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Urteil: Orange: HG Wien bestätigt - 8 von 12 Klauseln gesetzwidrig

Die Verbandsklage des VKI im Auftrag des BMASK gegen Orange bestätigte 8 von 12 Klauseln als gesetzwidrig.

Klausel 1:
5.1: Orange räumt dem Kunden die Möglichkeit ein, Dienste aus dem Vertragsverhältnis jeweils bis zur Kreditgrenze in Anspruch zu nehmen. Diese beträgt, sofern nichts anderes vereinbart ist, EUR 250,- an angefallenen Entgelten und Gebühren (siehe die auf den Kunden anwendbare Orange Entgeltübersicht; zum Anfall siehe Punkt I.6.1 und 2). Bei entsprechender Bonität wird die Kreditgrenze angemessen erhöht. Hingegen wird sie bei begründetem Verdacht, dass der Kunde zu leistende Zahlungen schuldig bleiben werde, angemessen herabgesetzt.

Die Klausel wurde als intransparent, gröblich benachteiligend und überraschend qualifiziert. Der Begriff "Kreditgrenze" ist mehrdeutig und es ist unklar, wann die Grenze erhöht oder herabgesetzt wird.

Klausel 2:
6.1: Sofern eine vom Kunden einzuhaltende Mindestvertragsdauer (inkl. eines einseitigen Kündigungsverzichtes) vereinbart ist (siehe jeweils Punkt I. 11.2) und das Vertragsverhältnis vorzeitig von Orange aus wichtigem, vom Kunden verschuldeten Grund aufgelöst wird oder einvernehmlich beendet wird, so könne verbleibende periodisch fixe Entgelte bis zum Ablauf der Mindestvertragsdauer sofort in Rechnung gestellt werden.

Diese Klausel ist überraschend und nachteilig, weil der Kunde nicht damit rechnet, dass er selbst bei einvernehmlicher Vertragsbeendigung das Entgelt für die volle Vertragsdauer zu entrichten hat.

Klausel 3:
9.2: Orange versendet zudem eine Zahlungserinnerung, wofür Orange Bearbeitungsgebühren laut der auf den Kunden anwendbaren Orange Entgeltübersicht (s. oben Punkt I.4.) in Rechnung stellt. Nach erfolgloser Mahnung kann Orange Inkassoinstitute bzw. Rechtsanwälte mit der Einbringlichmachung betrauen; der Kunde ist verpflichtet, die damit einhergehenden von ihm verschuldeten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen.

Auch diese Klausel ist intransparent, weil die Konsumenten nicht über die Höhe dieser Bearbeitungsgebühr informiert werden. Sieht man nämlich unter dem einschlägigen Punkt der Entgeltübersicht nach, findet man den Begriff "Bearbeitungsgebühren" nicht.

Klausel 4:
11.7: Inwiefern bei gerechtfertigter, vom Kunden zu vertretender Sperre eine Bearbeitungsgebühr in Rechnung gestellt werden kann, ist der auf den Kunden anwendbaren Orange Entgeltübersicht zu entnehmen. Diesfalls fallen außerdem periodisch fixe Entgelte (Grundgebühr inkl. Flatrate, Mindestumsatz, jährliche Service-Gebühr) weiterhin sowie - sollte eine solche Sperre über Antrag des Kunden von Orange aufgehoben werden (was jedenfalls unverzüglich zu erfolgen hat, wenn die Sperre nicht mehr berechtigt ist) - ein Reaktivierungsentgelt laut, auf den Kunden anwendbarer, Orange Entgeltübersicht an.

Obwohl Verweise in einem Klauselwerk nicht per se intransparent sind, entbehrt dieser Verweis jeglicher Durchschaubarkeit, da auf keinen konkreten Punkt in der Entgeltübersicht verwiesen wird und man zwar verschiedene Gebühren, nicht aber die zitierte "Bearbeitungsgebühr" findet. Auch die Unterscheidung zwischen Abschaltung und Sperre und den damit verbundenen Kosten bleibt unklar.

Klausel 5:
12.2: Orange kann Änderungen nicht individuell vereinbarter Vertragsbedingungen und Tarifbestimmung (Entgelte und Gebühren) auch aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit dem Kunden vornehmen. Diesfalls wird dem Kunden das Änderungsangebot samt Zeitpunkt des Inkrafttretens der geplanten Änderungen zumindest sechs Wochen vor diesem Zeitpunkt in geeigneter schriftlicher Form, etwa auf einer periodisch erstellten Rechnung, übersandt. Es enthält sämtliche Änderungen und für den Fall, dass nur ein Teil eines Punktes geändert wird, den gesamten neuen Punkt. Darüber hinaus ist die Volltext-Version unter orange/AGB abrufbar und kann - insbesonders bei der Orange-Serviceline - kostenlos angefordert werden. Das Angebot gilt als angenommen, wenn nicht bis zum Inkrafttreten der geplanten Änderungen ein - kostenloser - Widerspruch durch den Kunden erfolgt, wobei der Kunde im Angebot auch über die Widerspruchsfrist und die Bedeutung seines Verhaltens hingewiesen wird.

