Zum Inhalt

OGH: Schriftform für Schuldbeitritt

Der OGH fordert nunmehr auch für einen Schuldbeitritt das Formerfordernis der Schriftform.

Bisher hatte die Rspr eine analoge Anwendung des Schriftformerfordernisses der Bürgschaft in § 1346 Abs 2 ABGB auf den - in § 1347 ABGB geregelten - Schuldbeitritt abgelehnt. Es gebe keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme einer Gesetzeslücke, da der Schuldbeitritt in § 1347 ABGB, sohin unmittelbar im Anschluss an das Schriftformerfordernis des § 1346 ABGB geregelt sei und bewusst kein Forderfordernis statuiert wurde. Die Rspr hatte aber zur Abfederung eine inhaltliche Zweifelsregel zugunsten der Bürgschaft aufgestellt (und so im Zweifel zu einem Formerfordernis zu kommen): Fehlendes Eigeninteresse am Grundgeschäft spricht danach für Bürgschaft, nicht für Schuldbeitritt.

Die neuere Lehre spricht sich praktisch einhellig dafür aus, das Schriftformerfordernis des § 1346 Abs 2 ABGB analog auf einen zum Zweck der Gutstehung erklärten Schuldbeitritt anzuwenden.

In gegenständlicher Entscheidung hat der 4.Senat des OGH nun ausgesprochen, dass die Rspr zur Formfreiheit eines zum Zweck der Gutstehung erklärten Schuldbeitritts nicht aufrecht erhalten werden: Der Gesetzgeber behandelt in den §§ 25c und 25d KSchG die Interzession durch Schuldbeitritt, Garantie und Bürgschaft gleich. Diese Gleichstellung liegt wegen des gleichen Zwecks der Interzessionsformen (Sicherstellung des Gläubigers) und ihrer faktischen Austauschbarkeit auf der Hand. Insbesondere ist es im Regelfall eine reine Fiktion, dass Interzedenten - zumal bei mündlichen Erklärungen - zwischen der Übernahme der Verpflichtung (Schuldbeitritt) oder bloß der Haftung (Bürgschaft) unterscheiden. Sie sind daher, was das Gesetz in den §§ 25c und 25d KSchG klarstellt, unabhängig von der rechtlichen Qualifikation der Interzession in gleicher Weise schutzwürdig. Diese gesetzliche Wertung zwingt nicht nur zur analogen Anwendung anderer Bürgenschutzvorschriften auf die Interzession durch Schuldbeitritt, sondern auch zur Gleichbehandlung in der Formfrage. Es ist jedenfalls nach derzeit geltendem Recht ein nicht nachvollziehbarer Wertungswiderspruch, wenn zwar die Bürgschaft und - aufgrund analoger Anwendung von § 1346 Abs 2 ABGB - auch die Garantie, nicht aber der Sicherungs-Schuldbeitritt der Schriftform bedarf. Dieser Wertungswiderspruch ist durch Analogie zu beheben. Es liegt in Bezug auf die Formpflicht eine zumindest nachträglich entstandene Gesetzeslücke vor. Die Analogie ist nicht auf Verbrauchergeschäfte zu beschränken.

Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass das Schriftformerfordernis des § 1346 Abs 2 ABGB ohne Beschränkung auf Verbrauchergeschäfte auf alle Fälle einer Interzession iSv § 25c KSchG anzuwenden ist.

Entscheidend ist daher, unter welchen Voraussetzungen eine Interzession iSv § 25c KSchG vorliegt. Ausschlaggebend für das Vorliegen einer Interzession iSv § 25c KSchG - und damit auch für die Analogie bei der Formpflicht - ist ausschließlich die Frage, ob der Dritte die Haftung für eine materiell fremde Schuld übernimmt. Dafür sei das dem Gläubiger bekannte oder leicht erkennbare Innenverhältnis zwischen dem ursprünglichen und dem hinzutretenden Schuldner maßgebend. Eine materiell fremde Schuld liege vor, wenn dem zahlenden Interzedenten ein Regressanspruch gegen den ursprünglichen Schuldner zustehe.

Eine Ausnahme von der Formpflicht könnte allenfalls dann erwogen werden, wenn für den Gläubiger und den Dritten im Zeitpunkt des Schuldbeitritts offenkundig ist, dass ein Regressanspruch zwar faktisch besteht, in Wahrheit aber wegen Vermögenslosigkeit des Hauptschuldners nicht durchsetzbar sein wird. Damit ist für den Interzedenten offenkundig, dass er die Schuld auch materiell selbst tragen muss; der durch § 1346 Abs 2 ABGB gewährleistete Schutz ist daher nicht erforderlich. Allerdings müsste - nach Teilen der Lehre - in solchen Fällen die Formvorschrift auch bei der Bürgschaft teleologisch reduziert werden. Der 4.Senat spricht sich aus Gründen der Rechtssicherheit aber gegen eine solche teleologische Reduktion aus: Für den Beitritt zu einer materiell fremden Schuld besteht die Formpflicht analog zu § 1346 Abs 2 ABGB auch dann, wenn für den Interzedenten erkennbar ist, dass ein allfälliger Regressanspruch faktisch nicht durchsetzbar wäre.

OGH 20.04.2010, 4 Ob 205/09i

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail
unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang