Der Konsument buchte bei der Beklagten für sich und seine Familie eine Reise auf die Syschellen und auf die Insel Réunion für die Zeit vom 27.12.2004 bis 9.1.2005. Aufgrund des verheerenden Seebebens am 26.12.2004 und der darauf folgenden Medienberichte stornierte der Konsument am Tag der geplanten Abreise. Der Reiseveranstalter behielt sich jedoch die Stornogebühr in Höhe von € 3.286,00 mit der Begründung ein, dass das Reiseziel Seychellen, und somit auch die Insel Réunion, vom Seebeben nicht betroffen gewesen sei.
Der VKI hat daher - im Auftrag des BMSG - eine Klage auf Rückzahlung der einbehaltenen Stornogebühr wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gegen den Reiseveranstalter eingebracht. Das Erstgericht hat unserem Klagebegehren vollinhaltlich statt gegeben. Es stellte fest, dass das Epizentrum des Seebebens zwar im einige tausend Kilometer entfernten Indonesien war, jedoch die Auswirkungen bis weit über die Insel Réunion, bis zum arabischen Meer und vor Somalia bemerkbar waren. In einigen Bereichen wurde auf den Seychellen vom Tsunami allerdings nichts bemerkt und ging der Tourismusbetrieb seinen gewohnten Gang, so auch im vom Konsumenten gebuchten Hotel. Am Tag des Seebebens wurde in verschiedenen Medien, die der Konsument als Informationsquelle nutzte, wie BBC News, Spiegel Online oder "süddeutsche.de" über die Auswirkungen des Tsunami berichtet, wobei die Erwähnung der Seychellen zumeist undifferenziert nach den jeweiligen Inseln erfolgte. Die britische Regierung gab für die Seychellen am 26.12. eine Reisewarnung heraus.
Rechtlich folge daraus, dass sich durch diese Naturkatastrophe die dem Vertrag zugrunde liegenden Umstände gravierend geändert hätten, wobei es keinen Unterschied mache, ob das unmittelbare Hotel betroffen sei oder nicht, da bei einer derart massiven Flutwelle nicht nach einzelnen Regionen, welche nur wenige Kilometer auseinander liegen, differenziert werden könne. Das Betroffensein der gebuchten Region genüge, eine andere Ansicht erschiene überspannt, zumal ein Urlaub auf die Seychellen nicht nur aus einem Aufenthalt im Hotel selbst bestehe, sondern auch das Ambiente und Flair der ganzen Region als Bestandteil des Urlaubserlebnisses zu sehen sei. Dazu komme die allgemeine Unsicherheit, ob nicht eine zweite Welle kommen würde. Daher hätte der Tsunami, und die damit verbundene massive Erwähnung des Reiseziels in den Medien mit ihrer allgemeinen Wirkung (!) jedenfalls zum Wegfall der Geschäftsgrundlage des Reisevertrages geführt. Ein weiteres Zuwarten sei nicht zumutbar gewesen und seiner Informationspflicht sei der Konsument in Form der allgemeinen Medien mehr als erforderlich nachgekommen.
Die unter Zeitdruck erfolgte Stornierung aufgrund der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Informationen sei absolut verständlich, was selbst bei anderer Ansicht unter Einbeziehung sämtlicher Umstände zur vollständigen Mäßigung der Stornogebühr führen müsse.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Das Urteil gibt die stRsp des OGH wider, wonach eine ausdrückliche Reisewarnung des Außenministeriums nicht Vorraussetzung für eine kostenlose Stornierung ist. Nach der Rechtsprechung des OGH (vgl OGH vom 27.5.1999, 8 Ob 99/99p (KRES 7/117), OGH vom 27.11.2001, 1 Ob 257/01b (KRES 7/121) und OGH vom 15.09.2004, 9 Ob 42/04y) ist vielmehr bereits dann ein Wegfall der Geschäftsgrundlage und somit ein kostenloses Rücktrittsrecht anzunehmen, wenn eine Gefahr eine Intensität erreicht, die als unzumutbar erscheinen muss. Entsprechend warnende Medienberichte und Informationssendungen können nicht als aus Sensationslust weit übertriebene Berichte abgetan werden und dürfen somit ernst genommen werden. Steht der Reiseantritt jedoch nicht unmittelbar bevor, muss der Kunde zunächst die weitere Entwicklung abwarten.
BGHS Wien, 29.03.2006, 9 C 770/05h
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Klagevertreter: Dr. Gerhard Deinhofer, RA in Wien