Zum Inhalt

Urteil: Auskunftspflicht der Bank im Verlassenschaftsverfahren

Die Bank muss dem Gerichtskommissär über ein auf den Erblasser als Kunden identifiziertes Großbetragssparbuch Auskunft zu erteilen, auch wenn die Sparurkunde unauffindbar ist.

Nach dem Tod einer Frau hatte ein Gerichtskommissär (Anm: das ist eine/ein vom Gericht für die Abwicklung der Verlassenschaft bestellte Notarin/bestellter Notar) zufolge bedingter Erbantrittserklärungen ein Inventar zu errichten. Die beklagte Bank gab dem Gerichtskommissär zwar bekannt, dass die Erblasserin bei ihr ein identifiziertes Sparkonto habe (Einlagestand von "EUR 15.000 oder größer") verweigerte jedoch die Auskunft über Kontonummer und Kontostand. Die Sparurkunde wurde in der Verlassenschaft nicht aufgefunden.

Die Gerichte sprachen nun aus, dass die Bank dem Gerichtskommissär Kontonummer und Einlagestand am Todestag bekanntzugeben habe:
Der Gerichtskommissär ist zur Feststellung des zum Nachlass gehörenden Vermögens verpflichtet. Zu diesem Zweck kann er auch Auskünfte von Kreditinstituten einholen. Diese müssen Auskunft geben, außer es besteht kein Anhaltspunkt, dass ein bestimmtes Konto in den Nachlass fällt. Diese Ausnahme trifft hier aber nicht zu, weil sich die Erblasserin als Kontoinhaberin identifiziert habe. Das gilt auch für Großbetragssparbücher iSv § 32 Abs 4 Z 2 BWG.

Bei einem Großbetragssparbuch iSv § 32 Abs 4 Z 2 BWG handelt es sich um ein Rektapapier; die Übertragung des Guthabens auf einen Dritten erfolgt daher nicht durch bloße Übergabe der Sparurkunde, sondern erfordert eine Zession. Die Argumentation der beklagten Bank, dass es sich beim strittigen Sparbuch um ein Inhaberpapier handelt und eine Auskunftspflicht der Bank daher nur bestehe, wenn die Erben nachwiesen, dass sich das Sparbuch "im Eigentum" des Erblassers befunden habe, geht damit ins Leere.

Der Besitz an der Sparurkunde hat nur Indizfunktion für die eigentlich entscheidende Frage, ob ein bestimmter Vermögenswert zum Nachlass gehört oder nicht. Grundsätzlich fallen alle Sparguthaben in die Verlassenschaft (und sind daher zu inventarisieren), die dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes zustanden.

Bei einem Großbetragssparbuch, bei dem Erblasser iSv § 6 Abs 1 Z 1 FM-GWG (früher § 40 BWG) als Kunde identifiziert ist, hat die Bank bis zur Bescheinigung einer Zession davon auszugehen, dass der identifizierte Kunde (bzw nun die Verlassenschaft) weiterhin ihr Gläubiger ist. Damit liegen ausreichende Anhaltspunkte für die Nachlasszugehörigkeit vor. Zwar darf die Bank nach § 32 Abs 2 BWG nur gegen Vorlage der Urkunde auszahlen. Allerdings kann sich der Kunde - und damit auch dessen Rechtsnachfolger - eine abhanden gekommene Sparurkunde durch Kraftloserklärung "wiederbeschaffen". Diese Möglichkeit wäre ihm faktisch verwehrt, könnte ihm die Bank nach Abhandenkommen eines Sparbuchs unter Hinweis auf eine bloß mögliche Übertragung der Forderung die Bekanntgabe der Kontodaten verweigern.

Im vorliegenden Fall war die Erblasserin als Kundin identifiziert, und es gibt keine Anhaltspunkte für eine Zession ihrer Forderung gegen die Bank. Das Sparguthaben ist daher in die Verlassenschaftsabhandlung einzubeziehen. Damit ist die Bank zur Auskunft verpflichtet.

OGH 20.6.2017, 2 Ob 95/17k

Das Urteil im Volltext.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail
unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang