Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führte- im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich- eine Verbandsklage gegen die Westbahn Management GmbH wegen gesetzlich unzulässigen Änderungsklauseln und weiterer gesetzwidriger Klauseln in den AGB sowie der damit im Zusammenhang stehenden Irreführung hinsichtlich der "Kilometerbank". Der OGH erklärte sowohl die irreführende Geschäftspraktik, als auch die inkriminierten Klauseln als gesetzwidrig.
Die "Kilometerbank" stellt eine Prepaid-Karte dar, mit der Konsumenten "Zugkilometer im Voraus" kaufen können. Diese Karte kann von Verbrauchern nach dem Erwerb für Zugfahrten eingelöst und als Zahlungsmittel im Zug verwendet werden. Die Westbahn selbst beschreibt die "Kilometerbank" wie folgt:
"Kaufen Sie Zugkilometer im Voraus und sparen Sie gegenüber dem Einzelpreis! Für jede Fahrt wird eine festgelegte Anzahl an Kilometern abgebucht"
Anlassfall war ein Konsument, welcher ein "Kilometerbank"-Ticket für 1.000 Tarifkilometer zum Preis von EUR 79,90,-- von der Westbahn erworben hatte. Während bei den ersten Fahrten nach Linz noch 56 Kilometer abgebucht wurden, so buchte die Westbahn nach zwei Monaten für dieselbe Strecke unerwartet 60 Kilometer ab. Die Westbahn verwies darauf, dass es sich bei den Streckenkilometern nicht um fixe Werte handeln würde und diese jederzeit mit einer Preisanpassung geändert werden könnten.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat daraufhin - im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich - eine Verbandsklage gegen die Westbahn Management GmbH eingebracht.
Der OGH beurteilte folgende Klauseln als unzulässig:
Klausel 1:
Für alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesen Beförderungsbedingungen, die sich aus
der Beförderung ergeben, ist als ausschließlicher Gerichtsstand das sachlich zuständige Gericht in Wien vereinbart.
Diese Klausel wurde als gegen § 14 KSchG verstoßend beurteilt.
Klausel 2:
Die WESTbahn behält sich vor, die oben genannten Tarifbestimmungen im Bedarfsfall abzuändern.
Die Klausel wurde sowohl vom HG Wien, als auch vom OLG Wien als unzulässig bewertet. Das OLG Wien stellte bei der Beurteilung der Klausel auch darauf ab, dass Konsumenten davon ausgehen, mit dem Kauf der "Kilometerbank" bereits Anspruch auf eine feststehende und für die Geltungsdauer der Kilometerbank unveränderliche Leistung zu haben. Die Klausel beeinträchtigt somit die vertragliche Äquivalenz zwischen Leistung und Entgelt, da sich das Unternehmen vorbehält von der vereinbarten Leistung abzuweichen.
Der OGH beurteilte die Klausel als gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG verstoßend, da eine entsprechende Konkretisierung bzw mangels Parameter im Sinne des Gesetzes fehlte. Einseitige Leistungsänderungen die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden sind gem § 6 Abs 2 Z 3 KSchG nur dann zulässig, wenn die Änderung für den Konsumenten zumutbar ist, besonders weil diese geringfügig und sachlich gerechtfertigt ist. Zweck der Norm ist die Sicherung der Vertragstreue des Unternehmers und Schutz des Vertrauens in die vertragliche Zusage seines Partners. Verhindert werden sollen dadurch weitgehende Rechte des Unternehmers, einseitige Leistungsänderungen durchzuführen, die den Interessen des Verbrauchers widersprechen. Die Unzumutbarkeit wird durch umfassende und vage Änderungsklauseln indiziert. Für die Rechtmäßigkeit derartiger Vorbehalte müssen daher möglichst exakt beschriebene und konkretisierte Parameter vorliegen. Da diese fehlen ist die Klausel unzulässig.
Die Westbahn verwies auf § 22 Abs 2 EisenbahnG, wonach Eisenbahnunternehmen Tarife abändern können. Dies rechtfertigt die Klausel jedoch nicht, da die Änderungen im bisherigen Vertragsverhältnis vereinbart wurden, urteilte der OGH.
Die Klausel ist daher gesetzwidrig, da sie gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG verstößt.
Klausel 3:
Das Tarifkilometerguthaben ist 24 Monate ab Kaufdatum gültig.
Diese Klausel wurde vom OLG Wien als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB beurteilt, da keine sachlich gerechtfertigten Gründe vorliegen, die ein Abweichen der dreißigjährigen Verjährungsfrist rechtfertigten würden. Das Argument der Westbahn, der Fälschungs- und Betrugsgefahr überzeugte die Gerichte nicht, da es in der Sphäre des Unternehmens liegt, wie fälschungssicher die Karte ausgestattet ist. Der Verweis der Westbahn auf das Urteil 7 Ob 22/12d, hinsichtlich der nicht näher ausgeführten Fälschungsgefahr stellte keine ausreichende Rechtfertigung für die Verkürzung der allgemeinen Verjährungsfrist von dreißig Jahren auf zwei Jahre dar.
Die Beklagte verwies weiters auf 7 Ob 75/11x und der Zubilligung eines Interesses, innerhalb eines überblickbaren Zeitraums Klarheit hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen zu haben.
Dies rechtfertigt jedoch keinesfalls eine derartig massive Verkürzung der Verjährungsfrist von dreißig auf zwei Jahren. Dem Urteil ist zudem keinesfalls eine generelle Aussage zur Zulässigkeit einer bestimmten Zeitspanne d Verjährung zu entnehmen. Vielmehr folgt daraus die Notwendigkeit einer umfassenden Interessensabwägung, welche sich lediglich an den konkret dargestellten Umständen orientieren kann.
Der OGH bezog zudem in seine Entscheidung noch die Urteile 1 Ob 88/14v, sowie 9 Ob 26/15m ein, welche im Zusammenhang mit dem Guthaben einer "Elektronischen Geldbörse" ergingen. Darin wurde eine Klausel als gesetzwidrig beurteilt, welche eine dreijährige Verjährungsfrist bestimmten.
Diese Erwägungen sind auch auf das hier vorliegende elektronische Guthaben anwendbar. Der OGH beurteilte die Klausel daher gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.
Klausel 4:
Eine Erstattung der Kilometerbank nach erstmaliger Inanspruchnahme ist nicht möglich.
Bereits das OLG Wien beurteile die Klausel als unzulässig, da auch bei Verfall eines Großteils eines unverbrauchten Guthabens keinerlei Rückerstattungspflicht seitens des Unternehmens vorliegt. Der OGH beurteilt, dass der bedingungslose Ausschluss der Erstattung zur gröblichen Benachteiligung des Konsumenten führt. Eine Rückerstattung ist nämlich auch dann ausgeschlossen, wenn lediglich eine Teilleistung in Anspruch genommen wurde und das Unternehmen weitere Leistungen nicht erbringen kann oder will. Ein derart umfassender Ausschluss der Rückerstattung ist sachlich nicht gerechtfertigt. Die Klausel verstößt daher gegen § 879 Abs 3 ABGB.
Irreführung:
Hinsichtlich der Irreführung gem UWG bestätigte der OGH die bereits ergangenen Urteile des HG Wien (15.10.2014, 19 Cg 60/14s) sowie des OLG Wien (02.07.2015, 1 R 234/14k), welche zutreffend die irreführende Geschäftspraxis nach § 2 UWG bejaht hatten.
Der OGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen, dass die Aussagen hinsichtlich der "Kilometerbank" dahingehend zu verstehen sind, dass eine Zuordnung von definierten Bahnstrecken einer bestimmten Anzahl von Kilometer-Einheiten stattfindet.
Das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers auf eine "festgelegte Anzahl an Kilometern" wird durch die Ausdrucksweise der Westbahn verstärkt.
Dieses Verständnis entspricht jedoch nicht den Tatsachen, da nur eine Vorauszahlung erfolgt, welche anschließend zum jeweils aktuellen Preis umgewandelt wird. Die erworbene Kilometeranzahl kann daher von der tatsächlich konsumierten Leistung abweichen.
Der OGH bejahte auch die Irreführungseignung der Angaben der Westbahn hinsichtlich Veranlassung einer geschäftlichen Entscheidung.
Die Relevanz der Irreführung liegt hier schon alleine deswegen vor, weil die mit einem Rabatt verbundene fix zugesagte Kilometerleistung für den Verbraucher ein Anreiz für die geschäftliche Entscheidung sein kann. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieselbe Entscheidung auch dann getroffen wird, wenn einem Konsumenten bewusst ist, dass diese Gegenleistung einer nachträglichen Reduktionsmöglichkeit durch das Unternehmen unterworfen ist.
Die Relevanz der Irreführung wurde vom OGH daher bejaht. Außerdem wurde eine über den Einzelfall hinausgehende Erwägung getroffen: Einem Unternehmen kann in der Regel nicht unterstellt werden, eine von vornherein unwirksame Werbung zu betreiben, konkret eine "unsinnige" Ankündigung zu tätigen (vgl 4 Ob 107/15m).
Unbeachtlich bleibt, ob es sich bei der "Kilometerbank" um die günstigste Reisevariante handelt. Der OGH stimmte der Ausführung hinsichtlich mangelnder wettbewerbsrechtlicher Relevanz der irreführenden Geschäftspraktik, nicht zu, da aus diesen Ausführungen nichts daran geändert wird, dass das Rabattausmaß für den durchschnittlichen Verbraucher unvorhersehbar u unsicher bleibt u er nicht damit rechnen kann, eine unveränderliche Kilometeranzahl zu erhalten.
Die irreführende Geschäftspraktik im Zusammenhang mit der "Kilometerbank" wurde daher - wie auch bereits von den Vorinstanzen- bejaht.
OGH 15.12.2015, 4 Ob 202/15g
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Klagsvertreter: Dr. Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwältin in Wien.