Auf der Homepage der Beklagten waren folgende Ankündigungen "JETZT 14 Tage testen", "Gutschein einlösen", "14 Tage Schnuppermitgliedschaft", "Ihr persönliches Willkommensgeschenk", "14 Tage Schnupperangebot Premium nur EUR 1,00 Einmalzahlung". Erst beim letzten Schritt, sohin vor dem Vertragsabschluss, fand sich im Kleindruck der Hinweis, dass die Schnuppermitgliedschaft automatisch in eine sechsmonatige Premium-Mitgliedschaft um EUR 89,90 monatlich übergeht, wenn nicht frist- und formgerecht, wie in den AGB näher beschrieben, gekündigt wird. Darüber steht abermals mit der Überschrift "Laufzeit: 14 Tage - Gesamtbetrag: EUR 1,00" fett hervorgehoben.
Gemäß § 11 Abs 1 FAGG kann der Verbraucher - soweit hier relevant - von einem Fernabsatzvertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten. Ein solcher Rücktritt ist nicht nur von Vertragserklärungen möglich, die zur erstmaligen Begründung eines Vertragsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien abgegeben werden. Das Rücktrittsrecht steht vielmehr auch dann zu, wenn ein - wie auch immer zustande gekommenes - bestehendes Vertragsverhältnis im Wege eines Fernabsatzvertrages inhaltlich verändert oder verlängert werden soll.
Die Beklagte knüpft an einen kurzlaufenden (14-tägigen) und nahezu kostenlosen "Schnupper-Vertrag" - mittels Erklärungsfiktion infolge unterbleibender Kündigungserklärung - einen langlaufenden (sechsmonatigen) kostenintensiven Anschluss-Vertrag an. Es ist demnach zwischen zwei im Fernabsatzweg geschlossenen Verträgen zu differenzieren, nämlich einerseits dem vorangehenden "Schnuppervertrag" sowie andererseits dem nachfolgenden Standardvertrag. Da das Rücktrittsrecht nach § 11 Abs 1 FAGG und die Frage dessen Entfalls nach § 18 FAGG für jeden dieser beiden Verträge, gesondert zu beurteilen ist, kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei einer solchen Partnervermittlung um Dienstleistungen im Sinne der Z 1 oder um die Lieferung digitaler Inhalte iSd Z 11 des § 18 Abs 1 FAGG handelt, und ob die Beklagte mit ihrer Website- und sonstigen Vertragsgestaltung die Voraussetzungen für den Entfall des Rücktrittsrechtes nach einer dieser Bestimmungen erfüllt hat. Selbst wenn man dies bejahen wollte, wäre nämlich immer nur der anfängliche "Schnuppervertrag" betroffen. Hingegen fehlt es hinsichtlich des nachfolgenden Standardvertrags jedenfalls am ausdrücklichen Verlangen des Verbrauchers (Z 1) oder an seiner ausdrücklichen Zustimmung, verbunden mit der Kenntnisnahme vom Verlust des Rücktrittsrechts (Z 11), dass noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist mit der Dienstleistung oder Lieferung begonnen werde.
Weiters bestätigte das Gericht die Irreführung bzgl der Erkennbarkeit, dass das anfängliche kostenfreie Schnupperabo zu einer kostenträchtigen längeren Vertragsbindung wird: Das OLG folgt dem Erstgericht bzgl der blickfangartigen Darstellung der 14-tägigen Schnuppermitgliedschaft und der im Fließtext vergleichsweise unauffällig gehaltenen Möglichkeit einer daran anschließenden regulären Mitgliedschaft im Wege einer Zustimmungsfiktion.
Unzulässige Klauseln
Klausel 1: "Ich wünsche ausdrücklich, dass der Anbieter sofort nach dem Kauf ohne Verzögerung mit der Bereitstellung der digitalen Inhalte vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Mir ist bekannt, dass ich durch diese Zustimmung mit Bereitstellung der digitalen Inhalte mein Widerrufsrecht verliere." Die von der Beklagten selbst stammende klauselmäßige Textierung kann eine gebotene ausdrückliche Erklärung des Verbrauchers (s § 18 Abs 1 FAGG) nicht ersetzen. Stellt sich die angegriffene Formulierung somit als Versuch dar, eine ausdrückliche Verbrauchererklärung mittels vorformulierter Klausel auf gesetzwidrige Weise zu substituieren, liegt ein Verstoß gegen § 18 Abs 1 FAGG vor.
Klausel 2: "Damit ich alle Vorteile ohne Unterbrechung weiternutzen kann, verlängert sich die Mitgliedschaft, sofern ich nicht von meinem Kündigungsrecht, wie in den AGB geregelt, Gebrauch mache, um eine sich daran anschließende reguläre sechsmonatige Premium- Mitgliedschaft für nur EUR 89,90 monatlich."
Wirksamkeitserfordernis einer Verlängerungsfiktion ist es, dass der in § 6 Abs 1 Z 2 KSchG vorgesehene Hinweis des Verwenders in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblätter selbst aufgenommen ist. Dieser Hinweis fehlt in der Klausel.
Die ordentliche Revision wurde zugelassen. Das Urteil wurde schließlich rechtskräftig.
OLG Wien 28.9.2017, 4 R 52/17x
Klagsvertreter: Dr. Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwältin in Wien
Anmerkung:
Unzulässige Vertragsverlängerung:
Wer im Sinne dieses Urteils gegen seinen Willen von einer automatischen Vertragsverlängerung von dem Schnupperabo in die sechsmonatige Premiummitgliedschaft betroffen war und bei dem, bei Vertragsabschluss in den AGB die oben genannte Klausel 2 enthalten war, kann das vom Unternehmen für den Verlängerungszeitraum bereits eingezogene Entgelt zurückfordern. Wer wegen dieser gesetzwidrigen Vertragsverlängerung eine Entgeltzahlung bisher verweigert hat und daher auch mit Betreibungskosten konfrontiert war, muss auch diese nicht bezahlen.
Sofern die Dienste des Unternehmens im Verlängerungszeitraum aber dennoch weiter genutzt wurden, kann die Ideo Labs GmbH dafür ein anteiliges Entgelt fordern; in welcher Höhe dem Unternehmen ein solches Entgelt zustehen kann, ist im Einzelfall zu ermitteln. Achtung: Auch die Frage, ob und inwiefern dem Unternehmen ein Ersatz seiner Betreibungskosten zustehen könnte, ist in diesem Fall im Einzelnen zu prüfen.
Rücktrittsrecht
Ist der Unternehmer seiner Informationspflicht über das Rücktrittsrecht nach § 4 Abs 1 Z 8 nicht nachgekommen, so verlängert sich die 14tägige Rücktrittsfrist um zwölf Monate. Holt der Unternehmer die Informationserteilung innerhalb von zwölf Monaten nach, so endet die Rücktrittsfrist 14 Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher diese Information erhält.