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Ausgleichszahlung bei Flugannullierung

Der EuGH bejahte den Anspruch auf Ausgleichszahlung der Fluggäste, nachdem nur der Reisevermittler vom Luftfahrtunternehmen über die Annullierung informiert wurde; dem Luftfahrtunternehmen waren keine anderen Kontaktdaten bekannt.

Fluggäste hatten bei einem Luftfahrtunternehmen über den Reisevermittler kiwi.com einen für den 6. April 2019 vorgesehenen Flug gebucht. Bei der Buchung wurden dem Luftfahrtunternehmen eine E‑Mail‑Adresse mitgeteilt, auf die die Kläger keinen Zugriff hatten und die von dem Reisevermittler wohl automatisch generiert worden war. An diese Adresse versandte das Luftfahrtunternehmen am 14. Dezember 2018 eine E‑Mail mit der Nachricht, dass der gebuchte Flug annulliert worden sei. Da den Klägern von dem Reisevermittler keine Nachricht des ausführenden Luftfahrtunternehmens weitergeleitet worden sei, hätten sie erst am 5. April 2019 bei dem Versuch, online einzuchecken, erfahren, dass ihr Flug annulliert worden sei. Die Fluggäste begehrten vom Luftfahrtunternehmen Ausgleichsleistungen gemäß Art 7 Abs 1 lit b der Fluggastsrechte-VO (261/2004) iHv jeweils 400 Euro wegen der Annullierung ihres Fluges.

Nach Art 5 Abs 1 lit c der VO wird bei Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art 7 der VO eingeräumt, es sei denn, sie werden in der in Art 5 Abs 1 lit c vorgesehenen Weise über die Annullierung unterrichtet. Das Luftfahrtunternehmen trägt die Beweislast dafür, ob und wann der Fluggast über die Annullierung des betreffenden Fluges unterrichtet wurde (Art 5 Abs 4 der VO). Das Luftfahrtunternehmen muss eine Ausgleichszahlung gemäß Art 7 der VO vornehmen, wenn es nicht nachweisen kann, dass der betreffende Fluggast mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Annullierung seines Fluges unterrichtet wurde. Dies gilt auch dann, wenn der Beförderungsvertrag über einen Dritten – wie im Ausgangsverfahren über eine Online-Buchungsplattform – geschlossen wurde.

Dies kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass das Luftfahrtunternehmen nicht wusste, dass es beim Versand der Information über die Annullierung des betreffenden Fluges nicht unmittelbar mit dem Fluggast kommunizierte. Entscheidend ist nämlich, dass der Fluggast nicht rechtzeitig über die Annullierung seines Fluges informiert wurde. In einem solchen Fall wird der wegen eines Verstoßes gegen die Informationspflicht zu leistende Ausgleich allein von dem Luftfahrtunternehmen geschuldet.

Nur in dem Fall, dass der Fluggast den Vermittler ausdrücklich ermächtigt, die vom Luftfahrtunternehmen übermittelten Informationen entgegenzunehmen, und diese Ermächtigung dem Luftfahrtunternehmen bekannt ist, kann angenommen werden, dass die Informationspflicht (Art 5 Abs 1 lit c der VO) erfüllt ist, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen die Information über die Änderungen eines Fluges an den Vermittler sendet, ohne dass dieser Vermittler sie anschließend an den Fluggast weiterleitet.  Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass es im Ausgangsverfahren an solch einer Ermächtigung fehlt.

Zusammenfassung: Das ausführende Luftfahrtunternehmen ist verpflichtet, die Ausgleichszahlungen im Fall einer Flugannullierung, über die der Fluggast nicht mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist, zu leisten, wenn das Luftfahrtunternehmen die Information rechtzeitig an die einzige ihm bei der Buchung mitgeteilte E‑Mail‑Adresse gesandt hat, ohne zu wissen, dass über diese Adresse nur der Reisevermittler, über den die Buchung vorgenommen worden war, und nicht unmittelbar der Fluggast erreicht werden konnte, und der Reisevermittler die Information dem Fluggast nicht rechtzeitig übermittelt hat.

EuGH 27.9.2022, C‑307/21 (AB/Ryanair DAC)

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