit der Rechtsausführung, das der Fall hinsichtlich des Haftungsausschlusses für leichte Fahrlässigkeit selbst bei einem - hier nicht angezeigten - wirksamen Ausschluss nicht anders zu beurteilen sei.

§ 1298 ABGB normiere die Beweislastumkehr im Falle des vertraglichen Ausschlusses der Haftung für leichte Fahrlässigkeit auch für einen höheren Grad des Verschuldens, sodass es sich um einen im Sinne des § 6 Abs 1 Z 11 KSchG zwingenden Vertragsbestandteil handle. Daher hätte die Beklagte zu beweisen gehabt, dass sie keine Schuld an der Nichterfüllung des Beratervertrages trifft, was sie aber nicht einmal versucht habe.

Steht also daher einmal ein Schaden aus einem Beratervertrag fest, dann wird das Verschulden des Beraters nunmehr vermutet und muss von ihm entkräftet und nicht mehr vom Geschädigten nachgewiesen werden und zwar unabhängig davon, ob ein  vertraglicher Haftungsausschluss vorliegt oder nicht.

Im gegenständlichen Fall sei aber gar kein leichtes Verschulden des Beraters anzunehmen, denn die mangelnde Aufklärung über das Risiko eines Kapitalverlustes  übersteige den Grad leichten Verschuldens bereits!

Zusammengefasst ist dieses Urteil in  mehrfacher Hinsicht sehr erfreulich.

Auf der Sachverhaltsebene hat das Berufungsgericht die regelmäßige Diskrepanz zwischen einer Scheinaufklärung im Kleingedruckten der Unterlagen und den schönfärberischen Ausführungen des Beraters erkannt, was ja die ökonomische Essenz jedes Strukturvertriebes ist. Es ist eben nicht lebensfremd, dass sich Kunden auf die mündlichen Ausführungen ihres Beraters verlassen und daher Unterlagen bloß "überfliegen".

Auch die Feststellung, dass es notorisch ist, dass ein Durchschnittsmensch etwa eine Beteiligung als echter stiller Gesellschafter hinsichtlich Sicherheit, Risiko und Liquidität nicht einschätzen kann, lässt sich auf viele andere Fälle fehlerhafter Anlageberatung untertragen.

Auch hat das Gericht wohltuend erkannt, dass üblicherweise das Anlegerprofil vom Berater - und oft eben nicht nach den Angaben des Beratenen, sondern nach eigenem Gutdünken oder doch nach eigener Interpretation dieser Angaben - ausgefüllt wird. Diese Praxis legt de lege ferenda die Forderung nahe, dass Anlegerprofile vom Kunden selbst ausgefüllt und nicht nur von ihm unterzeichnet werden müssen.

Überdies ist diese Berufungsentscheidung als Quelle für die letzte höchstgerichtliche Judikatur zur Haftung des Anlageberaters zu bezeichnen und gibt diese nochmals ausführlich zusammengefasst wieder.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die ordentliche Revision wurde allerdings nicht zugelassen.

HG Wien, 18.11.2005, 1 R 113/05x
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Klagsvertreter: Dr. Benedikt Wallner, RA in Wien

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