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Urteil: Rücktrittsrecht bei Kauf am Messestand?

Der OGH setzt sich in dieser Entscheidung aus einem Verfahren, das vom VKI im Autrag des Sozialministeriums geführt wurde, mit der Frage auseinander, ob Verbraucher bei Abschluss eines Vertrages bei einem Messestand ein Rücktrittsrecht nach FAGG haben.

Die Konsumenten schlossen am 11.3.2015 anlässlich eines Besuches der Messe Wien "Wohnen und Interieur" mit der Beklagten einen Kaufvertrag über eine Küche ab. In den AGB im Punkt "Vertragsrücktritt" war folgende Klausel: "Tritt der Kunde - ohne dazu berechtigt zu sein - vom Vertrag zurück oder begehrt er seine Aufhebung, so haben wir die Wahl, auf die Erfüllung des Vertrags zu bestehen oder der Aufhebung des Vertrags zuzustimmen; im letzteren Fall ist der Kunde verpflichtet, nach unserer Wahl einen pauschalierten Schadenersatz in Höhe von 20 % des Bruttorechnungsbetrags oder den tatsächlich entstandenen Schaden zu bezahlen. [...]" Die Konsumenten traten in der folgenden Woche vom Vertrag zurück. Begründet wurde der Rücktritt damit, dass es sich bei dem Kaufvertrag um ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag (im Folgenden AGV) iSd § 3 Z 1 lit a FAGG handle, sodass den Konsumenten ein Rücktrittsrecht gemäß § 11 Abs 1 FAGG haben. Der beklagte Unternehmer verlangte  20% Stornogebühr.

Rücktrittsrecht nach § 11 FAGG?
Gemäß § 11 Abs 1 FAGG kann der Verbraucher von einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten. Nach der Legaldefinition des § 3 Z 1 lit a FAGG ist ein "außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag" insbesondere jeder Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. "Geschäftsräume" sind nach § 3 Z 3 FAGG unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, oder bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.

Der Verkauf von Waren bei einer alljährlich stattfindenden Messe wird nach den Mat zum VRUG (ErlRV 89 BlgNR 25. GP 25 f) dann nicht unter den Begriff des AGV  iSd § 3 Z 1 FAGG fallen, wenn der Unternehmer dort "für gewöhnlich" - hier wohl bezogen auf die Dauer der jeweiligen Messe - einen Messestand betreibt und dort seine unternehmerische Tätigkeit entfaltet.

Im Hinblick auf die in ErwG 21 der RL hervorgehobene Überrumpelungsgefahr kann es bei Abschluss eines Vertrags an einem Messestand nicht darauf ankommen, ob diese Messe einmal jährlich oder häufiger (vierteljährlich, monatlich, wöchentlich) stattfindet; entscheidend ist vielmehr, dass der Verbraucher, der - wie hier - eine (Verkaufs-)Messe besucht, beim Kontakt bzw an diesen anschließenden Vertragsabschluss mit einem Aussteller an dessen Messestand psychologisch in keiner anderen Situation ist als in einem stationären Geschäftslokal dieses Unternehmers. In diesem Sinn ist für die Abgrenzung einer "für gewöhnlich" betriebenen von einer nur ausnahmsweisen gewerblichen Tätigkeit maßgeblich, ob der Verbraucher am Ort des Geschäfts mit dem Auftreten des Unternehmers rechnen musste oder ob eine Überrumpelungssituation vorliegt.

Mangels AGV hat der Kons hier kein Rücktrittsrecht nach § 11 FAGG.

Stornogebührenklausel
Die Stornogebührenklausel stellt hier keine ungewöhnliche Vertragsbestimmung iSd § 864a ABGB dar. Sie findet sich an systematisch richtiger Stelle unter der Überschrift "Vertragsrücktritt". Ein durchschnittlich sorgfältiger Leser kann sie deshalb dort finden, wo sie zu vermuten ist.

Für die Auslegung von Willenserklärungen (hier also der Klausel zwecks Beurteilung, ob sie gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB ist) ist gemäß § 914 ABGB nicht die Vorstellung der Vertragsschließenden maßgeblich, sondern es ist ausgehend vom buchstäblichen Sinn des Ausdrucks die Absicht der Parteien zu erforschen.

Die Auslegung der Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen. Nach dem objektiven Wortlaut der Klausel kann es nicht zweifelhaft sein, dass der Beklagten jedenfalls eine Stornogebühr von 20 % des Bruttorechnungsbetrags zusteht; also auch dann, wenn ihr - wie hier - tatsächlich ein (deutlich) geringerer oder sogar gar kein Schaden entstanden ist.

Es wurde bereits judiziert, dass eine Klausel in AGB, die eine pauschale Stornogebühr von 20 % des Kaufpreises bei unbegründetem Vertragsrücktritt durch den Käufer festlegt, den Verbraucher insb wegen der unangemessenen Höhe der Stornogebühr gröblich benachteiligt und daher nichtig ist (4 Ob 229/13z). Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten, zumal der Beklagten nur ein deutlich unter 20 % der Bruttorechnungssumme liegender Schaden entstanden ist.

Da eine geltungserhaltende Reduktion nicht ausgehandelter missbräuchlicher Klauseln im Verbrauchergeschäft nicht mehr in Frage kommt, entfällt dieser Vertragspunkt ersatzlos, sodass sich die Frage einer richterlichen Mäßigung der Stornogebühr nicht mehr stellt.

Der Beklagten ist laut OGH grundsätzlich dahin zuzustimmen, dass ihr aufgrund des unberechtigten Vertragsrücktritts der Konsumenten gemäß § 1168 Abs 1 ABGB das vereinbarte Entgelt abzüglich dessen, was sie infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat, zusteht. Ein diesbezügliches Vorbringen hat die Beklagte allerdings in erster Instanz nicht erstattet, sodass darauf nicht weiter einzugehen war.


OGH 26.1.2017, 3 Ob 237/16y
Klagsvertreter: Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien

Das Urteil im Volltext.

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