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Urteil: OGH zu unzulässigen Klauseln bei Kreditkarten-AGB

Teilurteil im Verbandsverfahren der Bundesarbeiterkammer gegen die card complete Service Bank AG.

"Der KI [Karteninhaber, Anm] trägt das durch eine Speicherung der elektronischen Monatsrechnung erhöhte Risiko eines Zugriffs durch unberechtigte Dritte." (K 4 u K 20)
Das Risiko, das der Speicherung der elektronischen Monatsrechnung innewohnt, kann sich insbesondere in der Verwendung der dort angeführten Daten für unautorisierte Zahlungsvorgänge verwirklichen. Da die beanstandete Klausel dieses Risiko dem Zahlungsdienstnutzer (ZDN) zuweist, weicht sie von § 44 Abs 2 ZaDiG ab und ist daher unzulässig.


"Als Geschäftstag gilt jener Tag, an dem c** geöffnet hat und den für die Ausführung von Zahlungsaufträgen erforderlichen Geschäftsbetrieb unterhält." (K 6)
Die Klausel ist intransparent gem § 6 Abs 3 KSchG.
Der der angefochtenen Bestimmung folgende Satz lautet: "Keine Geschäftstage sind Samstag, Sonntag und gesetzliche Feiertage." Aus der Sicht des Lesers ist damit aber fraglich, ob damit im Umkehrschluss alle anderen Tage als Geschäftstage gelten sollen oder ob auch weitere Tage, die nicht die Voraussetzungen des angefochtenen Satzes erfüllen, keine Geschäftstage sein sollen (fraglich etwa bei 24. 12., 31. 12., Karfreitag). Unklar ist zudem, ob die Voraussetzungen des angefochtenen Satzes kumulativ vorliegen sollen oder nicht, zumal fraglich ist, was die Beklagte mit einem "Geöffnet-Haben" anspricht (zB Büroöffnungs- oder Kundenservicezeiten?).

"Information über die Finanzdienstleistung:
Alle Entgelte und Beträge, die c*** für den Karteninhaber in Erfüllung des Kartenvertrages aufzuwenden hatte, sind durch den Karteninhaber gemäß Punkt 7. der AGB zu begleichen, wobei die Abrechnung in der Regel monatlich erfolgt. ..
." (K 7)
Die Klägerin brachte vor, dass die Abrechnung "in der Regel monatlich erfolgt", sei mit dem Transparenzgebot des § 26 Abs 2 ZaDiG betreffend Informationspflichten des Rahmenvertrags nicht vereinbar. Für den OGH ist die Klausel gesetzeskonform:

Durch den Verweis der Klausel auf Punkt 7. der AGB, der mit "Abrechnung (Monatsabrechnung)" betitelt ist, wird klargestellt, dass die Begleichung nach Maßgabe der Abrechnung (Monatsrechnung) erfolgen soll. Punkt 7.1 sieht vor, dass der Hauptkarteninhaber von c*** "bei jeder Buchung, nicht jedoch öfter als ein Mal pro Monat, eine Abrechnung (Monatsabrechnung)" erhält.

Für verständige Durchschnitts-Karteninhaber ist dies dahin zu verstehen, dass Buchungen (höchstens) einmal pro Monat abgerechnet und in Rechnung gestellt werden und mangels Buchung in einem Monat keine Abrechnung erfolgt. Daraus ergibt sich auch die Ausnahme zu der Klausel 7 enthaltenen Wendung "in der Regel". Letztere wäre danach nur dann unklar, wenn damit eine eigenständige, von Punkt 7. der AGB losgelöste Abrechnung angesprochen wäre.

"...Der Hauptkarteninhaber und der Zusatzkarteninhaber erklären ausdrücklich, dass sie im Sinne des § 40 (2) BWG im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handeln und verpflichten sich diesbezügliche Änderungen während aufrechter Geschäftsbeziehung von sich aus unverzüglich bekannt zu geben." (K 8)

"Mit der Unterschrift erkläre/n ich/wir ausdrücklich, dass ich/wir im Sinne des § 40 (2) BWG im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handle/n und verpflichte(n) mich/uns diesbezüglich Änderungen während aufrechter Geschäftsbeziehung von mir/uns aus unverzüglich bekannt zu geben." ( K 30)
Gem § 40 Abs 2 BWG aF mussten die Kredit- und Finanzinstitute den Kunden aufzufordern, bekannt zu geben, ob er die Geschäftsbeziehung (Abs. 1 Z 1) oder die Transaktion (Abs 1 Z 2) auf eigene oder fremde Rechnung bzw. im fremden Auftrag betreiben will. Die Bestimmung findet sich seit 1.1.2017  nahezu ident in § 6 Abs 3 FM-GwG.

