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Urteil OGH: Unzulässige Vorgehensweisen von Inkassounternehmen

Der VKI führte im Auftrag des Sozialministeriums ein erfolgreiches Verbandsverfahren (nach § 28 und § 28a KSchG) gegen die infoscore austria gmbh.

Eingangs beschäftigt sich der OGH allgemein mit dem Verhältnis zwischen Schuldner und Inkassounternehmen. Zwischen Schuldner und Inkassounternehmen besteht kein unmittelbares Vertragsverhältnis; eine vertragliche Verpflichtung des Schuldners gegenüber dem Inkassounternehmen, diesem den Aufwand zu ersetzen, besteht nicht. Die Verpflichtung des Schuldners zur Bezahlung von Inkassokosten besteht somit entweder aus seinem Verhältnis zum Gläubiger oder auf einer neu geschaffenen vertraglichen Grundlage, zB auf Grundlage eines Anerkenntnisses.

Folgende Klauseln im Mahnschreiben bzw vorformulierten Ratenansuchen der infoscore austria gmbh wurden als gesetzwidrig eingestuft:

A.1. "Kosten entsprechen den von der Höhe des konkreten Rechnungsbetrages abhängigen Beträgen der Verordnung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Höchstsätze der Inkassoinstituten gebührenden Vergütungen, BGBl 1996/141 idF BGBl II 2005/103."

Aus der Klausel geht nicht deutlich hervor, dass die Inkassogebührenverordnung bloß Höchstsätze festlegt, ohne zur Einhebung von Kosten in bestimmter Höhe zu berechtigen. Dem Verbraucher wird der unzutreffende Eindruck vermittelt, die von der Bekl ausgewiesenen Beträge der begehrten Inkassokosten würden sich ohne weiteres aus dem Gesetz ergeben. Die Klausel ist intransparent.

A.2. "Hiermit anerkenne ich die Richtigkeit dieser fälligen Forderung in der Höhe von EUR (...) zuzüglich vereinbarter Zinsen. Es ist mir leider nicht möglich, den Betrag in einem zu zahlen. Daher ersuche ich Sie, mir die Zahlung in monatlichen Raten in der Höhe von EUR ... zum jeweils ... des Monats, beginnend mit ..., durch Übersendung einer schriftlichen Bestätigung zu genehmigen."

Der Verbraucher soll "vereinbarte Zinsen" anerkennen, ohne dass klargestellt wird, dass dabei der im Vertragsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger vereinbarte Zinsfuß gemeint ist. Beim Verbraucher könnte die Klausel den Eindruck entstehen lassen, dass im Rahmen der Ratenvereinbarung nun Verzugszinsen "neu" vereinbart bzw von ihm anerkannt werden sollen, ohne dass die Höhe dieser Zinsen genannt wird. Infolge mangelnder Klarstellungen, welche Zinsen bzw welcher Zinsfuß angesprochen ist, bleibt die Klausel für den durchschnittlichen Schuldner unklar und unverständlich.
A.4. "Ich kann binnen einer Woche ab Erhalt der Bestätigung von dieser Ratenvereinbarung zurücktreten, ein Absenden der Rücktrittserklärung innerhalb dieser Frist genügt."
Nach § 12 Abs 1 VKrG kann der Verbraucher von einem Kreditvertrag innerhalb von 14 Tagen ohne Angaben von Gründen zurücktreten. Dieses Rücktrittsrecht steht dem Verbraucher grundsätzlich bei allen Kreditverträgen zu, auf die gemäß § 4 der 2. Abschnitt des VKrG anwendbar ist, sohin auch bei Zahlungsaufschüben (§ 25 VKrG). § 25 VKrG erfasst aber nur den "entgeltlichen Zahlungsaufschub".

Ob die in der Klausel eingeräumte einwöchige Rücktrittsfrist gesetzwidrig ist (§ 25 VKrG iVm § 12 Abs 1 VKrG), hängt daher von der Frage ab, ob der Verbraucher für die von der Klausel A.2. ermöglichte Ratenvereinbarung Entgelt iSd VKrG zu leisten hat oder nicht.

Entgeltlichkeit eines Zahlungsaufschubs liegt vor, wenn sich die spätere Zahlungspflicht des Verbrauchers gegenüber einer sofortigen Zahlung monetär in einer höheren Zahllast des Verbrauchers niederschlägt. Es kommt somit darauf an, ob die Höhe des vom Verbraucher zu zahlenden Gesamtbetrags danach differenziert, ob er den Betrag bei Fälligkeit zur Gänze bezahlt oder ob die Zahlung (teilweise) später erfolgt. Allein die in einem Vertrag getroffene Vereinbarung (und spätere Geltendmachung) von Verzugszinsen führt noch nicht zur Anwendbarkeit des 2. Abschnitts des VKrG auf das Vertragsverhältnis, weil damit kein Zahlungsaufschub gewährt wird, sondern sich ein allfälliger Verzug als vertragswidriges Verhalten darstellt.

