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HG Wien: Bank haftet für missbräuchliche Behebungen im Foyer

Wird die Bankomatkarte von Trickdieben im Bankfoyer gestohlen und der PIN-Code ausgespäht, haftet die Bank mangels Sorgfaltsverstoß der Betroffenen für den Schaden durch die missbräuchlich behobenen Beträge. Die bauliche Situation im Foyer ist der Bank anzulasten.

Eine Konsumentin wollte im Foyer ihrer Bank am Geldausgabeautomaten Geld beheben. Nachdem sie die Karte in den Automaten eingeführt hatte kam ein Mann von hinten, griff ihr über die Schulter und hielt seine Brieftasche vor das Display. Gleichzeitig sprach er die Konsumentin an und betätigte unbemerkt die Abbruchtaste. Während auf dem Bildschirm das Feld "Vorgang auf Ihren Wunsch abgebrochen" aufleuchtete verdeckte er diesen weiterhin und sprach auf die Konsumentin ein. Dabei entnahm er unbemerkt die Karte aus dem Kartenausgabeschlitz.

Der Geldausgabeautomat zeigte danach den ursprünglichen Bildschirm an. Die Konsumentin gab ihren PIN-Code ein und deckte dabei das Eingabefeld mit ihrem Körper ab, der Täter konnte aber dennoch den PIN-Code ausspähen. Danach betätigte die Konsumentin den Abbruchknopf. Als die Karte nicht ausgeben wurde war sie der Meinung, dass der Automat die Karte eingezogen hätte.
Kurz danach betrat ein zweiter Mann das Foyer, erhielt vom Ersttäter die Karte und behob damit € 3.000,-- vom Konto der Konsumentin.

Der VKI klagte im Auftrag des BMSK die Bank und hatte in erster Instanz Erfolg, nach Berufung der Bank wurde das Urteil in zweiter Instanz bestätigt.

Das HG Wien verweist zunächst auf die Entscheidung des OGH zur Haftung im Fall einer Ausspähung des PIN-Codes: Demnach wäre es eine Überspannung der Sorgfaltspflichten, würde man bei jeder Bargeldbehebung verlangen, besondere Aufmerksamkeit auf Ausspähversuche zu richten oder die Tastenfelder des Bankomaten vor Einsicht zu schützen (vgl. 3 Ob 248/06a). Diese Grundsätze sind auch im gegenständlichen Fall anzuwenden.

Die Konsumentin wurde zwar durch den Unbekannten bei ihrer Behebung gestört, durch dessen professionelles Auftreten nahm sie aber berechtigterweise nur an, dass der Mann Hilfe benötigte. Auch dass der Mann sich in der Folge hinter sie stellte, war kein Anlass für Besorgnis, weil es nachvollziehbar ist, dass man sich bei einer Störung vergewissern möchte, ob ein Geldautomat auch bei anderen Kunden (wie behauptet) nicht funktioniert. Eine Verletzung der gebotenen Sorgfalt liegt daher nicht vor.

Dass ein gleichzeitiges Betreten eines Bankfoyers durch mehrere Personen überhaupt möglich ist, liegt im Übrigen im Einflussbereich der Bank, der es freistünde, durch entsprechende bauliche Gestaltungen Zutritt nur für jeweils eine Person zu ermöglichen oder zumindest die Sicht anderer Personen im Foyer auf das Eingabefeld zu erschweren und damit ein Ausspähen hintanzuhalten. Wenn die Bank dies nicht tut, kann sie nicht das daraus resultierende Risiko über einen "erhöhten Sorgfaltsmaßstab" auf ihre Kunden abwälzen.

Eine Verpflichtung zum Abbruch einer Bargeldbehebung, wenn ein anderer Kunde im Foyer anwesend ist und bleibt, besteht überdies nicht.

Die Konsumentin haftet mangels Sorgfaltswidrigkeit daher nicht für die Nachteile aus der missbräuchlichen Verwendung der Karte. Die Bank hat den missbräuchlich behobenen Betrag von € 3.000,-- zu ersetzen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

HG Wien 4.9.2008, 1 R 126/08p
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Klagevertreter: Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KEG, Wien

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