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Urteil: Zinsenstreit: OGH sieht SMR+VIBOR/EURIBOR/2 erneut als geeignet an

In einem von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte hat der OGH wie auch bereits in den vom VKI geführten Verfahren erkannt, dass bei einer gesetzwidrigen Zinsanpassungsklausel zur Berechnung des Zinsschadens der Mittelwert von SMR und VIBOR/EURIBOR herangezogen werden kann, wenn schon in der ursprünglichen Klausel Elemente des Kredit- und Geld- und Kapitalmarktes angedeutet waren.

Ein Verbraucher nahm bei dem beklagten Kreditinstitut 1991 und 1992 zwei Kredite auf; diese wurden 1993 zusammengefasst und umgeschuldet. Für die weitere Verzinsung des Kredites wurde vereinbart, dass die Beklagte berechtigt sein sollte, die vereinbarten Konditionen entsprechend den jeweiligen Geld-, Kredit- oder Kapitalmarktverhältnissen zu ändern, wie beispielsweise bei Erhöhung der Einlagenzinssätze oder der Bankrate oder Kapitalmarktrendite oder bei kredit- und währungspolitischen Maßnahmen hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft, des Kreditvolumens oder der Mindestreserve oder bei Änderung der Bestimmungen über die Verzinsung von geförderten Krediten.

Die Beklagte legte der Kalkulation ihrer Kreditzinsen das Zinsniveau ihrer Primäreinlagen und den "Landeszinssatz", das ist der Indikator "Verzinsung Primäreinlagen Raiffeisen-Bankengruppe" des Bundeslands, zugrunde, der vom Raiffeisenverband des Bundeslandes aufbereitet wird. Dieser Indikator beruht auf einer Erhebung des Privateinlagenniveaus der 67 Raiffeisenbanken des Bundeslandes. Die jeweilige Raiffeisenbank wählt die konkrete Zinshöhe.

Die Durchrechnung des Kredites für den Zeitraum 01.04.1994 bis zum Jahresende 2000 unter Berücksichtigung einer am arithmetischen Mittel aus Sekundärmarktrendite Bund und VIBOR/EURIBOR 3 orientierten Anpassung ergab eine Kreditzinsenüberzahlung von EUR 4.473,62. Die Klägerin begehrte (nach Einschränkung wegen Teilzahlung der Beklagten) EUR 2.796,37, da es die Beklagte verabsäumt habe, den Zinssatz aus dem Verbraucherkredit entsprechend den vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben geldmarktkonform, anzupassen; Zinsenabwärtsbewegungen seien nicht an den Kreditnehmer weitergegeben worden. Die Zinsanpassungsklausel sei gesetzwidrig. Der in der nichtigen Klausel enthaltene Parameter "Änderung der Geld- und Kapitalmarktverhältnisse" werde objektiv durch die Sekundärmarktrendite (SMR) und VIBOR/EURIBOR dargestellt.

Die Beklagte wandte ua ein, dass sie bei der Kalkulation ihrer Kreditzinsen auf ihre Refinanzierungskosten abstelle. Bei Kenntnis der Ungültigkeit der verwendeten Zinsanpassungsklausel hätte die Beklagte eine Zinsanpassung analog der Entwicklung ihrer Refinanzierungskosten vereinbart. Der Beklagten sei ein Spielraum eingeräumt gewesen, innerhalb dessen die eine Zinsanpassung nach billigem Ermessen habe vornehmen können. Eine Umdeutung der vereinbarten Zinsanpassungsklausel in eine Zinsgleitklausel entspreche nicht dem hypothetischen Parteiwillen.

Der OGH sprach erneut aus, dass eine solche Klausel unbestimmt ist und daher gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstößt. Die dadurch entstandene Teilnichtigkeit erfordert eine Vertragsanpassung nach den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung und -ergänzung. Dabei habe man den hypothetischen Parteiwillen zu erforschen. Sofern der hypothetische Parteiwille nicht feststellbar ist, ist hilfsweise auf die redliche Verkehrsübung sowie Treu und Glauben anzustellen. Selbst wenn feststünde, dass sich die Parteien wegen Übermacht einer Partei hypothetisch auf eine einseitig belastende Regelung geeinigt hätten, dürfte der Richter nur einen angemessenen Interessenausgleich vorsehen.

Weiters führte der OGH aus, dass die prinzipielle Ablehnung des der Klage zugrundeliegenden aus dem Mittel von VIBOR und SMR gebildeten Indikator durch das Berufungsgericht mit der neueren Rechtsprechung nicht im Einklang stehe. Vielmehr hat der OGH bereits in 9 Ob 62/04i eine derartige, von zahlreichen Kreditinstituten seit 1997 verwendete Klausel als möglicherweise dem hypothetischen Parteiwillen am ehesten entsprechend angesehen, weil im zugrundeliegenden Fall schon in der ursprünglichen Klausel Elemente der Kredit- als auch des Geld- und Kapitalmarktes angedeutet waren. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in der ursprünglichen Zinsanpassungsklausel nicht ausschließlich auf die Höhe der Einlagenzinssätze abgestellt, sondern auch auf Änderungen in der Bankrate, der Kapitalmarktrendite, kredit- und währungspolitische Maßnahmen und die Bestimmungen über die Verzinsung von geförderten Krediten, mithin auch auf Aspekte des Kapital- und Geldmarktes. Es ist daher auch in diesem Fall davon auszugehen, dass redliche und vernünftige Parteien bei angemessener Berücksichtigung der Interessen beider Teile in Kenntnis der Unwirksamkeit der tatsächlich vereinbarten Zinsanpassungsklausel vereinbart hätten, die Kreditzinshöhe auch schon vor 1997 in jener Weise anzupassen, wie dies ab 1997 bei österreichischen Kreditinstituten allgemein üblich wurde, also entsprechend dem arithmetischen Mittel aus Sekundärmarktrendite Bund und VIBOR/EURIBOR 3.

Da es in diesem Verfahren unstrittig geblieben ist, das bei Berücksichtigung des arithmetischen Mittels aus Sekundärmarktrendite Bund und VIBOR/EURIBOR 3 EUR 2.796,37 zu viel an Zinsen gezahlt wurden, wird dem Klagebegehren der Klägerin zur Gänze stattgegeben.

OGH 23.05.2006, 4 Ob 10/06h
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Klagevertreter: Dr. Klaus Perner, RA in Salzburg

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