Diese Regelung erfordert auch nur, dass sich der Verpflichtete darüber zu deklarieren habe, ob er auf eigene oder fremde Rechnung bzw im fremden Auftrag handelt oder nicht, ohne dass ihm das eine oder andere schon grundsätzlich untersagt wäre. Dieser Umstand wird mit der Klausel verdeckt. In diesem Zusammenhang ist daher auch das Argument des "Unterschiebens" einer solchen Erklärung berechtigt, weil der Karteninhaber für gewöhnlich nicht damit rechnet, im Rahmen von AGB Derartiges zu erklären.

"Der Karteninhaber ist zur strengsten Geheimhaltung von PIN, Registrierungs-Code und Passwort verpflichtet und hat darauf zu achten, dass diese nicht von Dritten ausgespäht werden. Er darf deren Erlangung durch Dritte insbesondere nicht durch Weitergabe, Notieren oder gleichartige auf eigenen Willensentschluss des KI beruhende Handlungen ermöglichen." (K 9)
In 9 Ob 31/15x hatte der OGH bereits ausgesprochen, dass es nicht zumutbar ist, den PIN gar nicht aufzeichnen zu dürfen. Entscheidend ist  der anschließende Umgang mit dem Code. Darauf nimmt das Wort "ermöglichen" bei kundenfeindlichster Auslegung keine Rücksicht. Klausel 9 verstößt damit gegen § 36 Abs 1 ZaDiG, demzufolge der ZDN unmittelbar nach Erhalt eines Zahlungsinstruments nur alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen hat, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale und das Zahlungsinstrument vor unbefugtem Zugriff zu schützen.

"Der KI ist zur sicheren Verwahrung seiner Karte verpflichtet und hat sich in angemessenen Abständen vom Fortbesitz der Karte zu überzeugen. Die Zurücklassung der Karte in einem nicht in Betrieb stehenden Fahrzeug, in Räumlichkeiten oder an Orten, zu welchen sich unbefugte Dritte ohne erheblichen Aufwand Zugang verschaffen können, stellt beispielsweise keine sichere Verwahrung dar." (K 10)

Anmerkung:
In 1 Ob 88/14v hatte der OGH die Klausel "Nicht sorgfältig ist insbesondere die Aufbewahrung der Bezugskarte in einem abgestellten Fahrzeug." als gröblich benachteiligend gem § 879 Abs 3 ABGB eingestuft, weil sie die Aufbewahrung ohne Einzelfallprüfung als Sorgfaltsverstoß des Konsumenten wertet.
In 6 Ob 120/15p hingegen wurde die gleiche Klausel wie in 1 Ob 88/14v als zulässig eingestuft: Erkläre man solche Klauseln generell für unwirksam, würde dem Karteninhaber entgegen der angeführten Rechtsprechung das in seiner Sphäre auftretende Risiko des Missbrauchs gestohlener oder sonst abhanden gekommener Kreditkarten grundsätzlich abgenommen und auf die Beklagte verschoben.

Im gegenständlichen Verfahren führt der OGH aus, dass es auf die dem Karteninhaber in concreto zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen ankommt. Eine räumliche Trennung des Karteninhabers von der Karte ("Zurücklassen") bedeutet nicht schon als solche eine qualifizierte Form der Unachtsamkeit. Dem Kunden unabhängig von den Umständen des Falls stets einen Sorgfaltsverstoß anzulasten, wenn die Karte im abgestellten Fahrzeug aufbewahrt wird, bedeutet danach jedenfalls eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB, die schon allein zur Ungültigkeit der Klausel führt.

"Bis zum Einlangen der Sperrmeldung des KI bei c*** (bei von c*** früher veranlassten Kartensperre bis zu dieser) haftet der KI unter Berücksichtigung eines allfälligen Mitverschuldens der c*** für missbräuchliche Verfügungen mit der Karte durch Dritte
1. bei leicht fahrlässiger Verletzung seiner Sorgfaltspflichten bis zu einem Höchstbetrag von EUR 150,-;
2. bei grob fahrlässiger Verletzung seiner Sorgfaltspflichten höchstens bis zur Höhe des tatsächlich verursachten Schadens
."
Vertragliche Vereinbarungen dürfen von § 44 Abs 2 ZaDiG zulasten des Zahlungsdienstnutzers (ZDN)nicht abweichen (§ 26 Abs 6 ZaDiG). Gem § 44 Abs 2 ZaDiG haftet der ZDN aber nur, wenn er den Zahlungsvorgang in betrügerischer Absicht ermöglicht oder durch fahrlässige Verletzung einer ihm in § 36 ZaDiG auferlegten Pflicht oder einer der vereinbarten Bedingungen für die Ausgabe eines Zahlungsinstruments herbeigeführt hat, wobei für leicht fahrlässige Schädigungen eine Haftungshöchstgrenze eingezogen wurde.
Dadurch, dass die Klausel auf die Verletzung von Sorgfaltspflichten abstellt, bezieht sie die Regelung der Sorgfaltspflichten, wie sie in den AGB getroffen wurde, mit ein. Da die Darstellung der Sorgfaltspflichten zumindest in Teilen gesetzwidrig ist, erweist sich auch die darauf verweisende Regelung als gesetzwidrig.

