Der Konsument bestellte online einen Flachbildmonitor zum Preis von € 2.179,46, den er wenige Tage später persönlich im Geschäft des Händlers gegen Barzahlung abholte. Noch im Geschäft wurde der Karton geöffnet und das Aussehen des Monitors sowie das Vorhandensein des Zubehörs überprüft. Fristgerecht binnen 7 Werktagen erklärte der Käufer den Rücktritt vom Vertrag und retournierte den Flachbildschirm, dessen Betriebsstundenzähler zu diesem Zeitpunkt eine Betriebsdauer von 43 Stunden und 33 Minuten aufwies. Der Händler veräußerte den Bildschirm ca. 3 Monate später zu einem Preis von € 1.645,- weiter. Dem Erstkäufer erstatte der Händler nicht den gesamten Kaufpreis in Höhe von € 2.179,46, sondern lediglich einen Betrag von € 1.499,96 (Differenz: € 679,5).
Art 6 Abs 2 Fernabsatz-RL sieht vor, dass im Falle eines Rücktritts dem Verbraucher als einzige Kosten die Kosten der Rücksendung der Waren auferlegt werden dürfen. Der in Umsetzung der RL ergangene § 5g KSchG sieht daneben jedoch "ein angemessenes Entgelt für die Benützung, einschließlich einer Entschädigung für eine damit verbundene Minderung des gemeinen Werts der Leistung" vor. Es stellte sich somit die Frage, ob § 5g KSchG den Vorgaben der Fernabsatz-RL entspricht.
Der VKI klagte somit die Differenz zwischen gezahltem Kaufpreis und Rückerstattung des Händlers in Höhe von € 679,50 ein. Alle drei Instanzen sahen jedenfalls die § 5a ff KSchG als anwendbar, obwohl die Gegenseite dies wegen der Selbstabholung des Monitors im Ladengeschäft bestritt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Zwar stehe § 5a KSchG in Widerspruch zu Art 6 Abs 2 Fernabsatz-RL - eine richtlinienkonforme Interpretation sei jedoch nicht möglich, da der Gesetzgeber keinen Gestaltungsspielraum übrig gelassen hätte. Der beklagte Händler hätte den klagsgegenständlichen Betrag somit zurecht als angemessenes Entgelt für den Gebrauch des Monitors - dessen Höhe von einem Sachverständigen bestätigt wurde - einbehalten.
Das Berufungsgericht hingegen sah keinen Widerspruch zwischen Art 6 Abs 2 Fernabsatz-RL und
§ 5g KSchG: Es bestehe keine Veranlassung, den in der Richtlinie gebrauchten Ausdruck "Kosten" so auszulegen, dass damit dem Verbraucher ungeachtet seines Rücktrittsrechts ein entgeltfreier Gebrauch der Ware bis zur Ausübung des Widerrufsrechts ermöglicht werde. Die Höhe des Benützungsentgelts sei jedoch nicht am "ortsüblichen Mietzins" festzumachen, da dies zu nicht sachgerechte und höchst unbilligen Ergebnissen führe. Das Berufungsgericht kam nach seiner freien Überzeugung iSd § 273 Abs 1 ZPO zu einer Wertminderung von € 330,-, weshalb es als Rückforderungsbetrag € 349,50 zusprach.
Der OGH zitiert zunächst den Standpunkt des Rates zum Erlass der Fernabsatz-RL, dass notwendigerweise die vom Verbraucher getragenen Ausgaben auf die Portokosten für die Rücksendung zu begrenzen sind, da dieses "sonst ein formales Recht bliebe", stellt sich aber anschließend auf den Standpunkt, dass § 5g KSchG nur dann nicht mit Art 6 Abs 2 Fernabsatz-RL vereinbar wäre, wenn dem Verbraucher die Verpflichtung zur Zahlung eines Benützungsentgelts sowie zum Ausgleich einer Wertminderung schon dann auferlegt würde, wenn der die Sache lediglich begutachtet oder zwecks Erprobung bestimmungsgemäß kurzfristig in Gebrauch genommen hat.
Im vorliegenden Fall kann aber die Frage, wann "Testbetrieb" bzw bereits Gebrauch vorliege offen bleiben, da bei einer Nutzungsdauer von etwa 43 ½ Stunden jedenfalls bereits von Gebrauch auszugehen sei. Hierfür sehe die Fernabsatz-RL keine Regelung vor, sodass dem nationalen Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum offen stand, die Regelungen der RL entsprechend zu ergänzen. § 5g KSchG verhindere in Fällen extensiver Benützung eine einseitige Risikoverlagerung zu Lasten des Unternehmers und bewirke dadurch einen Ausgleich der Interessen zwischen Verbraucher und Unternehmer. Die Grenzen der richtlinienkonformen Interpretation würden durch dieses Auslegungsergebnis nicht überschritten, da der normative Gehalt der nationalen Regelung nicht grundlegend neu bestimmt werden müsse, sondern mit dem Bereicherungsrecht in Einklang stünde, so der OGH. Eine Notwendigkeit zur Vorlage dieser Frage an den EuGH sah der OGH daher nicht. Die Ansicht des OGH, dass § 5g KSchG richtlinienkonform interpretierbar sei, erscheint in Anbetracht des indifferenten Wortlauts der Bestimmung allerdings äußerst fragwürdig.
OGH 27.9.2005, 1 Ob 110/05s
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Klagevertreter: Brauneis, Klauser & Prändl, Rechtsanwälte in Wien