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Urteil: Holland-Fonds: Kick-Back-Zahlungen

Der OGH setzte sich im vorliegenden Urteil mit der Aufklärungspflicht über sog Innenprovisionen auseinander, also Provisionen, die der Berater vom Unternehmer für die Vermittlung dessen Produkts erhält.

Die Klägerin, eine Rechtsanwältin, zeichnete von 2004 bis 2006 auf Empfehlung der beklagten Bank Kommanditbeteiligungen an deutschen Kommanditgesellschaften ("Holland-Fonds"). Der Berater hatte sie auf "prognostizierte Ausschüttungen" von 7,25 % bis 9 % hingewiesen. In den Anlegerprofilen wurde ua auf eine Pflicht zur Rückzahlung von Ausschüttungen hinwiesen, wenn dadurch das Kapitalkonto negativ würde. Die Klägerin las diese Hinweise nicht. Der Berater wies sie nicht auf dieses Risiko hin. Hätte sie davon gewusst, hätte sie die Beteiligungen nicht erworben. Die Klägerin verhandelte mit dem Berater über die Höhe des der Beklagten zufließenden Ausgabeaufschlags (Agio) und vereinbarte mit ihm eine Reduktion von 5 % auf 3,5 %. Die Beklagte erhielt aufgrund einer Vertriebsvereinbarung mit der österreichischen Vertriebsgesellschaft von MPC (nunmehr: CPM in Liquidation) von dieser bei Verkauf von Beteiligungen Provisionen zw 3 % und 4,5 %. Der Berater informierte die Klägerin darüber nicht. Hätte sie davon gewusst, hätte sie die Beteiligungen nicht erworben.

Es konnte nicht feststellt werden, ob der Berater die Klägerin auf die Höhe der Vertriebskosten ("Weichkosten") hingewiesen habe.

Die Klägerin erhielt "Liquididätsausschüttungen", die nicht durch einen Gewinn der Gesellschaften gedeckt waren.

Das Klagebegehren war auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Beteiligungsrechte gerichtet.


Verjährung: Berater informierte nicht über Gefahr der Rückzahlung der Ausschüttungen

Die Klägerin als erfahrene Rechtsanwältin musste wissen, dass sie Kommanditbeteiligungen erwarb; dies ergibt sich insb daraus, dass sie fallweise an der Abstimmung über Änderung der "Gesellschaftsverträge" teilnahm. Damit kann sie nicht mit einem "Sparbuchsparer" verglichen werden, dem ein Berater trotz riskanter Veranlagung eine sichere Verzinsung versprochen hatte. Vielmehr musste sich die Klägerin zumindest ab jenem Zeitpunkt, als die Ausschüttungen hinter den Prognosen zurückblieben (ab Februar 2009), schon im eigenen Interesse die Frage nach der Entwicklung ihrer Beteiligungen stellen und zu diesem Zweck die ihr übersandten Berichte lesen. Darin wurde regelmäßig darauf hingewiesen, dass es sich bei den "Liquididätsausschüttungen" nicht um eine Kapitalverzinsung handle, sondern dass die Ausschüttungen keine Gewinne seien. Daraus musste die Klägerin aber aufgrund ihrer Gesellschaftsrechtskenntnisse zwingend ableiten, dass sie unter Umständen auch zur Rückzahlung von Ausschüttungen verpflichtet sein könnte. Damit begann die dreijährige Verjährungsfrist in Bezug auf den "Ausschüttungsschwindel" spätestens im März 2009. Insofern bestehende Ansprüche waren daher bei Einbringung der Klage 2014 bereits verjährt.


Keine Fehlberatung bzgl (allenfalls) überhöhter Fremdkapital- oder Vertriebskosten ("Weichkosten")
Den Anlageberater trifft eine Sorgfaltsverbindlichkeit. Der Geschädigte hat daher das Vorliegen einer Pflichtverletzung zu beweisen; § 1298 ABGB ist insofern nicht anwendbar. Der Geschädigte hat daher zu beweisen, dass sich der Schädiger in der konkreten Lage nur in bestimmter Weise rechtmäßig verhalten hätte, sich aber tatsächlich anders verhalten hat; die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB greift erst Platz, wenn der Geschädigte zunächst beweist, dass der Schädiger objektiv seine Pflicht nicht erfüllt hat.

Das Erstgericht konnte - abgesehen von der unterbliebenen Aufklärung über die Rückzahlungspflicht und die Innenprovision - den Inhalt der Beratungsgespräche nicht feststellen. Damit ist nicht erwiesen, dass der Berater die Klägerin nicht über die Finanzierungs- und Weichkosten aufgeklärt hätte.


Nichtoffenlegung der Innenprovision
Ob die Nichtoffenlegung der Innenprovision einen Schadenersatzanspruch begründet, konnte vom OGH nicht abschließend beurteilt werden.
Der 6.Senat des OGH leitete in 2 anderen Entscheidungen (6 Ob 110/07f und 6 Ob 193/15y) aus dem auch hier noch anwendbaren § 13 Z 2 u 4 WAG 1996 eine Aufklärungspflicht für "Kick-back-Provisionen" ab (Anm: S aktuell § 39 Abs 3 Z 2 WAG 2007, wonach Vorteile einem Wertpapierdienstleister nur dann gewährt werden dürfen, wenn der Anleger insofern aufgeklärt wurde).

