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Erstmals Sammelklage gewonnen - Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude bei Brechdurchfall

Wurden die Sammelklagen des VKI bislang idR für die Geschädigten günstig verglichen, erging nunmehr - in einer Sammelklage gegen einen Reiseveranstalter wegen einer Brechdurchfall-Epidemie - erstmals in Österreich ein Urteil: Das Gericht spricht Schmerzengeld und Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude zu.

Im Sommer 2004 kam es im Hotel Green Fugla Beach unter den Reisenden zu einer plötzlichen Epidemie von Brech-Durchfall. Die Reisenden - viele Familien mit Kleinkindern - mussten den restlichen Urlaub im Hotelzimmer und zum Teil sogar im Krankenhaus verbringen. Viele waren auch noch nach Ende der Pauschalreise im Krankenstand.

Bei vielen Reisenden wurden Salmonellen festgestellt. Obwohl damit eine Infektion über die Speisen und/oder Getränke im All-Inklusiv-Club nahe lag, verweigerte der Reiseveranstalter Nazar (heute: First Choice Austria GmbH) die ausreichende Entschädigung der betroffenen Reisenden.

Das BMSK beauftragte in dieser Situation den Verein für Konsumenteninformation (VKI) die Geschädigten zu sammeln und deren Ansprüche in Form einer Sammelklage nach österreichischem Recht geltend zu machen. Auch vier Rechtsschutzversicherer schlossen sich - für ihre Kunden - dem Verfahren an. Für 37 Personen wurden rund 55.000 Euro Schaden eingeklagt. Nunmehr hat das Bezirksgericht für Handelssachen - nach jahrelangem Prozess - nahezu die gesammte Klagssumme zugesprochen.

Der Reiseveranstalter habe für das Verschulden seiner Leistungsträger einzustehen. Dem Kläger gelang es, den Anscheinsbeweis führen, dass - nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen - die Erkrankungen auf eine Salmonelleninfektion durch Speisen und/oder Getränke im Club zurückzuführen waren. Dem beklagten Reiseveranstalter gelang es dagegen nicht, zu beweisen, dass seine Erfüllungsgehilfen (das Hotel) daran kein Verschulden treffe.

Das Gericht sprach - je nach individueller Belastung - Schmerzengeld und auch Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude zu. Jene Personen, die persönlich erkrankt waren, bekamen pro Tag der Erkrankung im Urlaub 50 Euro zugesprochen; jene Personen, die ohne selbst zu Erkranken, Angehörige zu pflegen hatten, bekamen 30 Euro pro Tag.

BGHS Wien 29.8.2008, 14 C 1162/05t / 14 C 2043/05a
Klagevertreter: Dr. Gerhard Deinhofer

Das Verfahren zeigt deutlich die Vorteile und Probleme einer Sammelklage nach österreichischem Recht (Abtretung der Ansprüche nach § 502 ZPO auf den VKI, Klagshäufung nach § 227 ZPO) auf:

Die Sammelklage führt zu einer deutlichen Senkung des Kostenrisikos für beide Streitparteien. Im vorliegenden Fall wurden - für 37 Geschädigte - rund 55.000 Euro eingeklagt. Die gesamten Prozesskosten für die erste Instanz liegen bei rund 60.000 Euro; sind also nur unwesentlich höher, als der Gesamtstreitwert. Annähernd gleichzeitig wurde auch ein Individualverfahren - ebenfalls zu Schadenersatz aus Brechdurchfall im selben Hotel zum selben Zeitpunkt - geführt. Der Streitwert betrug rund 3000 Euro. Das Verfahren wurde in erster Instanz zunächst verloren, die zweite Instanz hat das Ureil aufgehoben und an die erste Instanz zurückverwiesen. Die bislang aufgelaufenen Kosten betragen rund 11.000 Euro; das ist mehr als das Dreifache des Streitwertes.

Damit erklärt sich, weshalb auch Rechtsschutzversicherungen im vorliegenden Fall sich an der Sammelklage des VKI beteiligt haben: Das Kostenrisiko ist geringer und die Chancen auf Durchsetzung sind (gerade hier, wo erst die große Zahl von Geschädigten einen Anscheinsbeweis schafft) größer.

Dazu kommt, dass man höhere Streitwerte - hat man keine Rechtsschutzversicherung - auch mit einem Prozesskostenfinanzierer absichern kann. Das bedeutet dann für die Geschädigten, dass sie überhaupt kein Kostenrisiko eingehen, aber bei Prozessgewinn eine Erfolgsprovision an den Finanzierer zahlen müssen.

Doch die Sammelklage hat auch Schwächen. Das beginnt dabei, dass man einen Verband finden muss, der sich die Ansprüche abtreten lässt und das Risiko auf sich nimmt, das Verfahren im eigenen Namen zu führen. Auch können viele Verbraucher nicht einsehen, weshalb sie ihren Anspruch zuerst abtreten sollen, bevor er durchgesetzt wird.

Doch gerade der vorliegende Fall zeigt auch einen rechtlichen Mangel auf: Ein Teil der Reisegruppe wohnt in Vorarlberg und buchte daher beim Schwesterunternehmen des Reiseveranstalters in Zürich. Bei einer grenzüberschreitenden Klage stellt sich die Frage, wo man klagen kann und welches Recht zur Anwendung kommt. Nach der EuGVVO (Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung) gibt es - in Verbrauchersachen - einen Verbrauchergerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers. Das hier anwendbare Lugano Abkommen sieht das auch so. Doch der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass bei einer Abtretung der Ansprüche an einen Dritten, der nicht Verbraucher ist, der Verbrauchergerichtsstand verloren geht. Dem ist hier auch der OGH gefolgt. Im vorliegenden Fall konnte mit der beklagten Partei aus der Schweiz eine Gerichtstandsvereinbarung geschlossen werden; deshalb wurden alle Fälle vor einem Gericht erledigt.

Die seitens des BMJ ausgearbeitete Gruppenklage würde die Nachteile der Sammelklage weitgehend auflösen und würde Gruppen von Geschädigten - seien es Reisende oder aber auch geschädigte Kleinanleger - eine effiziente Rechtsverfolgung ermöglichen.

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