Vor zirka drei Monaten gab die Europäische Kommission bekannt, dass sie gegen acht Banken Geldbußen für die Beteiligung an einem weitreichenden Preiskartell verhängt habe. In den Gesprächsrunden des sogenannten Lombard-Clubs seien Einlagenzinsen, Kreditzinsen und sonstige Preise zum Schaden auch von Verbrauchern festgelegt worden. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI), der am 14. 6. 2002 bei der Europäischen Kommission (GD Wettbewerb) Einsicht in den Lombard-Club-Kartell-Akt beantragte, wurde jedoch mit einem Schreiben vom 12.9. 2002 (vorerst) abgewiesen.
"Verfahren beeinträchtigt"
Die Argumentation der Zuständigen aus Brüssel: Der Zweck eines Kartellverfahrens vor der Kommission könnte beeinträchtigt werden, wenn der Kommission zugänglich gemachte Dokumente veröffentlicht würden. Betroffene Unternehmen würden interne Informationen nicht mehr zur Verfügung stellen, wenn sie mit deren Veröffentlichung rechnen müssten.
Um Schadenersatzansprüche erfolgreich geltend machen zu können, muss aus konkreten Absprachen der Banken für den jeweiligen Anspruchsteller ein konkreter Schaden behauptet und bewiesen werden. Wenn daher beispielsweise die Banken in einer Gesprächsrunde zunächst bekannt gegeben haben, welche Mindestkonditionen jede Bank selbst kalkuliert habe und dann ein gemeinsamer Gesamtvorschlag erstellt wird, der "de facto zu einer Zinserhöhung und Margenerweiterung" führen soll (Zitat aus Mitteilung der Beschwerdepunkte Pkt 219, 221), dann ist die genaue Kenntnis der von den Banken zunächst selbst kalkulierten Mindestkonditionen für die Berechnung eines allfälligen Schadens wesentlich. Solche und ähnliche Dokumente wären im Zuge einer Akteneinsicht zu prüfen.
Schadenersatz wäre schwieriger
Der VKI ist daher der Meinung, dass gerade die Verweigerung der Akteneinsicht für potenziell geschädigte Verbraucher bzw. deren Organisationen dazu führen wird, dass Schadenersatzansprüche gegen die Banken nicht oder nur schwerer geprüft und geltend gemacht werden können.
Die Entscheidung der Kommission hat die Konsequenz, dass die Banken zwar nach Brüssel hohe Strafgelder zahlen müssen, die Durchsetzung von Schadenersatz der Banken an geschädigte Bankkunden aber behindert wird. Das kann nicht der Sinn des EU-Kartellrechts sein. Es ist aber in diesem Fall das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen.
Antrag noch einmal
Der VKI wird nun einen formellen "Zweitantrag auf Akteneinsicht" an die Kommission richten. Sollte auch der Zweitantrag zurückgewiesen werden, wird die Rechtsfrage beim Gerichtshof erster Instanz zu klären sein. Ein solcher Musterprozess um Akteneinsicht wäre im Interesse der Verbraucher in ganz Europa, um das Kartellrecht auch für die Geschädigten von Absprachen in der Praxis anwendbar zu machen".