Dem VKI werden immer wieder Beschwerden zur Kenntnis gebracht, wo anlässlich einer Luftbeförderung Reisegepäck abhanden kommt bzw. beschädigt wird. Wurde keine Reisegepäckversicherung abgeschlossen, so stellt sich die Frage, wer für diesen Schaden einzustehen hat.
Als Rechtsgrundlage für solche Schadenersatzansprüche ist das Warschauer Abkommen (WA) , ein internationaler Vertrag (in Österreich in Gesetzesrang), anzuwenden. Es sieht vom KSchG abweichende Haftungsbeschränkungen vor, die auch für Verbrauchergeschäfte gelten.
In Art. 24 WA wird festgelegt, dass bei Personen-, Sach- und Verspätungsschäden nur die Bestimmungen des WA anzuwenden sind. Daraus zieht die Lehre den Schluss, dass Schadenersatzansprüche aus anderen Rechtstiteln ausgeschlossen sind (vgl. Zechner RZ 447f und Koziol, Haftpflichtrecht II 503). Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) geht ebenfalls davon aus, dass die Vergünstigungen bzw. Beschränkungen, die das WA für die Luftbeförderung normiert, auch für jede andere Haftungsnorm, die nach nationalem Recht in Betracht kommt, gelten (vgl. BGH, NJW 1974, 1619, RRa 10/97, 206).
Das WA gilt weltweit für jede internationale Beförderung von Personen, Reisegepäck oder Gütern, die durch Luftfahrzeuge gegen Entgelt erfolgt.
Die Ersatzpflicht des Luftfrachtführers bezieht sich gemäß Art 17-19 WA auf Personen-, Sach- und Verspätungsschäden, wobei die Haftung für Personen- und Sachschäden allerdings durch verschiedene - nicht mehr zeitgemäße - Haftungshöchstbeträge beschränkt ist.
Der Begriff "internationale Beförderung" ist in
Art 1 WA definiert. Demnach ist das Abkommen auf Beförderungen anwendbar, wenn der Abgangs- und Bestimmungsort in den Gebieten von zwei Vertragsstaaten liegen bzw. wenn der Abgangs- und der Bestimmungsort zwar im Gebiet eines Vertragsstaates liegen, allerdings eine Zwischenlandung in einem anderen Staat vorgesehen ist, gleichgültig ob dieser Vertragsstaat ist oder nicht.
Als Ersatzpflichtiger wird der "Luftfrachtführer" bezeichnet. Darunter versteht man denjenigen, der vertraglich die Beförderung von Personen oder Sachen auf dem Luftweg als eigene Leistung verspricht. Das kann der Charterer, Luftfahrzeughalter oder auch der Luftverkehrsunternehmer sein. Entscheidend ist nicht, ob der Luftfrachtführer die Beförderung selbst ausführt oder sie einem Dritten überträgt.
Auch der Reiseveranstalter, der eine internationale Luftbeförderung als Eigenleistung anbietet, ist Luftfrachtführer im Sinne des WA (vgl. OGH 28.8.1986, 8 Ob 561/86, RdW 1987,52 und LG Düsseldorf 31.1.1997-22 S 41/96, RRa 10/97, 205). Man kann daher Schadenersatzansprüche ihm gegenüber auch nur unter den Haftungsbeschränkungen des WA geltend machen.
Gemäß Art.18 WA hat der Luftfrachtführer den Schaden zu ersetzen, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck oder von Gütern entsteht, wenn das schädigende Ereignis während der Luftbeförderung eingetreten ist.
Mit dem Ausdruck "Luftbeförderung" ist auch der Zeitraum gemeint, während dessen das Reisegepäck sich auf einem Flughafen, an Bord eines Luftfahrzeuges oder an einem beliebigem Ort unter der Obhut des Luftfrachtführers befindet.
Kann der Luftfrachtführer seine Schuldlosigkeit und die seiner Erfüllungsgehilfen beweisen, so trifft ihn keine Ersatzpflicht.
Nach der Haftungsgrenze in Art.22 WA haftet der Luftfrachtführer - bei Sachschäden - aber nur bis zu einem Betrag von 250 Franken; das entspricht derzeit rund 240.- Schilling - für das Kilogramm Gepäck (siehe zur Umrechnung HG Wien 21.6.1983, 1 R 145/83). Das bedeutet, dass man in der Regel bei weitem nicht den Zeitwert des Reisegepäckes ersetzt bekommt.
Ausnahme von der Haftungsbeschränkung:
- Die oben erwähnte Haftungsbeschränkung für Sachschäden gilt dann nicht, wenn der Absender bei Aufgabe des Gepäcks das Interesse an der Lieferung besonders deklariert und den allenfalls vereinbarten Zuschlag entrichtet hat. In diesem Fall hat der Luftfrachtführer gemäß Art. 22 WA bis zur Höhe des deklarierten Betrages Ersatz zu leisten. Hat der Kunde wertvolles Gepäck, so sollte er dies jedenfalls deklarieren.
- Der Luftfrachtführer kann sich nach Art. 25 WA auch dann nicht auf die Haftungsbeschränkung berufen, wenn nachgewiesen wird, dass der Schaden durch eine Handlung oder Unterlassung des Luftfrachtführers oder seiner Leute verursacht worden ist, die entweder in der Absicht, Schaden herbeizuführen oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen wurde, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Nach einer Entscheidung des OGH (OGH 10.10.1974, 2 Ob 156, 157/74, EvBl 1975/135= SZ 47/106) ist unter "Leichtfertigkeit" im Sinne des WA "grobe Fahrlässigkeit" zu verstehen.
Die Beweislast bezüglich des Vorliegens schweren Verschuldens trifft den Geschädigten. Er muss auch beweisen, dass die Gehilfen als Erfüllungsgehilfen tätig waren. Hat der Erfüllungsgehilfe selbst rechtswidrig und schuldhaft gehandelt, so kann er vom Geschädigten neben dem Luftfrachtführer in Anspruch genommen werden. Ist dem Gehilfen ein Verschulden gemäß Art.25 WA vorzuwerfen, so haftet auch er unbeschränkt.
[Der VKI hat die Absicht einen Musterprozess gegen einen Reiseveranstalter zu führen, um die Frage zu klären, unter welchen Umständen einem Veranstalter bzw. der Fluglinie grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Selbst wenn grobe Fahrlässigkeit verneint würde, käme immer noch ein Gewährleistungsanspruch gegen den Veranstalter (Minderung des Reisewertes infolge Unannehmlichkeiten vgl. Zechner, Reisevertragsrecht, RZ 447) in Betracht.]
Die Europäische Union hat auf die niedrigen Haftungsgrenzen des WA für den Bereich von Personenschäden reagiert und eine Verordnung erlassen, die im Oktober 1998 in Kraft treten und neue Haftungsregelungen bringen wird. Wie die Erfahrungen allerdings zeigen, ist aber auch die vorgesehene Ersatzleistung für Sachschäden nach dem WA kaum der Rede wert. Es bleibt zu hoffen, dass die Haftungsgrenzen für Sachschäden international ebenfalls angehoben werden.
Mag. Ursula Kogler
Rechtsabteilung des VKI