Bei Auslegung der Klausel A.2. im "kundenfeindlichsten" Sinn ist die Formulierung "vereinbarte Zinsen" dahin zu verstehen, dass im Rahmen der Ratenvereinbarung mit dem Schuldner Verzugszinsen "neu" und in höherem Ausmaß vereinbart bzw von diesem anerkannt werden sollen. Der vom Verbraucher zu zahlende Gesamtbetrag differiert somit der Höhe nach, wenn er den Betrag bei Fälligkeit zur Gänze bezahlt oder ob die Zahlung zufolge der Ratenvereinbarung (teilweise) später erfolgt. Die Differenz schlägt sich in einer höheren Zahllast für den Schuldner nieder. Sieht man Zinsen als Entgelt für die Gewährung einer Kreditierung an, ist an der Entgeltlichkeit der Ratenvereinbarung im Sinn des VKrG nicht zu zweifeln.

Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass der Begriff "vereinbarte Zinsen" lediglich die zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbarten Zinsen umfasst, wäre die Entgeltlichkeit der Ratenvereinbarung iSd VKrG zu bejahen:
Dem Begriff der "vereinbarten Zinsen" wird im Mahnschreiben und Ratenansuchen der "offene Gesamtbetrag" zu Grunde gelegt, der Inkassokosten und Zinsen beinhaltet und insgesamt verzinst werden soll. Zinsen von Zinsen dürfen aber nur verlangt werden, wenn dies die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, ansonsten sie erst ab dem Tag der Streitanhängigkeit gefordert werden können (§ 1000 Abs 2 ABGB).

Im vorliegenden Fall werden sie schon ab einem zuvor liegenden Zeitpunkt eingefordert. Darüber hinaus werden auch Zinsen von den dem Schuldner angelasteten Eintreibungskosten verlangt. Die vom Gläubiger für die Zukunft begehrten Zinsen gehen demnach über jene hinaus, die ihm als Verzugszinsen zustünden. Die so entstehende Differenz kann jedenfalls nicht mehr zur aufgeschobenen Schuld selbst gezählt werden. Stellt die Verzinsung ein Element der Entgeltlichkeit dar, ist diese Differenz als Entgelt für die Gewährung des Zahlungsaufschubs iSd § 25 VKrG anzusehen.

Die inkriminierte Klausel ist unwirksam, weil sie mit der Gewährung eines nur einwöchigen Rücktrittsrechts von der zwingenden Bestimmung des § 12 VKrG zu Ungunsten des Verbrauchers abweicht (§ 3 VKrG).

Weiters muss die infoscore austria gmbh folgende Geschäftspraktiken unterlassen:

B.1. den Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen und Anerkenntnissen zu ermöglichen, ohne dabei die Inkassokosten gesondert und mit jedem Betreibungsschritt aufgeschlüsselt auszuweisen.

Der VKl hat die Anwendbarkeit des § 28a KSchG darauf gestützt, dass die Bekl im Zusammenhang mit der Vereinbarung von missbräuchlichen Vertragsklauseln gegen das gesetzliche Gebot des § 6 Abs 1 Z 15 KSchG verstößt.

Für die Anwendbarkeit des § 28a KSchG kommt es nicht darauf an, dass der konkrete innerstaatliche Rechtsakt in Umsetzung einer im Anhang der RL 98/27/EG (Unterlassungsklagen-RL) aufgezählten Richtlinien gesetzt wurde, sondern darauf, dass er in den Anwendungsbereich einer der Richtlinien fällt.
In § 28a KSchG sind nicht sämtliche Rechtsvorschriften taxativ aufgezählt, deren Verletzung den Unterlassungsanspruch nach § 28a KSchG auslöst. Es kommen nicht nur alle nach dem österreichischen Beitritt zur EU ergangenen legislativen Umsetzungsmaßnahmen in Betracht, sondern auch alle darüber hinaus vorgesehenen Schutzmaßnahmen (wie etwa die meisten Regelungen der KSchG-Novelle 1997) sowie zahlreiche Rechtsvorschriften des KSchG und des ABGB, die schon zuvor Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung gewesen sind.

