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OGH zu Entfall des Rücktrittsrechts nach Leistungserbringung

Dem Fall liegt ein Alleinvermittlungsauftrag zwischen dem beklagten Verbraucher und der Immobilienmaklerin zugrunde, der als Auswärtsgeschäft iSd § 1 FAGG zustande gekommen war.

Im Maklervertrag enthielt folgenden Absatz
"Der Auftraggeber wünscht ein vorzeitiges Tätigwerden innerhalb der offenen Rücktrittsfrist und nimmt zur Kenntnis, dass er damit bei vollständiger Vertragserfüllung (Namhaftmachung) das Rücktrittsrecht vom Maklervertrag gem. § 11 FAGG verliert. Eine Pflicht zur Zahlung der Provision besteht aber erst nach Zustandekommen des vermittelten Geschäfts (Kaufvertrag, Mietvertrag) aufgrund der verdienstlichen, kausalen Tätigkeit des Maklers."
Hierbei wurde das links neben dem Text angebrachte Ankreuzkästchen mit einem Häkchen ("Hakerl") versehen, weil der Beklagte ein sofortiges Tätigwerden der Klägerin wünschte (am 27.8.2015).

Am 16.2.2016 erklärte der Beklagte den Rücktritt. Die Klägerin habe ihren Informationspflichten nach § 4 Abs 1 FAGG nicht entsprochen, weshalb sich die Rücktrittsfrist auf 12 Monate verlängert habe. Die Voraussetzungen des § 18 FAGG für einen Ausschluss des Rücktrittsrechts seien nicht erfüllt.

Der OGH gab der Klage auf Zahlung der dreiprozentigen Maklerprovision statt:

Der Immobilienmaklervertrag fällt nicht unter die Ausnahmen des § 1 Abs 2 FAGG, insbesondere nicht unter jene des § 1 Abs 2 Z 6 und 7 FAGG.

Voraussetzungen für Entfall des Rücktrittsrechtes bei Leistungserbringung

Nach § 4 Abs 1 FAGG muss der Unternehmer den Verbraucher, bevor dieser durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, in klarer und verständlicher Weise bestimmte Informationen erteilen, und zwar
-  "bei Bestehen eines Rücktrittsrechts [über] die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung dieses Rechts, dies unter Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars gemäß Anhang I Teil B" (Z 8)
"gegebenenfalls über das Nichtbestehen eines Rücktrittsrechts nach § 18 FAGG oder über die Umstände, unter denen der Verbraucher sein Rücktrittsrecht verliert" (Z 11).

Der Verbraucher kann von einem Fernabsatzvertrag (FAV) oder einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag (AGV) binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten, wobei bei Dienstleistungsverträgen - ein solcher liegt hier vor - die Frist zum Rücktritt mit dem Tag des Vertragsabschlusses beginnt (§ 11 Abs 1 und 2 Z 1 FAGG).
Ist der Unternehmer seiner Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG nicht nachgekommen, so verlängert sich die in § 11 FAGG vorgesehene Rücktrittsfrist gemäß § 12 Abs 1 FAGG um zwölf Monate.

§ 18 Abs 1 FAGG statuiert "Ausnahmen vom Rücktrittsrecht". Nach Abs 1 Z 1 hat der Verbraucher kein Rücktrittsrecht bei Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über "Dienstleistungen, wenn der Unternehmer - auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach § 10 FAGG sowie einer Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung - noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 FAGG mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hatte und die Dienstleistung sodann vollständig erbracht wurde".

Fraglich war nun, ob § 18 Abs 1 Z 1 FAGG auch voraussetzt, dass der Verbraucher gehörig - das heißt in Übereinstimmung mit der Vorschrift des § 4 Abs 1 FAGG - vom Unternehmer informiert wurde.

Der OGH verneint dies:
Gem § 18 Abs 1 Z 1 FAGG erlischt das Rücktrittsrecht des Verbrauchers bei einem Dienstleistungsvertrag mit der vollständigen Erbringung der Dienstleistung, wenn der Verbraucher (1) ausdrücklich verlangt hat, dass mit der Leistungserbringung schon vor Ablauf der Rücktrittsfrist begonnen wird (§ 10), und (2) bestätigt hat, vom Verlust seines Rücktrittsrechts mit vollständiger Vertragserfüllung Kenntnis zu haben. Die Einhaltung der Informationspflichten gem § 4 Abs 1 FAGG ist nicht Voraussetzung für das Erlöschen des Rücktrittsrechts; nach vollständiger Leistungserbringung ist auch bei einer Verlängerung der Frist gem § 12 Abs 1 FAGG kein Rücktritt mehr möglich.

Ausdrückliches Verlangen zur Vertragserfüllung vor Ablauf der Rücktrittsfrist

Ein ausdrückliches Verlangen iSd § 10 und § 18 Abs 1 Z 1 FAGG liegt auch dann vor, wenn der Verbraucher mündlich den Wunsch nach einem vorzeitigen Leistungsbeginn äußert, der Unternehmer daraufhin im Vertragsformular ein Kästchen neben dem entsprechenden Text ankreuzt und der Verbraucher das Formular anschließend unterfertigt. Ferner genügt die Erklärung des ausdrücklichen Verlangens durch den Verbraucher; eine vorangehende Aufforderung des Unternehmers ist entgegen dem Wortlaut von § 10 nicht erforderlich. Die Wirkungen eines ausdrücklichen Verlangens kommen auch dann zum Tragen, wenn der Verbraucher von sich aus eine Vertragserfüllung vor Ablauf der Rücktrittsfrist verlangt, weil der Aufforderung in diesem Fall kein eigenständiger Wert zukommt


OGH 29.11.2017, 8 Ob 122/17z

Das Urteil im Volltext.

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