Der OGH differenziert nun bzgl der Aufklärungspflicht über Kick-Back-Zahlungen dahingehend, ob der Kunde damit rechnen muss, dass der Berater von eine dritten Stelle eine Vergütung erhält:

  • Wenn die Beratung für den Kunden unentgeltlich erfolgt, muss der Kunde damit rechnen, dass der Berater Provisionen vom Emittenten oder - wie hier - von dessen Vertriebspartner erhält. Denn dann liegt auch für den Kunden auf der Hand, dass eben der Emittent oder dessen Vertriebspartner den Berater entlohnt.

  • Wenn aber der Kunde selbst Entgelt für die Beratung und Vermittlung der Anlage leistet, muss er nicht annehmen, dass der Wertpapierdienstleister bei Auswahl bestimmter Produkte zusätzlich Vergütungen von anderer Seite erhält und dadurch die Gefahr entsteht, dass der Dienstleister nicht ausschließlich in seinem Interesse tätig wird.

In concreto liegt zweiter Fall vor: Die Klägerin leistete der Beklagten mit dem Ausgabeaufschlag (Agio) ein Entgelt für die Vermittlung der Anlage und die damit zusammenhängende Beratung. Daher durfte sie darauf vertrauen, dass die Beklagte nicht zusätzlich auch noch vom Emittenten oder dessen Vertriebspartner eine Provision erhielt. Unter diesen Umständen war die Beklagte verpflichtet, auf die einen möglichen Interessenkonflikt herbeiführenden Provisionen hinzuweisen. Insofern ist auch ein Verschulden des Beraters zu bejahen, weil er nicht damit rechnen durfte, dass der Klägerin die (zusätzlichen) Innenprovisionen bewusst waren.


Rechtswidrigkeitszusammenhang?
Zweck der im konkreten Fall verletzten Informationspflicht ist die Aufklärung der Beklagten über eine allfällige Interessenkollision auf Seiten der Beklagten. Lag eine solche Interessenkollision vor, erhöhte sie das Risiko, dass die Klägerin aufgrund der Beratung eine Anlage erwarb, die nicht ihren konkreten Wünschen und Bedürfnissen entsprach. Damit wäre der Rechtswidrigkeitszusammenhang zu bejahen.

Bestand hingegen keine Interessenkollision, so stehen andere Risiken, die sich im konkreten Fall verwirklichten, aber aus verschiedenen Gründen keine Haftung der Beklagten begründen, nicht mehr im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Pflicht.
Eine Interessenkollision wäre im konkreten Fall dann zu verneinen, wenn die Beklagte die strittigen Beteiligungen auch dann empfohlen hätte, wenn sie dafür (abgesehen vom offen gelegten Ausgabeaufschlag) keine Vergütungen von ihrem Vertriebspartner erhalten hätte. Die Beweislast für diesen Umstand trifft die beklagte Beraterin.

Ein Anleger muss grundsätzlich mit Vertriebskosten ("Weichkosten") rechnen. Insofern entsteht eine von der drohenden Interessenkollision unabhängige Informationspflicht erst dann, wenn diese Kosten eine erhebliche Höhe erreichen. Der BGH nimmt in diesem Zusammenhang (bei Vertriebsprovisionen) eine Grenze von etwa 15 % an. Dies trifft hier in Bezug auf die Innenprovisionen selbst dann nicht zu, wenn man auch den zusätzlich gewährten Ausgabeaufschlag berücksichtigt.

Entscheidend ist im konkreten Fall tatsächlich nur das Vorliegen einer Interessenkollision. Insofern ist aber noch keine abschließende Beurteilung möglich. Eine Ergänzung des Verfahrens ist erforderlich.


Mitverschulden
Die Klägerin muss sich ein gleichteiliges Mitverschulden anrechnen lassen: Im vorliegenden Fall wusste die Klägerin, dass sie keineswegs eine "sichere" Anlage zeichnen, sondern sich an Kommanditgesellschaften beteiligen würde. Ihr wurden mehrfach produktbezogene Anlegerprofile vorgelegt, in denen (auch) auf die mögliche Verpflichtung zur Rückzahlung der Ausschüttungen hingewiesen wurde. Dass sie diese Hinweise nicht gelesen hat, ist angesichts ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Erfahrung als grobe Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten zu werten.


Verjährung des Anspruches wegen Nichtoffenlegung der Innenprovision?

Auch in Anlegerhaftungsfällen ist die Verjährung für jeden Beratungsfehler getrennt zu beurteilen, wenn bei mehreren spezifischen Risiken jeweils eine gesonderte Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht kommt. Eine gesonderte Prüfung setzt voraus, dass der behauptete Beratungsfehler tatsächlich eine eigenständige, den geltend gemachten Anspruch begründende Pflichtverletzung bildet.

Im konkreten Fall hat die Klägerin erst 2012 von den Innenprovisionen an die Klägerin erfahren. Das Verschweigen der Provisionen ist von den - angeblich oder tatsächlich - unterbliebenen Informationen über den Inhalt der Veranlagung völlig unabhängig. Auch eine Erkundigungsobliegenheit ist zu verneinen. Es gab für die Klägerin keinen Anlass, an eine durch eine Innenprovision verursachte Interessenkollision zu denken. Die Verjährungsfrist begann daher erst mit Kenntnis der Innenprovisionen und der insofern unterbliebenen Aufklärung zu laufen.

OGH 27.4.2017, 2 Ob 99/16x
Klagsvertreter: Rechtsanwälte Leitner & Partner

Das Urteil im Volltext.

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