Diese Klausel verstößt gegen § 25 TKG. Diese Spezialnorm sieht ein bestimmtes Procedere bei AGB-und Entgeltbestimmungsänderungen vor, von dem nicht abgegangen werden darf.

Klausel 6:
15.3: Hinsichtlich der von Orange erbrachten Dienste (nicht somit hinsichtlich von Mehrwertdiensten) hat der Kunde - unbeschadet der in Punkt I.11.7 vorgesehenen Zahlungen - für die infolge Verlorengehens oder Diebstahls bis zur Meldungslegung angefallenen Entgelte aufzukommen; entsprechendes gilt auch für Fälle sonstigen Missbrauchs durch Dritte, es sei denn, es hätte sich hierbei ein nicht vom Kunden beherrschbares Risiko verwirklicht (z.B. Ausnützen von allfälligen Schwachstellen in der Orange EDV).

Auch diese Klausel wurde als intransparent qualifiziert, weil unklar ist, inwiefern das "Risiko nicht beherrschbar" ist. Die Klausel ist aber auch gröblich benachteiligend, weil die "Beherrschbarkeit" dem Wortlaut nach im Falle des Missbrauchs durch Dritte, nicht aber bei Diebstahl oder Abhandenkommen relevant ist.

Klausel 7:
22: Änderungen von Daten, die für die Vertragsabwicklung von wesentlicher Bedeutung sind, hat der Kunde Orange unverzüglich mitzuteilen. Hiezu zählen jedenfalls änderungen von (soweit bekanntgegeben): Name, Anschrift, E-Mail-Adresse, Telefaxnummer, Bankverbindung, Firmenbuch- oder sonstige Registernummer und Rechtsform. Bei nicht bekanntgegebener änderung der Adresse, Telefaxnummer und/oder E-Mail-Adresse können dorthin vorgesehene übermittlungen an die zuletzt bekannt gegebene Adresse bzw. Telefaxnummer erfolgen.

Diese Klausel ist sowohl intransparent als auch überraschend, da die Kunden nicht damit rechnen müssen, wesentliche Erklärungen von Orange per Fax oder E-Mail zu erhalten. Die Übermittlung einer Erklärung per E-Mail erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 3 KSchG und gilt somit nicht als dem Verbraucher zugegangen.

Klausel 8:
Abschnitt II: 5.(Wertkarten) Nicht verbrauchte Beträge können vom Kunden rückgefordert werden, sofern ihnen bezüglich des jeweiligen Teilnehmeranschlusses tatsächlich getätigte Vorabzahlungen zugrunde liegen. Eine Rückforderung ist - vorbehaltlich einer wirksamen außerordentlichen Kündigung - erst mit Ablauf von zwölf Monaten seit dem letzten das Vertragsverhältnis verlängernden Ladevorgang möglich. Dabei hat der Kunde seine Identität und Legitimation (SIM-Karte und PUK2- Code) nachzuweisen. Für die Rückerstattung ist vorab, außer im Falle einer von Orange verschuldeten außerordentlichen Kündigung durch den Kunden, eine Bearbeitungsgebühr laut Orange Entgeltübersicht zu entrichten. Mit der Rückerstattung endet das Vertragsverhältnis jedenfalls.

Hier wurde der Beisatz "vorbehaltlich einer wirksamen außerordentlichen Kündigung" als intransparent eingestuft, weil unverständlich ist, wann der Kunde dann sein Guthaben ausbezahlt bekommt. Außerdem ist die Bearbeitungsgebühr diesfalls benachteiligend, da sie auch dann anfällt, wenn der Grund der Vertragsauflösung von Orange zu vertreten ist.

Klausel 9 iVm. Klausel 10:
4.1 iVm. 12.3: Soweit nichts anderes vereinbart ist, kommt bei den monatlichen fixen Entgelten in Gestalt von Grundgebühr und Mindestumsatz eine Indexbindung zur Anwendung (siehe Punkt I.12.3.).