In der Folge befasste sich der OGH ausführlich mit § 6 Abs 1 Z 15 KSchG und § 1333 Abs 2 ABGB und mit deren Verhältnis zueinander:

Für die Wirksamkeit einer nach Eintritt des Verzugsfalls geschlossenen Vereinbarungen müssen gem § 6 Abs 1 Z 15 KSchG zwei Erfordernisse kumulativ vorliegen: Zum einen müssen die Betreibungskosten gesondert und aufgeschlüsselt ausgewiesen werden. Darüber hinaus müssen die Kosten zur zweckentsprechenden Betreibung oder Einbringung der Forderung notwendig sein.

Nach § 1333 Abs 2 ABGB kann der Gläubiger außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.

Unterliegt ein Vertragsverhältnis nicht nur § 6 KSchG, sondern auch anderen gesetzlichen Bestimmungen und sind deshalb divergierende gesetzliche Wertungen vorgesehen, ist nach stRsp § 6 KSchG uneingeschränkt auf alle rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen zwischen Verbrauchern und Unternehmern anzuwenden. § 6 KSchG ist demnach absoluter Anwendungsvorrang zuzusprechen.

§ 6 Abs 1 Z 15 KSchG ist daher hier anwendbar.

Gegenständliches Formblatt entspricht nicht § 6 Abs 1 Z 15 KSchG: Nur eine ausreichend detaillierte Aufschlüsselung der Eintreibungskosen kann dem Transparenzgebot standhalten. Eine - ohne erkennbare Notwendigkeit - pauschale Zusammenfassung mehrerer Betreibungsschritte wie sie sich im vorliegenden Vertragsformblatt findet zB "Mahnung (zB zweite/dritte Mahnung, Stundungs-/Vergleichs-/Ratenvereinbarung, Telefoninkasso)" entspricht diesen Anforderungen nicht.

B.2. beim Anbot von Ratenzahlungsvereinbarungen und Anerkenntnissen einen höheren als den Verzugszinssatz anzugeben, welchen der Konsument aufgrund seiner vertraglichen Vereinbarung oder von Gesetzes wegen aus dem Vertragsverhältnis zum Auftraggeber der beklagten Partei, schuldig ist zu zahlen;

Die Bekl verrechnete gegenüber Verbrauchern Verzugszinssätze iHv 12 %, die somit über der gesetzlichen Zinssatzhöhe von 4 % lagen, ohne dass eine 12%ige Zinssatzhöhe zwischen den Konsumenten und den Auftraggebern der Bekl tatsächlich vereinbart worden sei.

Die Bekl hat die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens anerkannt.

Abgewiesen wurde das zusätzliche Klagebegehren, dass die beklagte Partei

B.3. es zu unterlassen habe, den Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen und Anerkenntnissen zu ermöglichen ohne dabei Angaben zum anwendbaren Satz der Verzugszinsen und die Art seiner etwaigen Anpassung, einen Warnhinweis über die Folgen ausbleibender Zahlungen und das Recht auf vorzeitigen Rücktritt zu machen;

eventualiter

den Abschluss von entgeltlichen Ratenzahlungsvereinbarungen und Anerkenntnissen zu ermöglichen ohne dabei Angaben zum anwendbaren Satz der Verzugszinsen und die Art seiner etwaigen Anpassung, einen Warnhinweis über die Folgen ausbleibender Zahlungen und das Recht auf vorzeitigen Rücktritt zu machen.

Der klagende VKI machte hier geltend, dass bei diesem entgeltlichen Zahlungsaufschub die meisten Bestimmungen des 2.Abschnittes des VKrG anwendbar seien, die Bekl sohin auch die Pflicht zur vorvertraglichen Information gem § 6 VKrG treffe. Dagegen habe die Bekl verstoßen.

Da die in § 28a KSchG enthaltene Formulierung "im Zusammenhang mit Verbraucherkreditverhältnissen" keine Beschränkung vorsieht, sind bei Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 6 VKrG rechtswidrige Geschäftspraktiken aller jener Rechtssubjekte eingeschlossen, für die die vorvertraglichen Informationspflichten gelten.

Davon ist aber die Frage zu trennen, wer im konkreten Fall Adressat der in § 6 VKrG genannten vorvertraglichen Informationspflichten ist. Im vorliegenden Fall ist nicht erwiesen, dass der Bekl als Kreditgeber oder Kreditvermittler Adressat der in § 6 VKrG genannten vorvertraglichen Informationspflichten ist; daher ist ihr auch kein Verstoß gegen diese Pflichten vorwerfbar.

OGH 15.7.2014, 10 Ob 28/14m
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Klagevertreter: Kosesnik-Wehrle & Langer, RAe in Wien


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