Zum Inhalt

Info: Zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften

Wir haben in den letzten Jahren des öfteren von Urteilen zu sittenwidrigen Bürgschaften berichtet. Hier soll einerseits die Rechtslage und andererseits die wesentliche Rechtsprechung zusammengefasst werden.

Sittenwidrige Bürgschaftsverpflichtungen

Der OGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1995 (OGH 27.3.1995, 1 Ob 544/95, KRES 3/86b) festgehalten, dass eine Bürgschaftsverpflichtung unter gewissen Umständen als sittenwidrig einzustufen ist. In der Folge hat der Gesetzgeber mit der KSchG-Novelle 1997 die Bestimmungen des § 25c KSchG (Hinweispflicht der Bank auf die schlechte wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners) und des § 25d KSchG (richterliches Mäßigungsrecht der Bürgschaftsverpflichtung) geschaffen. Beide Bestimmungen sind nur auf Verträge anwendbar sind, die nach dem 28.2.1997 geschlossen wurden. Die Rechtsprechung des OGH zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften ist aber weiterhin neben diesen beiden KSchG-Bestimmungen zu beachten.

Kreditgeber in die Pflicht genommen

Zunächst ist immer zu prüfen, ob die folgenden Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit vorliegen und die Bürgschaftsverpflichtung somit zur Gänze unwirksam ist:

  • Inhaltliche Missbilligung des Bürgschaftsvertrages,
  • Missbilligung der Umstände seines Zustandekommens in Form verdünnter Entscheidungsfreiheit sowie
  • Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis dieser beiden Faktoren durch den Kreditgeber

Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Zur besseren Verständlichkeit dieser drei Voraussetzungen lassen sich aus der Rechtsprechung folgende Anhaltspunkte ableiten:

  • Das faktische Übergewicht der Bank bei den Verhandlungen
  • Missverhältnis zwischen der Höhe der Verbindlichkeit und dem Einkommen
  • Überschuldung des Hauptschuldners bereits zum Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaftsverpflichtung
  • Kredit bereits ausbezahlt, sodass die Bürgschaft nur der nachträglichen Absicherung dient
  • Kein unmittelbares Eigeninteresse bzw. kein unmittelbarer Vorteil für den Bürgen
  • Verharmlosung des aus der Haftung resultierenden Risikos
  • Keine oder unzureichende Aufklärung über das Risiko
  • Überrumpelungssituation
  • Wirtschaftliche Abhängigkeit zum Hauptschuldner bzw. seelische Zwangslage

Der OGH nimmt außerdem an, dass eine Sittenwidrigkeit nur vorliegt, wenn es sich bei dem Hauptschuldner und dem Bürgen um nahe Familienangehörige handelt (also zwischen Ehegatten oder zwischen Kind und Eltern). Außerdem dürfen keine selbständigen Lebensbereiche mit einer daraus folgenden Lockerung der emotionalen Bindung gegeben sein. Daher verneint der OGH etwa die Sittenwidrigkeit bei einer Bürgschaft für den eigenen Bruder bei getrennt lebenden erwachsenen Geschwistern. (OGH 30.6.1998, 1 Ob 87/98w, Informationen zum Verbraucherrecht 9/1998)

Einzelfälle sittenwidriger Bürgschaften aus der Rechtsprechung:

- Bürgschaft für einen Kredit von 300.000 Euro (21.801,85 Euro), Bürgin ist Schwester der Hauptschuldnerin, eigenes Einkommen: 10.000 Euro (726,73 Euro), kein Eigeninteresse der Bürgin, Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Bürgin, Verharmlosung der Bürgschaft, Zwangslage (OGH 10.7.1997, 2 Ob 156/97y, Informationen zum Verbraucherrecht 1/1998)

Bürgin ohne Einkommen und Vermögen

- Bürgschaft für einen Kredit von 12.000.000 Schilling (872.074,01 Euro) für die Firma des Ehegatten, Bürgin ist Ehegattin des Hauptschuldners, Bürgin ist einkommens- und vermögenslos, keine Information über das Risiko durch die Bank, Kredit notwendig für den Weiterbestand der Firma des Ehegatten, keine Beteiligung der Ehegattin an der Geschäftsführung der Firma (OGH 16.2.2000, 7 Ob 217/99h, Informationen zum Verbraucherrecht 5/2000).

- Bürgschaft für einen Kredit von 450.000 Schilling (32.702,78 Euro) für die Firma des Ehegatten, Bürgin ist einkommens- und vermögenslos, Bürgin an den Geschäften des Ehegatten nicht beteiligt und nicht davon informiert, große Wahrscheinlichkeit für eine Inanspruchnahme der Bürgin zum Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaftsverpflichtung, keine Aufklärung über die finanzielle Situation des Ehegatten durch die Bank, Vorliegen einer seelischen Zwangslage (LG f. ZRS Wien 25.5.2001, 13 Cg 3/00g, Informationen zum Verbraucherrecht 9/2001)

Soweit eine Sittenwidrigkeit von der Rechtsprechung verneint wird, kann § 25d KSchG zur Anwendung kommen, was zu einer Mäßigung der Verpflichtung führt (siehe dazu Informationen zum Verbraucherrecht 11/2000 mit OGH 25.7.2000, 1 Ob 107/00t, und OGH 28.6.2000, 6 Ob 117/00z).

Einige Entscheidungen des OGH wurden von Rechtsanwalt Dr. Benedikt Wallner erwirkt. Dr. Wallner ist Vertrauensanwalt des VKI und Experte im Bereich Sittenwidrigkeit von Interzessionen.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail
unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang