Eine Konsumentin wollte im Jahr 2001 Geld aus einer Erbschaft gewinnbringend anlegen. Sie schloss nach Beratung durch eine Bank eine Rentenversicherung mit einer Prämienzahlungsdauer von 12 Jahren ab. Vereinbart war eine vertragliche Kapitalabfindung in Höhe von EUR 3.908,36. Weiters war die Kapitalabfindung mit Gewinnbeteiligung in Höhe von EUR 5.143,99 angegeben, wobei diesbezüglich - wie üblich - darauf hingewiesen wurde, dass die Angaben unverbindlich sind. Die Prämien wurde automatisch um mindestens 4 Prozent angepasst, die dynamisierte Kapitalabfindung mit Gewinnbeteiligung war mit EUR 6.416,75 angegeben.
Nach Ende der Laufzeit von 12 Jahren bekam die Konsumentin eine Kapitalabfindung in Höhe von rund 5.050,-- und damit um rund EUR 350,-- weniger als sie einbezahlt hatte.
Der VKI ging von einer Fehlberatung aus, da Lebensversicherungen für kurze Laufzeiten wie im vorliegenden Fall auf Grund der hohen Kosten ungeeignet sind und im Abschlusszeitpunkt daher das Risiko beträchtlich war, dass die Konsumentin am Ende weniger als die Summe der einbezahlten Prämien ausbezahlt erhält. Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Differenz zwischen dem Auszahlungsbetrag und dem Ertrag aus einer Alterantivveranlagung ein.
Das Erstgericht konnte nicht feststellen, was genau Gegenstand des Beratungsgesprächs gewesen war und welche Anlageform die Konsumentin gewählt hätte, wenn sie über das Risiko der Lebensversicherung aufgeklärt worden wäre. Daher wies das Erstgericht die Klage ab.
Das HG Wien beanstandet in seiner Berufungsentscheidung zwar nicht die Beurteilung des Erstgerichts zur behaupteten Fehlberatung. Allerdings geht das HG Wien davon aus, dass beim Abschluss keine Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG erfolgt ist. Auf Grund der unvollständigen Belehrung steht der Konsumentin im Lichte der Rechtsprechung ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu, das von ihr auch im Laufe des Verfahrens ausgeübt wurde (EuGH C-209/12 Endress gegen Allianz; 7 Ob 107/15h).
Der Rücktritt führt zu einer Aufhebung des Vertrages mit schuldrechtlicher ex-tunc Wirkung. Die Konsumentin hat daher Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Prämienzahlungen samt der gesetzlichen Zinsen in Höhe von 4 % ab dem jeweiligen Empfangstag. Dass der Rücktritt erst nach Vertragsende erklärt wurde, schadet nicht.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
HG Wien 16.11.2016, 1 R62/16p
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Klagevertreter: Dr. Alexander Klauser, RA in Wien