Probleme bei Lebensversicherungen gibt es - unter anderem - dann, wenn man seine Lebensversicherung vorzeitig kündigt bzw. auflöst (Fachbegriff: Rückkauf). Beim Rückkauf erlebt man nämlich oft eine böse Überraschung. Man erhält - wenn überhaupt - nur einen Bruchteil jenes Betrages, den man an Prämien einbezahlt hat, den sogenannten "Rückkaufswert". Den Rest schluckt die Versicherung.
Dies liegt daran, dass am Beginn der Laufzeit hohe Kosten abgezogen werden - so genannte "Abschlusskosten". Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Provisionen des Vermittlers. Diese Provision berechnet sich meist nach einem Prozentsatz der Prämien, welche über die gesamte - ursprünglich vereinbarte - Laufzeit einbezahlt werden sollen (z.B. 4 % der Gesamtprämiensumme). Diese Provision wird zur Gänze am Beginn der Laufzeit verrechnet. Darüber hinaus werden bei einem Rückkauf mitunter auch weitere hohe Abzüge - so genannte Abschläge - verrechnet. Der Schaden kann pro Vertrag bis zu tausend Euro und mehr betragen.
In den Versicherungsbedingungen werden die Nachteile dieser Kostenverrechnung - aus Sicht des VKI - oft nur mangelhaft erklärt. Somit ist für Konsumenten nicht erkennbar, dass eine vorzeitige Auflösung der Lebensversicherung zu massiven Verlusten führt. Der Schaden kann pro Vertrag bis zu tausend Euro und mehr betragen. Die Versicherungsbedingungen sind aus Sicht des VKI somit "intransparent".
Hier ein Beispiel für solche - aus Sicht des VKI - intransparenten Bestimmungen:
"Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien. Er errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes, unter Berücksichtigung eines Abschlages auf die tarifliche Deckungsrückstellung und der angefallenen Kosten, nach den tariflichen Grundsätzen."
Auch die Abschläge sind nach dieser Bestimmung nicht nachvollziehbar und somit ebenfalls "intransparent".
Der VKI geht - im Auftrag des BMSG - gegen derartige unklare Bestimmungen in Lebensversicherungsverträgen vor und hat mittlerweile bereits mehr als 10 Versicherungen wegen unklarer Regelungen geklagt.
Intransparente Bedingungen verstoßen gegen die gesetzlichen Vorgaben und sind daher grundsätzlich unwirksam. Wenn dies auch von den Gerichten bestätigt wird, kann es nach Einschätzung des VKI nicht bei dieser Art der Kostenverrechnung bleiben. Denn die Grundlage für diese - oben dargestellte - Kostenverrechnung fällt dann weg.
Fällt die vertragliche Vereinbarung zur Überwälzung von Abschlusskosten der Versicherung auf den Versicherungsnehmer weg, dann könnte man zur Ansicht gelangen, dass der Versicherungsnehmer - mangels Vereinbarung - gar keine Kosten zu tragen hat. (In Deutschland gibt es für diese Position sowohl Urteile, die ihr folgen, als auch solche, die diese Position ablehnen. Es gibt noch keine Entscheidung des BGH.)
Man kann aber auch - nach dem hypothetischen Parteiwillen - von einer grundsätzlichen Überwälzung der Kosten ausgehen und es fällt nur die konkrete - für den Versicherungsnehmer nachteilige - Gestaltung weg. Fraglich bleibt in diesem Zusammenhang, in welchem Umfang Abschlusskosten verrechnet werden können und welcher Teil der bezahlten Kosten bei einem Rückkauf zurückverlangt werden kann.
Eine Klarstellung durch die Gerichte zu dieser Frage fehlt. Denkbar sind hier mehrere Varianten.
Inwieweit Abschlusskosten verrechnet werden können, hängt rechentechnisch davon ab, auf welchen Zeitraum diese fraglichen Kosten zu verteilen sind. (Zur Erinnerung: In den meisten Fällen haben die Versicherungen die Abschlusskosten einseitig am Vertragsbeginn verrechnet, was dazu führt, dass der Rückkaufswert in den ersten Jahren null beträgt oder sehr niedrig ist.)