Mangels anderer Vereinbarung ist Orange bei änderungen des (Kalender-) Jahresdurchschnittes des Verbraucherpreisindexes ("Jahres-VPI") wie von der Statistik Austria veröffentlicht (sollte diese den Jahres-VPI nicht mehr veröffentlichen, so tritt dessen amtlicher Nachfolger an dessen Stelle) im Falle einer Steigerung berechtigt und im Falle einer Senkung verpflichtet, fixe monatliche Entgelte in Gestalt von Grundgebühr und Mindestumsatz, in jenem Verhältnis anzupassen, in dem sich der Jahres-VPI für das letzte Kalenderjahr vor der Anpassung gegenüber dem Jahres-VPI für das vorletzte Kalenderjahr vor der Anpassung geändert hat (Indexbasis: Jahres-VPI 2010=100). Dabei bleiben Schwankungen des Jahres-VPI gegenüber der Indexbasis nach oben oder unten bis 3 % unberücksichtigt (Schwankungsraum). Sobald hingegen der Schwankungsraum durch eine oder mehrere aufeinanderfolgende Schwankungen des Jahres-VPI über- bzw. unterschritten wird, ist die gesamte änderung in voller Höhe maßgeblich. Der hieraus resultierende, außerhalb des Schwankungsraumes liegende Wert bildet die Grundlage für eine zulässige Entgelterhöhung bzw. für die gebotene Entgeltreduktion; gleichzeitig stellt er die neue Indexbasis für zukünftige Anpassungen dar (und damit auch die neue Bezugsgröße für den Schwankungsraum). Eine daraus ableitbare Entgelterhöhung kann jeweils nur mit einem Datum ab 1. April bis 31. Dezember jenes Kalenderjahres erfolgen, welches auf jenes Kalenderjahr folgt, für welches sich die Indexbasis geändert hat; eine daraus abzuleitende Entgeltreduktion muss jeweils mit 1. April jenes Kalenderjahres erfolgen, welches auf jenes Kalenderjahr folgt, für welches sich die Indexbasis geändert hat. Erstmalig kann bzw. muss gegebenenfalls eine solche Anpassung in dem auf das Zustandekommen (bzw. die einvernehmliche Verlängerung) des Vertragsverhältnisses folgenden Kalenderjahr vorgenommen werden. Soweit sich aufgrund der Bestimmungen dieses Punktes I.12.3 eine Verpflichtung von Orange zur Entgeltreduktion ergäbe, verringert sich diese Verpflichtung in jenem betraglichen Ausmaß, in dem Orange letztmals aufgrund besagter Bestimmungen zu einer Entgelterhöhung berechtigt gewesen wäre, ohne von diesem Recht Gebrauch gemacht zu haben. über die Vornahme einer solchen Entgeltanpassung wird der Kunde samt den zu ihr Anlass gebenden Umständen in geeigneter Weise (zum Beispiel durch Rechnungsaufdruck) in der der Entgeltänderung vorangehenden Rechnungsperiode informiert.

Die beiden Klaueln sind in Zusammenschau zu lesen, da die erste in Bezug auf eine Indexanpassung auf die zweite Klausel verweist.

Diese Klausel wurde entgegen der Entscheidung des HG Wien (39 Cg 26/12 k) in Bezug auf A 1, als zulässig erachtet.Etwas widersprüchlich argumentiert das Gericht hier, dass die Ausübung von Änderungsrechten, die für beide Vertragspartner gelten und die vertraglich vereinbart sind, nicht durch die Bestimmungen des § 25 TKG einzuschränken sind. Dem gegenüber steht die vorher zitierte andere Entscheidung, die davon spricht, dass das Procedere des § 25 TKG sehr wohl einzuhalten ist und die Konsumenten nicht um ihr außerordentliches Kündigungsrecht gebracht werden dürfen. Dort wurde sie deshalb auch als intransparent eingestuft, weil sie die wahre Rechtslage verschleiert.

Die wahre Rechtslage ist, so scheint es, nicht nur für die Konsumenten verschleiert.

Klausel 11 und 12:
21.2: Eine übermittlung der Stamm- und Verkehrsdaten kann - über erforderliche Auskünfte an Notruf-Organisationen oder aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen hinaus - jedenfalls insoweit erfolgen, als dies für die Erbringung jenes Dienstes, für den diese Daten ermittelt und verarbeitet worden sind, durch Orange erforderlich ist.

21.4:Der Kunde stimmt hiermit - jederzeit kostenlos widerruflich - zu, dass Stammdaten und sein Geburtsdatum im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen (TKG 2003, Datenschutzgesetz DSG) an - jeweils behördlich befugte - Kreditschutzverbände, Kreditinstitute, weiters Gewerbetreibende, die zur Ausübung des Gewerbes der Auskunfteien über Kreditverhältnisse berechtigt sind (§ 152 GewO) sowie an die Yesss! Telekommunikation GmbH übermittelt werden, soweit sie erforderlich sind, um hinsichtlich des betreffenden Vertragsverhältnisses die Bonität des Kunden überprüfen zu können. Orange ist zudem berechtigt, soweit für Inkassozwecke erforderlich, Stammdaten und personenbezogene Daten, die Orange vom Kunden zur Verfügung gestellt wurden, jedenfalls Namen, Geburtsdatum, Anschrift, Beruf, Angaben zu Zahlungsverzug und offenem Saldo an Rechtsanwälte und Inkassobüros zu übermitteln.

Diesen beiden "Datenschutzklauseln" konnten wir nicht erfolgreich bekämpfen. Erstere wurde vom Gericht für zulässig erachtet, weil sie für die Vertragserfüllung erforderlich ist und die Gesetzeslage korrekt wiedergegeben wird.

Bei der Klausel Punkt 21.4.geht das Gericht davon aus, dass der erforderliche Zweck der Datenübermittlung für die Verbraucher verständlich ist. Gleichfalls ist die Anführung der Dritten deutlich genug, da es sich nach Meinung des Gerichtes um klar definierte Einrichtungen handelt, deren Geschäftsbereich der Verbraucher kennt oder leicht feststellen kann. Die Intransparenz wurde somit verneint.


HG Wien 14.2. 2013, 19 Cg 122712 f
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien
 

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