Im konkreten Fall erwarb der Kläger 2005 und 2007 Genussscheine an der AvW-Gruppe AG (= Emittentin) im Umfang von knapp EUR 20.000 über Vermittlung der AvW-Invest AG (= Vermittlerin). Am 4.5.2010 wurde über das Vermögen von AvW-Gruppe und AvW-Invest das Insolvenzverfahren eröffnet.
Nachdem der OGH in der Vergangenheit den Anspruch eines Genussscheininhabers auf Entschädigung verneint hatte (1 Ob 242/12p), weil diese nicht zur Deckung von Ansprüchen aus einer Fehlberatung zur Verfügung steht, wurde die Entschädigungspflicht vom OGH nunmehr in einer aktuellen Entscheidung bejaht (vgl bereits 8 Ob 45/13w). Voraussetzung dafür ist, dass sich der Kläger nicht nur auf die Vermittlung der Genussscheine und eine Fehlberatung beruft, sondern auf ein mittelbares Halten von Kundengeldern durch die Vermittlerin. Dieses liegt dann vor, wenn zwischen Vermittlerin und Emittentin wirtschaftliche oder personelle Verflechtungen bestehen. Ob letzteres bei AvW-Invest und AvW-Gruppe der Fall ist, ist vom Erstgericht noch zu klären.
Dass die Anlegerentschädigung grundsätzlich auch für Schuldverschreibungen gilt (8 Ob 45/13w) und auch dann zusteht, wenn die Mitgliedschaft zur AeW im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits beendet war (10 Ob 50/12v; 8 Ob 45/13w), entspricht bereits gesicherter OGH-Rsp. Erstmals spricht der OGH darüber hinaus aus, dass die Entschädigungspflicht unabhängig davon besteht, ob die Genussscheine Eigenkapitalcharakter haben (offen lassend noch 8 Ob 45/13w).
Die von der Entschädigungseinrichtung eingewandte analoge Anwendung des Verbots der Einlagenrückgewähr (§ 52 AktG) steht dem (drittgerichteten) Anspruch des Genussscheininhabers demnach nicht entgegen.
OGH 27.07.2013, 4 Ob 89/13m
Anmerkung:
Für eine erstmalige Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen ist es mittlerweile zu spät. Diese sind gem § 76 Abs 2 WAG innerhalb eines Jahres ab Konkurseröffnung (hier: 4.5.2010) bei der Entschädigungseinrichtung anzumelden. Wurde die Frist versäumt, besteht nur dann ein Entschädigungsanspruch, wenn der Anleger nachweisen kann, dass ihm eine zeitgerechte Anmeldung aufgrund besonderer Umstände (zB Auslandsaufenthalt, Krankheit) nicht möglich war (§ 93 Abs 3c BWG).
Für alle, die ihre Ansprüche seinerzeit fristgerecht – dh grundsätzlich bis 5.5.2011 – bei der AeW-GmbH angemeldet haben und von dieser abgelehnt wurden, eröffnet das Urteil aber realistische Chancen auf eine Entschädigung bis zu EUR 20.000. Die Verjährungsfrist für eine klagsweise Durchsetzung beträgt 30 Jahre und ist daher noch nicht abgelaufen.