Zum Inhalt

OGH: Leistungspflicht des Kaskoversicherers bei grober Fahrlässigkeit des Lenkers

Der Verzicht der Kaskoversicherung auf das Regressrecht nach § 67 VersVG gegenüber dem berechtigten Lenker führt dazu, dass die Versicherung dem Versicherungsnehmer einen Schaden auch dann zu ersetzen hat, wenn der Lenker - hier beim Abstellen des in der Folge weggerollten Fahrzeuges - grob fahrlässig gehandelt hat.

Ein Konsument hatte für seinen Pkw eine Kaskoversicherung abgeschlossen, der unter anderem die Allgemeinen Kaskoversicherungsbedingungen AKKB 2006/A zugrunde lagen.

Im Juli 2011 brachte der Bruder des Versicherungsnehmers den Pkw auf einer geschotterten Parkfläche, die eine Neigung von weniger als 10 % aufwies, zum Stehen. Er trat die Feststellbremse mit mäßig starkem Druck, legte aber keinen Gang ein sondern ließ den Motor laufen und stieg aus, um Kindersitze in andere Pkws umzuladen. Die Fahrzeugtüre ließ er offen stehen. Als er ungefähr zehn Meter entfernt mit dem Rücken zum Pkw stand, begann dieser wegzurollen. Der Pkw kam in einem Graben zum Stillstand. Es entstand ein Schaden von Euro 6.800,--. 

Der Versicherungsnehmer klagte seine Kaskoversicherung auf Bezahlung des Schadens. Diese wandte ein, dass der Lenker grob fahrlässig gehandelt hätte, indem er das Fahrzeug entgegen den Vorgaben des § 23 Abs 5 StVO nicht ausreichend gegen ein Abrollen gesichert habe. 

Der OGH verweist darauf, dass in der Kaskoversicherung das Sachinteresse des Versicherungsnehmers versichert ist. Verschuldet der berechtigte Lenker einen Schaden müsste er diesen dem Versicherungsnehmer als Eigentümer des Fahrzeuges grundsätzlich ersetzen. Dieser Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegenüber dem Lenker würde nach § 67 VersVG auf den Versicherer übergehen. 

Der Versicherer kann allerdings auf das Regressrecht nach § 67 VersVG verzichten, was im vorliegenden Fall in Art 10 der AKKB - standardmäßig - auch erfolgte. Der Verzicht lautet sinngemäß: § 67 VersVG findet gegenüber dem berechtigten Lenker nur dann Anwendung, wenn auch einem Versicherungsnehmer (als Fahrzeuglenker) bei gleichem Sachverhalt Leistungsfreiheit einzuwenden gewesen wäre. Als berechtigter Lenker gelten Personen, die mit Willen des Versicherungsnehmers oder des über das Fahrzeug Verfügungsberechtigten das Fahrzeug lenken.

Da somit neben dem Sachinteresse des Versicherungsnehmers auch das Sachersatzinteresse des berechtigten Lenkers mitversichert ist, bleibt für den OGH nur zu prüfen, ob das Fehlverhalten des Lenkers dem Versicherungsnehmer zuzurechnen ist. 

Dies verneint der OGH, da im vorliegenden Fall eine Mehrheit verschiedener Interessen und nicht nur ein gemeinschaftliches, gleichartiges Interesse versichert ist. Nur bei einem gemeinschaftlichen Interesse würde es aber zu einer Zurechnung des Fehlverhaltens dritter Personen kommen. Das – potentiell grob fahrlässige - Fehlverhalten des Bruders ist daher dem Versicherungsnehmer nicht zuzurechnen. 

Die in Deutschland entwickelte Repräsentantenhaftung weist der OGH - wie schon in Vorentscheidungen (etwa 7 Ob 157/08a) - zurück. Auf eine grobe Fahrlässigkeit des Lenkers kommt es demnach nicht an, wenn dieser nicht gleichzeutig auch Versicherungsnehmer ist. 

Die Kaskoversicherung muss daher dem Versicherungsnehmer den Schaden zur Gänze ersetzen. 

OGH 27.3.2013, 7Ob30/13g
Klagevertreter: Dengg, Vavrousek, Hölber, RAe in St. Johann

Das Urteil im RIS

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

unterstützt durch das 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang