Am 11.6.2002 wurde von der Europäischen Kommission in einer Presseaussendung die Verhängung von Geldstrafen über 8 österreichische Banken im "Lombard-Club"-Kartellfall bekanntgemacht. Die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung liegt noch nicht vor. Die EU-Kommission spricht von einem im höchsten Maße institutionalisierten Preisfestsetzungssystem. Bei den Gesprächsrunden seien die Einlagenzinssätze, Kreditzinsen und sonstige Sätze zum "Schaden der Unternehmer und der Verbraucher" in Österreich festgelegt worden.
"Institutionalisiertes Preisfestsetzungssystem"
Mit Urteil vom 20.9.2001 hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache C 453/99 (Courage gegen Crehan) im Wesentlichen ausgesprochen, dass die praktische Wirksamkeit des Artikel 81 EG-Vertrag beeinträchtigt wäre, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen wettbewerbsbeschränkenden Vertrag oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist.
Dass bei einem derartigen Sachverhalt auch nach nationalem Recht Schadenersatzansprüche Dritter bestehen (können), ist in der einschlägigen österreichischen Fachliteratur durchaus anerkannt (vgl. Eilmannsberger, Schadenersatz wegen Kartellverstoßes: Zum EuGH-Urteil Courage/ Crehan, ecolex 2002, 28; Stillfried/Stockenhuber, Schadenersatz bei Verstoß des Kartellverbot des 85 EG-V, wbl 1995, 301; Koppensteiner, Wettbe-werbsrecht3 (1997) RZ 87 ff.; zur deutschen Rechtslage vgl. Gleiss/Hirsch, Kommentar zum EG-Kartellrecht4, (1993) Band 1, RZ 1723 ff.). Judikatur zu dieser Frage fehlt weitgehend.
Schadenersatzanspruch anerkannt
Für Wettbewerbsverstöße gegen das UWG wurde durch den OGH aber bereits ein Schadenersatzanspruch für Verbraucher anerkannt (OGH 24. 2. 1998, 4 Ob 53/98, KRES 10/76). Es kann also davon ausgegangen werden, dass auch Art. 81 EG-Vertrag bzw. innerstaatliche Normen gegen Kartellbildungen Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB darstellen und Verletzungen dieser Schutzgesetze schadenersatzpflichtig machen. Das wäre jedenfalls in Musterprozessen mit Aussicht auf Erfolg zu klären.
Macht man Schadenersatz geltend, so muss dargelegt werden:
- der Eintritt eines Schadens
- das rechtswidrige Verhalten des Schadenersatzpflichtigen (Verletzung eines Schutzgesetzes)
- die Kausalität des rechtswidrigen Verhaltens für den Eintritt des Schadens
- ein Verschulden beim Schadenersatzpflichtigen
Um die Punkte c) und d) als Voraussetzung für Schadenersatzansprüche von Verbrauchern gegen Banken seriös beurteilen zu können, muss man die der Kommission vorliegenden Unterlagen und Beweisergebnisse genau kennen. Zwar wurde die "Mitteilung der Beschwerdepunkte der EU-Kommission" (rund 50 Seiten mit Darlegung der verschiedenen vorgeworfenen Absprachen) zwischenzeitlich von K.H.Petritz im Heft "Banken-Kartell" öffentlich gemacht, dennoch ist die Akteneinsicht bei der EU-Kommission zur Einschätzung von Klags-Chancen unabdingbar.
Antrag auf Akteneinsicht
Der VKI hat daher am 14.6.2002 an die EU-Kommission den Antrag gestellt, Akteneinsicht zu bekommen. Auch diese Akteneinsicht könnte umstritten werden. So hatte die BAWAG gegen die Stattgebung einer Akteneinsicht durch die Europäische Kommission zugunsten der FPÖ beim Gerichtshof der ersten Instanz Rechtsmittel ergriffen und war abgewiesen worden (T-214/01 R). Es ist - soweit absehbar - Neuland, wenn nun mit dem VKI eine große europäische Verbraucherorganisation Akteneinsicht begehrt. Auch die Entscheidung darüber wird Mustercharakter haben.
Erst nach einer Akteneinsicht und einer rechtlichen und sachverständigen Beurteilung des Aktenmaterials wird sich mit Sicherheit sagen lassen, ob und welche Ansprüche Verbraucher aus dem Rechtstitel des Schadenersatzes gegen Banken geltend machen können. Es wäre eine Beweiskette von einer konkreten Absprache zu einem konkreten Schaden für den jeweiligen Kläger zu knüpfen. Ob dies gelingt ist derzeit nicht absehbar.
Entscheidungsentwürfe
Dabei wird auch die Ausfertigung der Entscheidung der Europäischen Kommission zu beachten sein. Die Europäische Kommission hat dem Vernehmen nach die Entscheidungsentwürfe den betroffenen Banken zugestellt, damit diese auf allenfalls in der Entscheidung enthaltene Geschäftsgeheimnisse hinweisen können. Erst nach diesen Rückmeldungen wird die Endfassung der Entscheidungen erstellt werden.
Schadenersatz wegen Kartellabsprache
Im Streit um zuviel verrechnete Kreditzinsen bei Krediten aus der Zeit vor 1.3.1997 kann das Thema "Bankenkartell" - wenn sich dafür Anhaltspunkte finden lassen - dazu führen, dass man Klagsansprüche nunmehr auch auf den Titel des Schadenersatzes wegen Kartellabsprache stützen wird können.
Der VKI wird jedenfalls über den Fortgang der Rechtssache berichten.