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Urteil: Unbefristetes Rücktrittsrecht bei fehlerhafter Belehrung bei Lebensversicherungen

Dem Versicherungsnehmer steht bei Lebensversicherungen im Fall einer fehlerhaften Belehrung bei richtlinienkonformer Auslegung des § 165a VersVG ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu.

Ein Konsument schloss am 26.11.2006 eine Atlantic Lux Lebensversicherung ab. Bei Vertragsabschluss wurde ihm eine Verbraucherinformation übergeben. Diese enthielt eine Belehrung über eine Rücktrittsfrist von 2 Wochen. Die Rechtslage sah im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses allerdings eine Rücktrittsfrist von 30 Tagen vor.

Der Konsument leistete vertragsgemäß bis Februar 2014 die monatlichen Prämien. Am 12.03.2014 erklärte er gegenüber der beklagten Partei den Rücktritt vom Vertrag und begehrte die Rückzahlung des Sparanteils der einbezahlten Prämien. Die Rücktrittserklärung wurde von der beklagten Partei jedoch als verpätet zurückgewiesen.

Der VKI unterstützte den Konsumenten im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich im Rahmen eines Musterverfahrens bei der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche. Der VKI stützte seine Argumentation auf eine Entscheidung des EUGH (Endress/Allianz AG) vom 19.12.2013 wonach §165a VersVG richtlinienkonform dahingehend auszulegen sei, dass einem Versicherungsnehmer im Falle einer fehlerhaften Belehrung über die Rücktrittsfrist das Rücktrittsrecht unbefristet zustehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit dem Argument, die Rücktrittserklärung sei verspätet, ab. In seiner Begründung führte es aus, dass keine europarechtlichen Bedenken dagegen bestünden, dass - trotz der fehlerhaften Belehrung - die Rücktrittsfrist nach §165a VersVG mit Zustandekommen des Vertrages zu laufen begonnen habe.

Der VKI erhob Berufung gegen das Ersturteil. Das Berufungsgericht folgte der Argumentation des VKI und entschied, dass die 30- tägige Rücktrittsfrist bei richtlinienkonformer Auslegung des §165a VersVG aufgrund der fehlerhaften Belehrung nicht zu laufen begonnen habe. Der Rücktritt sei somit rechtswirksam erfolgt.

Der OGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts und führte dazu aus, dass Entscheidungen des EuGH die Gerichte aller Mitgliedstaaten binden und somit objektives Recht schaffen. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Endress gegen Allianz (C-209/12) sei insbesondere deshalb zur Klärung der Rechtsfrage heranzuziehen gewesen, weil der EuGH darin Bestimmungen beurteilt habe, die wortgleich in die zum Zeitpunkt des gegenständlichen Vertragsabschlusses maßgebliche Richtlinie über Lebensversicherungen übernommen wurde. Daraus folge, dass ausgehend von der Entscheidungen des EuGH dem Versicherungsnehmer aufgrund einer fehlerhaften Belehrung über die Dauer der Rücktrittsfrist bei richtlinienkonformer Auslegung des § 165a Abs 2 VersVG ein unbefristetes Rücktrittsrecht zusteht.

OGH 02.09.2015, 7 Ob 107/15h
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Klagevertreter: Dr. Walter Reichholf, RA in Wien

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