Wien (APA) - In Sachen geschlossene Fonds, die oft in Immobilien in Holland investierten, gibt es erneut ein Urteil gegen eine Raiffeisenbank. Das Landesgericht Krems geht nicht nur ungewöhnlich ausführlich auf die Risiken zweier MPC-Fonds ein, sondern lässt auch mit einer Aussage zu irreführenden Verkaufsprospekten aufhorchen: Schon diese im Bank-Foyer aufzulegen sei fatal.
Der Kläger hatte im Jahr 2005 zwei Hollandfonds des deutschen Emissionshauses MPC gezeichnet. Die MPC-Werbeprospekte hatte er im Eingangsbereich seiner Hausbank, der Raiffeisenbank Region Waldviertel, aufgefunden. Unter dem Titel "7 auf einen Streich" wird der exklusiv bei Raiffeisen erhältliche "Sachwert Rendite-Fonds Holland 59" als "Investment mit einem Höchstmaß an Sicherheit!" beworben. "Sieben außergewöhnliche Immobilien, Top-Mieter und langfristige Mietverträge sichern Ihnen regelmäßige Ausschüttungen - und dies sogar zweimal pro Jahr!", heißt es da
Dem war nicht so, die Fonds gerieten unter Wasser, der Anleger zog vor Gericht. Dieses stellte nun, zehn Jahre später, justament sieben Beratungsfehler fest; zehn hatte er geltend gemacht.
Das Besondere an dem nicht rechtskräftigen Urteil: "Der Richter hat sich die Verkaufsprospekte sehr genau angesehen und kam zur klaren Aussage, dass diese irreführend waren", so der Anwalt des Anlegers, Sebastian Schumacher, zur APA. Auf Basis dieses Urteils lassen sich dem Rechtsvertreter zufolge "durchaus Prospekthaftungen gegenüber der MPC-Gruppe geltend machen."
Genau das hat nun der Verein für Konsumenteninformation (VKI) vor, nachdem die Mediation mit MPC am 8. September gescheitert ist. "Wir werden Schritt für Schritt für die wichtigsten Fonds Prospekthaftungen gegen MPC nach dem Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) in Hamburg geltend machen", sagte VKI-Rechtschef Peter Kolba zur APA. Eine solche Klage hat der VKI in Deutschland bereits eingebracht. "Es geht für die rund 2.500 Geschädigten immerhin um Schadenersatzansprüche von 170 Mio. Euro", so Kolba. Auch in Österreich sind in der Causa bereits Musterverfahren sowie eine VKI-Sammelklage gegen die Hypo Steiermark anhängig. Zusätzlich sind zahlreiche - meist rechtsschutzversicherte
- Anleger privat gegen (ehemalige) österreichische MPC-Gesellschaften vor den Kadi gezogen.
Am aktuellen Urteil gegen die Waldviertler Raiffeisenbank dürfte den Anlegervertretern vor allem folgender Satz gefallen: "Wenn sie (die Bank) diese Broschüren in ihrem Geschäftslokal zur Entnahme durch ihre Kunden auflegt, ist sie ... wegen der dadurch von ihr geschaffenen Gefahrenlage verpflichtet, Interessenten auf die Irreführung aufmerksam zu machen."
"Da trifft das Gericht den Nagel auf den Kopf", meint Schumacher. "Die Prospekte waren so stark irreführend, dass viele Leute geglaubt haben, sie haben einen sicheren und ertragreichen Fonds."
Der Kremser Richter hat sich in seinem 33 starken Entscheid eingehend mit der Beratung mit den beiden MPC-Produkten auseinandergesetzt und kam zum Schluss, dass der Bankmitarbeiter den Kläger über mehrerlei Risiken und Gefahren der Anlage nicht aufgeklärt habe.
So seien etwa "das hohe Verlustrisiko und das Totalverlustrisiko
... vom Angestellten der Beklagten verharmlost" worden. "Der Verweis auf die vorhandenen Substanzwerte war insofern falsch, weil die Immobilien zugunsten der fremdfinanzierenden Bank verpfändet waren und deshalb keine Sicherheit für Anleger darstellten", so das Gericht. Der Kläger wurde dem Urteil zufolge auch "nicht darüber aufgeklärt, dass Ausschüttungen im Wesentlichen Teilrückzahlung der Kommanditeinlagen sind."
Das Problematische bei geschlossenen Fonds wie Holland- oder Schiffsfonds war, dass die Anleger Kommanditisten einer KG wurden. Daher waren die erfolgten Auszahlungen keine Zinsen, sondern Rückzahlungen des Eigenkapitals. Das ausgeschüttete Geld kann von der Gesellschaft zurückgefordert werden - im Pleitefall kann das auch der Masseverwalter tun. Da viele der von österreichischen Banken vor der Krise großflächig vertriebenen Holland- oder Schiffsfonds mittlerweile unter Wasser sind, sehen sich Anleger nun mit derartigen Rückforderungen konfrontiert.
Umstritten waren auch die hohen "Weichkosten" der Holland- und Schiffsfonds - also Gebühren und Provisionen, die sich die Banken oder diverse Vertriebsgesellschaften abzwackten, sodass am Ende nur rund drei Viertel des Anlegergeldes tatsächlich bei den Schiffen oder Büroimmobilien in den Niederlanden ankamen. Von Kick-back-Zahlungen, die Banken zusätzlich zum Ausgabeaufschlag (Agio) kassierten, wussten die Kunden oft nichts.
Im aktuellen Fall sei der Kläger "nicht einmal ansatzweise" über die Weichkosten informiert worden, wie das Gericht feststellte. Auch, dass der Anleger als Kommanditist fünf Jahre nachhaften könnte, sei bei den Beratungsgesprächen kein Thema gewesen.
Der Richter bezeichnete geschlossene Fonds als "besonders gefahrengeneigte Produkte". "Dass sich die Gefahren solcher Anlageformen während der Bildung der Blase selten verwirklicht haben, ist der Natur derartiger Wirtschaftszyklen zu verdanken und nicht der Qualität des Produkte."
Die Bank hätte dem Kläger, der im gesamten Jahr 2004 laut Urteil nur 1.800 Euro verdient und als Anlageziel "Vorsorge" angegeben hatte, dieses "Hochrisikoprodukt" jedenfalls nicht verkaufen dürfen, so das Gericht.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Bei der Raiffeisenbank Region Waldviertel überlegt man noch, ob man in Berufung gehen will, wie es auf APA-Anfrage hieß. Da das noch nicht entschieden sei, könne man inhaltlich keine Stellungnahme abgeben.