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Urteil: VKI-Sieg gegen Imperial

Zur Frage der Möglichkeit des (weitgehenden) Ausschlusses des Kündigungsrechts bei Genussrechten hat der OGH ausgesprochen, dass ein Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechts aus wichtigem Grund jedenfalls und ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts von bis zu 35 Jahren in Gewinnscheinbedingungen bei fehlender Börsengängigkeit oder gleichwertiger Markteinrichtung eine unangemessene Beeinträchtigung der Interessen der Anleger im Sinne der § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 1 Z 1 KSchG darstellt.

Die beklagte Imperial Immobilien AG vertreibt seit 1990 nicht börsennotierte Immobiliengewinnscheine unter Zugrundelegung der von ihr erstellten Fondsbedingungen (Gewinnscheinbedingungen).

In folgender Klausel (§ 9 Z 3 der Fondbedingungen) wurde das außerordentliche und das ordentliche Kündigungsrecht weitgehend eingeschränkt: "Sowohl die Inhaber der IMPERIAL Commerzimmobilien Gewinnscheine als auch die IMPERIAL AG sind berechtigt, die Gewinnscheine mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines jeden Geschäftsjahres, frühestens jedoch zum 31.12.2025 zu kündigen. Auf ein Kündigungsrecht vor diesem Zeitpunkt verzichten die Gewinnscheininhaber und die IMPERIAL AG auch für den Fall des Vorliegens eines wichtigen Grundes."

Der VKI sah in der Klausel eine unzulässige Vertragsbindung des Verbrauchers gemäß § 6 Abs 1 Z 1 KSchG sowie eine unangemessene Benachteiligung des Anlegers und klagte - im Auftrag des BMSG - mit Verbandsklage auf Unterlassung der Verwendung der Klausel.

Während das Erstgericht das Begehren zur Gänze abgewiesen hat und das OLG Linz dem Begehren nur hinsichtlich des Ausschlusses der außerordentlichen Kündigung stattgegeben hat, ist der Prozess nunmehr durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs zur Gänze gewonnen worden.

Zum Wesen der hier vorliegenden Genussrechtsverhältnisse nach § 174 Abs 3 AktG führte der OGH zunächst allgemein aus, dass diese aus dem gesetzgeberischen Bestreben, die Entwicklung dieses Instrumentes unter der Achtung des Prinzips der Privatautonomie nicht zu behindern, keiner besonderen gesetzlichen Regelung unterlägen, was für den Emittenten eine weitgehende Gestaltungsfreiheit bedeute. Genussrechte würden in der Regel als Gegenleistung für Unternehmensfinanzierung eingeräumt und gewährten Ansprüche auf einen Teil des Gewinnes, oft auch eine Beteiligung am Liquidationserlös. Im Gegensatz zu Aktien würden sich Genussrechte nicht aus einem Gesellschaftsverhältnis ableiten, sondern seien schuldrechtlicher Natur und gewährten reine Gläubigerrechte.Weiters seien Genussrechte auf wiederkehrende Leistungen, nämlich Zins- und Dividendenzahlungen gerichtet, wodurch ihr Charakter als Dauerschuldverhältnis deutlich würde.

Zur Revision der Beklagten zu dem bis 31.12.2025 befristeten Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechts gelangte der OGH wie schon das Berufungsgericht zur Ansicht, dass die in Rspr und Lehre unbestrittene Auffassung der Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung, die allen Dauerschuldverhältnissen immanent sei, auch für Genussrechtsverhältnisse im Kern zwingend sei und durch allgemeine Geschäftsbedingungen nicht abbedungen werden könne.

Neben der Änderung der Fondbedingungen im Jahr 2004 in aktienrechtlicher Ausgestaltung könne auch ein Hinweis der Beklagten auf die Bestimmungen der § 23 Abs 4 BWG und § 73c Abs 1 Z 1 VAG zu keinem anderen Ergebnis führen. Zweck dieser Bestimmungen hinsichtlich von Partizipationskapital, welches einbezahlt und auf Unternehmensdauer unter Verzicht auf die ordentliche und außerordentliche Kündigung dem jeweiligen Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, sei, die Zahlungsfähigkeit von Banken und Versicherungen im Interesse einer funktionsfähigen Kredit-bzw Versicherungswirtschaft durch verpflichtende Eigenmittelquoten abzusichern. Mit dem Vorbehalt der Ausgabe von Partizipationskapital ausschließlich an Banken und Versicherungen habe der Gesetzgeber bewusst eine Beschränkung auf Unternehmen vorgenommen, die einer besonderen staatlichen Aufsicht zum Schutz der Kunden vor einer Insolvenz oder vor einer schlechten Geschäftsgebarung unterlägen. Bei hilfsweiser Anwendung der Regeln über die typische stille Gesellschaft würde sich ebenfalls nicht anderes ergeben. Da der stille Gesellschafter nach § 184 Abs 1 HGB ein zwingendes außerordentliches Kündigungsrecht habe, würde in diesem Fall der Ausschluss dieses Rechts für den Genussscheininhaber einen unauflösbaren Wertungswiderspruch ergeben. Selbst unter Zugrundelegung der Auffassung, dass das ao Kündigungsrecht für eine begrenzte angemessene Zeit ausgeschlossen werden könne, weil ein Interesse des Emittenten auf Schutz vor überraschendem Kapitalabfluss zu beachten sei, wäre unter der hier gebotenen Interessenabwägung ein Ausschluss von bis zu 35 Jahren jedenfalls nicht angemessen. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass der Ausschluss den Anleger ungleich schwerer träfe. Der Anleger erbringe seine Leistung regelmäßig sofort und daher würden wichtige Gründe, die eine sofortiges Lösungsrecht begründen würden, viel eher vom Emittenten gesetzt. Auch eine Analogie zum Ausschluss der ao Kündigung des Aktionäres nach Aktienrecht würde, durch die im vorliegenden Fall bestehende eingeschränkte Weitergabemöglichkeit mangels Börsennotierung, den Ausschluss nicht rechtfertigen.

Der Revision des VKI zu dem bis 31.12.2025 befristeten Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts hat der OGH Folge gegeben. Allgemein sei davon auszugehen, dass aufgrund der Möglichkeit der jederzeitigen Lösbarkeit von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund selbst eine extrem lange oder sogar "immerwährende" vertragliche Bindung wegen des Grundsatzes der Vertragstreue und wegen der Möglichkeit schutzwürdiger Aufrechterhaltungsinteressen an sich weder unzulässig noch allgemein durch eine Höchstdauer beschränkt sei. Darüber hinaus enthielte aber das Gesetz eine Reihe von einzelnen Beschränkungen langfristiger Verträge allein wegen des Zeitfaktors, die aber kein geschlossenes System bilden würden. Für Verbraucher wesentliche Schutzbestimmungen seien etwa § 15 KSchG und § 6 Abs 1 Z 1 KSchG. Letztere, hier relevante Bestimmung, böte einen Orientierungsrahmen, der im Einzelfall anhand einer Interessenabwägung auszufüllen sei (etwa 1 Ob 176/98h).

Im Bereich des Gesellschaftsrechts sei eine unbefristete Bindung des Kapitals nichts Ungewöhnliches, da die Börsengängigkeit von Kapitalmarktiteln dem Anleger die Möglichkeit des Verkaufs - wenn auch mit einem gewissen Kursrisiko - ermögliche. Hingegen sei bei Gesellschaftsformen, die eine Abtretung der Beteilung an sich nicht kennen, ein gänzlicher Ausschluss der (ordentlichen) Kündigung jedenfalls unzulässig (idS 7 Ob 267/02v).