Man könnte die Abschlusskosten etwa auf die ersten 10 Jahre aufteilen. Dann müsste der jeweils betroffene Konsument jeweils nur jene Kosten anteilig bezahlen, die bis zum Zeitpunkt des Rückkaufes angefallen sind (Beispiel: Rückkauf nach 5 Jahren Laufzeit führt dann zur Bezahlung von 50 % der Abschlusskosten, der Rest kann zurückverlangt werden. )
Es ist aber auch denkbar, dass die Kosten auf die gesamte - ursprünglich vereinbarte - Laufzeit des Versicherungsvertrages aufgeteilt werden. Bei einem Vertrag mit 20 Jahren Laufzeit würde dies dazu führen, dass nach einem Rückkauf nach 5 Jahren nur 25 % der Abschlusskosten zu bezahlen sind, der Rest kann zurückverlangt werden).
Eine Verteilung der Kosten auf die gesamte Laufzeit erschiene aus Sicht des VKI angemessen. Im Übrigen erlaubt nur eine Verteilung der Abschlusskosten auf die gesamte ursprünglich vereinbarte Laufzeit eine Berechnung des Rückforderungsanspruches. Der VKI geht daher im Rahmen der Sammelintervention von einer Verteilung der Abschlusskosten auf die gesamte Laufzeit aus.
Bei den Abschlägen führt eine gesetzwidrige Regelung nach Ansicht des VKI dazu, dass derartige Abschläge - soweit es keine andere Grundlage geben sollte - gar nicht verrechnet werden können.
Wer ist betroffen?
Betroffen sind jene Konsumenten, die eine Lebensversicherung ab dem 1.1.1997 abgeschlossen und in den letzten drei Jahren vorzeitig aufgelöst ("rückgekauft") haben. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um eine klassische oder um eine fondsgebundene Lebensversicherung handelt.
Voraussetzung in allen Fällen ist auch, dass in den Versicherungsbedingungen die Verrechnung der Abschlusskosten und Abschläge nur undeutlich erläutert ist (siehe oben).
Soweit unzulässige Stornoabschläge verrechnet wurden, sind Ansprüche auf Richtigstellung auch bei Lebensversicherungen denkbar, die ab dem 1.1.1995 abgeschlossen wurden. Im Rahmen dieser Sammelintervention ist eine Behandlung dieser Fälle aber nicht möglich.
Ansprüche auf (richtige) Abrechnung von Versicherungsverträgen verjähren im Lichte der Judikatur in drei Jahren. Wer sich also gegen den zu geringen Rückkaufswert wehren möchte, muss letztlich innerhalb von drei Jahren ab Rückkauf eine Klage gegen die Versicherung einbringen.
Liegt der Rückkauf mehr als drei Jahre zurück, sind Ansprüche auf Auszahlung auf Grund der eingetretenene Verjährung aus heutiger Sicht nicht mehr durchsetzbar.
Wenn Gerichte in den Verbandsverfahren des VKI bestätigen, dass die Bestimmungen in den Versicherungsbedingungen gesetzwidrig sind, können die betroffenen Versicherungsnehmer von der Versicherung unter Berufung auf diese Urteile Geld zurück verlangen. Die Verfahren werden allerdings bis zu ihrem Abschluss einige Zeit dauern. Bei vielen Betroffenen stellt sich daher das Problem, dass ein Anspruch auf (richtige) Abrechnung nach Beendigung der Gerichtsverfahren verjährt sein könnte und daher dann keine Geltendmachung mehr möglich ist.
Sammelintervention
Der VKI geht davon aus, dass viele Personen ihre Lebensversicherung vorzeitig rückkaufen und es daher entsprechend viele Geschädigte gibt.
Der VKI führt daher folgende Sammelintervention durch: KonsumentInnen, die ihre Lebensversicherung nach dem 1.1.1997 abgeschlossen haben und in den letzten drei Jahren rückgekauft haben, können sich an den VKI wenden, indem sie einen Fragebogen für eine Sammelintervention ausfüllen und gemeinsam mit den erforderlichen Unterlagen einsenden.
Der VKI wird die Rückmeldungen auswerten und in allen geeigneten Fällen die Beteiligung an einer Sammelintervention gegenüber der jeweiligen Versicherung anbieten. Für die Beteiligung an der Sammelintervention wird ein Unkostenbeitrag in Höhe von 70 Euro in Rechnung gestellt.
P.S.: KONSUMENT sucht für einen Performance-Test von Lebensversicherungen Versicherungsnehmer, die dazu Daten zur Verfügung stellen. Näheres auf www.konsument.at.