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Urteil: Keine Besitzstörung bei nachvollziehbarem Irrtum

Das BG Döbling beurteilt die Beschilderung bei einem beschwerdeträchtigen Parkplatz in der Muthgasse in 1190 Wien als nicht ausreichend. Daher liegt ein nachvollziehbarer Irrtum vor, wenn man in den Parkplatz einfährt. Das Gericht weist die Besitzstörungsklage des Besitzers ab.

Ein Konsument wollte am 5.12.2014 seine Lebensgefährtin abholen und suchte daher im Bereich der Muthgasse in 1190 Wien einen Parkplatz für ein kurzfristiges Abstellen seines Fahrzeuges. Dabei bog er in den Parkplatz in der Muthgasse 19-21 ein, ohne eine dafür eigentlich erforderliche Dauerparkberechtigung zu haben. Auf Grund der Ausgestaltung der Fläche - für den Konsumenten sah es wie eine "Gstettn" aus - ging er davon aus, dass es sich um eine öffentliche Verkehrsfläche handelt.

Tatsächlich handelt es sich bei dieser Fläche allerdings um einen Privatgrund. Dieser ist durch einen Bauzaun eingezäunt. Der Zaun ist im Einfahrtsbereich offen. Rechts neben der Einfahrt ist ein Hinweisschild angebracht, auf dem u.a. ersichtlich ist, dass dieser Parkplatz nur Berechtigten mit einer Parkberechtigungskarte zur Verfügung steht und darüber hinaus das Halten und Parken verboten ist. Bei Zuwiderhandeln wird laut Schild mit Besitzstörungs- und/oder Unterlassungsklage vorgegangen. Das Schild war für den Konsumenten auf Grund der geringen Größe aus dem Fahrzeug heraus während der Einfahrt nicht lesbar.

Der Konsument stieg aus seinem Fahrzeug aus, ließ das Licht brennen und holte seine Lebensgefährtin von einem 50 Meter entfernt liegenden Gebäude ab. Danach verließ er die Parkfläche umgehend. Die Abstellzeit betrug 5 Minuten. In der Folge erhielt er von einer Anwaltskanzlei die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und Bezahlung von EUR 175,--, da er den Besitz der CPO Car Parking Operators e.U gestört hätte. Die CPO brachte in der Folge eine Besitzstörungsklage ein. Der VKI unterstützte den Konsumenten im Auftrag des Sozialministeriums bei der Abwehr dieser Klage.

Das BG Döbling geht davon aus, dass das Hinweisschild zu klein ist. Ein Irrtum desjenigen, der einen Besitz stört, ist zwar bei der Beurteilung einer potentiellen Besitzstörung grundsätzlich unerheblich, kann aber dennoch zum Wegfall der Wiederholungsgefahr führen. Voraussetzung für den Anspruch auf Unterlassung zukünftiger Störungen ist nämlich, dass die Gefahr derartiger künftiger Störungen besteht. Liegt ein objektiv nachvollziehbarer Irrtum vor, ist die Gefahr zukünftiger Störungen zu verneinen.

Im konkreten Fall geht das BG Döbling auf Grund der Ausgestaltung der Parkfläche und der unzureichenden Beschilderung davon aus, dass der Konsument einem nachvollziehbaren Irrtum unterlegen ist. Die Besitzstörungsklage wurde daher abgewiesen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand: 6.10.2015).


BG Döbling 10.9.2015, 11 C 68/15y
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

Update: 

Das zweitinstanzliche Gericht hat in der Folge dem Rekurs des Klägers (CPO Car Parking Operators eU) Folge gegeben und damit der Klage stattgegeben.  Dazu führte das LG ZRS Wien (13.1.2016, 35 R 299/15b) ua aus:

Die Besitzstörung setzt nach neuerer Judikatur und Lehre weder eine Störungsabsicht noch ein Störungsbewusstsein voraus und kann sogar in schuldloser Unkenntnis des fremden Besitzes erfolgen.

Zwar hat das Erstgericht im konkreten Fall festgestellt, dass das näher beschriebene Schild, das auf dem Privatparkplatz des Klägers hinweise, eine so geringe Größe habe, dass es, wenn man mit dem Auto in die Einfahrt fahre, während der Fahrt aus dem Fahrzeug heraus nicht lesbar sei. Das ändert aber nichts daran, dass letztlich das Nichterkennen der auf der Fläche angebrachten Parkbedingungen (auch) auf eine Sorglosigkeit oder Unaufmerksamkeit des Beklagten zurückgeführt werden kann.

Dieser hätte aufgrund der vom Erstgericht festgestellten Umstände vor Ort sehr wohl davon ausgehen müssen, dass er mit seinem Einfahren in das Parkgelände den Bereich der öffentlichen Straße verlassen könnte. Hätte er dabei sogleich erkannt, dass er mit seinem Auto ohne entsprechende Berechtigung auf ein Privatgelände eingefahren war, und dann unmittelbar das Gelände wieder verlassen, so wäre wohl noch nicht von einem die Erheblichkeitsschwelle überschreitenden Eingriff in die Besitzverhältnisse des Klägers auszugehen gewesen. Dies tat der Beklagte jedoch nicht, sondern verließ das Gelände zumindest für einige Minuten, sodass es rund 5 Minuten dauerte, bevor er wieder wegfuhr. Damit kann sich der Beklagte weder auf ein allenfalls fehlendes Bewusstsein eines Eingriffs noch darauf berufen, dass sein Eingriff völlig unerheblich gewesen wäre und die Rechtsverteidigung des Klägers daher bloße Schikane darstelle.

In Anbetracht dieser Umstände unterscheidet sich der vorliegende Fall auch maßgeblich von jenem, der zu 35 R 206/15a des LGZ Wien entschieden wurde. Dort wurde eine Besitzstörung wegen Unerheblichkeit des monierten Verhaltens für den Berechtigten verneint, weil der dort Beklagte unmittelbar nach seinem unberechtigten Einfahren in eine Parkfläche diese wiederum verließ. Ein derartiger äußerst geringfügiger Eingriff liegt im konkreten Fall beim Abstellen eines Fahrzeugs über einen Zeitraum von 5 Minuten hinweg auf einem Privatparkplatz nicht (mehr) vor.

Der Wegfall der Wiederholungsgefahr wäre nur anzunehmen, falls eine Wiederholung, wenn schon nicht geradezu ausgeschlossen, so doch nach menschlichem Ermessen höchst unwahrscheinlich ist. Davon kann per se hier nicht ausgegangen werden, zumal es nicht ausgeschlossen erscheint, dass dem Beklagten in Zukunft eine derartige Sorglosigkeit wieder unterlaufen könnte.

Nachdem bei Vorliegen eines derartigen Irrtums der in seinem Besitz Gestörte selbst dann erfolgreich eine Besitzstörungsklage erheben kann, wenn der Störer außergerichtlich eine  Unterlassungserklärung abgegeben hat (vgl LGZ Wien 34 R 80/12k), war dem Rekurs daher Folge zu geben und der angefochtene Endbeschluss im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.


 

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