Die Klausel gibt aber auch die in § 44 Abs 3 ZaDiG vorgesehenen Einschränkungen der Haftung bei einem Pflichtenverstoß des ZDL nicht wieder und erweckt so den Eindruck einer weitergehenden Haftung. Die Klausel ist daher iSd § 26 Abs 2 ZaDiG bzw § 6 Abs 3 KSchG intransparent.

"Bei vorsätzlicher Verletzung der Sorgfaltspflichten durch den KI oder betrügerischer Mitwirkung an missbräuchlichen Verfügungen haftet der KI unabhängig von einem Mitverschulden der c*** zur Gänze für den entstandenen Schaden." (K 12)
§ 44 Abs 2 ZaDiG indiziert die Möglichkeit einer Schadensteilung. Aus § 44 Abs 2 ZaDiG geht keine gegenüber § 1304 ABGB vorrangige Regelung zu einem möglichen Mitverschulden des ZDL hervor. Die Klausel verstößt damit gegen § 44 Abs 2 ZaDiG.
Sie widerspricht überdies insoweit § 44 Abs 3 ZaDiG, als sich die Haftung des ZDN auch auf Schäden erstreckt, die aus einer der Diebstahls- oder Verlustanzeige zeitlich nachgelagerten Nutzung des Zahlungsinstruments entstehen.

"In Fällen von c*** leicht fahrlässig verursachten Schäden ist ihre Haftung für entgangenen Gewinn, reine Vermögensschäden und Folgeschäden ausgeschlossen. In Fällen von c*** grob fahrlässig oder vorsätzlich verursachten Schäden sowie hinsichtlich Personenschäden findet keine Haftungsbeschränkung statt." (K 18)
Revisionsgegenständlich ist noch der zweite Satz der Klausel.
Dass Satz 1 der Klausel unzulässig ist, wird von der Beklagten nicht mehr in Frage gestellt. Ohne Satz 1 ist allerdings nicht mehr klar, ob Satz 2 bei einer isolierten Betrachtung Fälle von Schäden anspricht, die der Beklagten oder von der Beklagten verursacht wurden. Grammatikalisch ist ersteres erfasst. Das von der Beklagten angenommene letztere Verständnis legt dem Leser wiederum den Umkehrschluss nahe, dass sie im Fall einer leicht fahrlässigen Schadensverursachung nicht oder nur beschränkt hafte, wofür sie aber auf keine entsprechende gültige Klausel verweisen kann.

"Mit Bekanntgabe der Kartendaten und des Passwortes bestätigt der KI die Rechtmäßigkeit der Zahlung sowie die Richtigkeit der persönlichen Sicherheitsnachricht." (K 25)

Nach § 34 Abs 3 ZaDiG hat im Fall der Bestreitung der Autorisierung durch den Zahlungsdienstnutzer oder der Geltendmachung der nicht ordnungsgemäßen Ausführung dessen Zahlungsdienstleister nachzuweisen, dass
1. der Zahlungsvorgang authentifiziert war,
2. ordnungsgemäß aufgezeichnet und verbucht wurde und
3. nicht durch einen technischen Zusammenbruch oder eine andere Störung beeinträchtigt wurde.
Der Nachweis der Nutzung eines Zahlungsinstruments reicht für sich genommen für den Nachweis der Autorisierung des Zahlungsvorganges durch den Zahler, einer vorsätzlichen oder grob fahrlässige Verletzung der Sorgfaltspflichten gemäß § 36 oder eines Handelns des Zahlers in betrügerischer Absicht nicht notwendigerweise aus.
Die Klausel überwälzt die sich aus § 34 Abs 3 ZaDiG ergebende Beweislastverteilung auf den Karteninhaber, weil sie den Beklagten von der ihm sonst obliegenden Pflicht zum Nachweis der Authentifizierung des Zahlungsvorgangs entbindet.

"Ich (Wir) habe(n) vor Unterfertigung des Vertrages die 'Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Kreditkarten der c***AG' (AGB) erhalten oder über www.c***.com bezogen und erkläre(n) mich (uns) mit diesen einverstanden."
Vgl 9 Ob 31/15x (K 4).
Die Klausel enthält eine gem § 6 Abs 1 Z 11 KSchG unzulässige Tatsachenbestätigung.

 
Klagsvertreter: Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien
OGH 28.2.2017, 9 Ob 46/16d


Anmerkung:

In diesem Verfahren sind mehrere Teilurteile ergangen:  Siehe dazu: 9 Ob 56/13w und 9 Ob 7/15t.

Das Urteil im Volltext

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