Zur Erhaltung des Haftungsfonds werde in der Kapitalgesellschaft das Kündigungsrecht durch das Übertragungsrecht ersetzt, was jedoch einen liquiden Markt voraussetze, der in der Regel bei nichtbörsenorientierten Kapitalanlagen fehle, wodurch die Veräußerbarkeit der Kapitalanlage erschwert und mit Kosten verbunden würde. Die unkündbare Zurverfügungstellung von Kapital sei daher rechtfertigbar, wenn die Übertragbarkeit über eine organisierte Markteinrichtung, insbesondere über die Börse möglich sei, selbst wenn dadurch wegen des mangelnden Umsatzes weder die rasche Veräußerbarkeit noch wegen des Kursrisikos die Sicherheit gegeben sei, dass der Anleger den tatsächlichen Wert seines eingesetzten Vermögens lukrieren könne.Daher könne auch bei Genussrechten das Kündigungsrecht ausgeschlossen werden, sofern dem Anleger eine durch Verbriefung und Börsennotierung herbeigeführte realistische Alternative der Übertragung geboten würde. Wie hoch die Anforderungen der "Liquidität" der Kapitalanlage als Alternative zum Lösungsrecht tatsächlich seien, zeigen auch die Bestimmungen über Kapitalanteilscheine, deren Liquidität durch die jederzeitige gesetzliche Rücknahmeverpflichtung durch die Kapitalanlagegesellschaft sichergestellt sei (§ 10 Abs 2 InvFG bzw § 11 Abs 1 ImmoInvFG).

Demgegenüber bilde der außerbörsliche Handel eines Wertpapiers keinen vergleichbaren Schutz und Marktzugang. Daher könne auch eine im Zeitpunkt des Erwerbes der Gewinnscheine bestehende bloß außerbörsliche Verkaufsmöglichkeit nicht als eine dem Zugang zu Börsen gleichwertige Markteinrichtung, die einen Ersatz für einen (weitgehenden) Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts des Anlegers biete, angesehen werden. Die Beklagte müsste daher die Übertragung durch eine Börsennotierung oder jedenfalls durch eine dem Börsenzugang gleichwertige Markteinrichtung sicherstellen, da nur auf diese Weise sicher gestellt sei, dass das Kapital zu einem Kurswert liquidiert werden könne, der auf einem organisatiorischen Regeln unterworfenem Markt gebildet würde.

Auch die in den Fondsbedingungen enthaltene Rücknahmemöglichkeit biete keine ausreichende "Exit-Möglichkeit", da diese auch eine Berechtigung der Organe zur Aussetzung oder Verweigerung der Rücknahme aus kaufmännischen Überlegungen beinhalte. Dies sei keine mit den §§ 10 Abs 2 InvFG bzw 11 Abs 2 ImmoInvFG vergleichbare Rückgabemöglichkeit.

Zum Einwand der Beklagten, dass die nunmehr abgeänderten Fondsbestimmungen aktienrechtlich ausgestaltet wären und daher einer an aktienrechtlichen Normen und Grundsätzen ausgerichteten Kontrolle überlägen entgegnete der OGH, das ein Genussrecht keine mitgliedschaftlichen Rechte begründe und diese auch durch Vertrag nicht eingeräumt werden könnten. In diesem Zusammenhang sei wesentlich, dass die Fondsbedingungen kein Recht auf Ausschüttung einer jährlichen Dividende einräumen und daher während der gesamten Vertragsdauer kein Ertrag aus der Veranlagung erzielt werden könne. Der Anleger habe damit keine Chance, dass sich das veranlagte Kapital bereits während der Dauer des Kündigungsverzichts amortisiere, was jedoch sein mit dem Kündigungsverzicht verbundenes Risiko wesentlich vermindern würde.

Imperial darf die Klausel zum einen nicht weiter verwenden, sich aber - und das ist noch viel wesentlicher - auf die Klausel bei bestehenden Verträgen auch nicht berufen. Anlegern, die Gewinnscheine also vor 31.12.2025 aufkündigen wollen, kann die Klausel also nicht entgegengehalten werden; deren Kündigung ist vielmehr wirksam.

OGH, 24.01.2006, 10 Ob 34/05f
Klagevertreter: Kosesnik-Wehrle und Langer Rechtsanwälte KEG

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