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Top-Info:Entscheidung der EU-Kommission in Sachen Lombard-Kartell veröffentlicht

Am 11.6.2002 hat die EU-Kommission in einer Presseausendung mitgeteilt, dass sie gegen acht österreichische Banken Bußgelder wegen des Lombard-Kartells verhängt habe. Lange haben sich die Banken gegen eine Veröffentlichung der Entscheidung gewehrt. Nun hat die Kommission dem VKI die Entscheidung zur Verfügung gestellt und gleichzeitig im Internet veröffentlicht. Die Entscheidung liefert dem VKI brisantes Material im "Zinsenstreit".

Entscheidung der Kommission

Am 11.6.2002 wurde von der Europäischen Kommission in einer Presseaussendung die Verhängung von Geldstrafen über 8 österreichische Banken im "Lombard-Club"-Kartellfall bekanntgemacht. Die EU-Kommission sprach von einem im höchsten Maße institutionalisierten Preisfestsetzungssystem. Bei den Gesprächsrunden seien die Einlagenzinssätze, Kreditzinsen und sonstige Sätze zum "Schaden der Unternehmer und der Verbraucher" in Österreich festgelegt worden (siehe VRInfo 7/2002).

Einige Banken haben sowohl die Entscheidung an sich, als auch die Veröffentlichung der Entscheidung durch die Kommission gerichtlich bekämpft. Nachdem eine Einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung der Entscheidung nunmehr abgelehnt worden war, hat die EU-Kommission die Entscheidung soeben veröffentlicht (siehe http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/cases/index/by_nr_73.html - Sache COMP/36.571/D-1 Österreichische Banken "Lombard-Club").

Material für "Zinsenstreit"

Der Streit um überhöhte Kreditzinsen geht bekanntlich derzeit in eine neue Runde. Nach ersten Entscheidungen des OGH ( siehe VRInfo 9 - 11 / 2003) konnte insbesondere mit dem Sparkassensektor eine zufriedenstellende außergerichtliche Einigung erzielt werden. Dagegen kommt es gegen andere Banken - die ihre Vorgangsweise in den 90-iger Jahren nach wie vor verteidigen und/oder sich auf die Verjährung von Ansprüchen berufen - derzeit zu einer Klagswelle (www.konsument.at/zinsen ).

In den Gerichtsverfahren um das künstliche Hochhalten von variablen Zinsen in Kreditverträgen aus der Zeit vor 1.3.1997 spielt es eine zentrale Rolle, dass diese Vorgangsweise unter den Banken offenbar abgesprochen war. Die Ansprüche der Kreditnehmer werden daher insbesondere auch auf Schadenersatz wegen Kartellverstoß gestützt.

Für diese Argumentation bietet die nunmehr veröffentlichte Entscheidung der EU-Kommission neue und brisante Feststellungen:

  • Das Bestreben der österreichischen Banken, durch abgestimmtes Vorgehen - also gemeinsam auf Kosten der Konsumenten statt individuell auf Kosten der Konkurrenten - Margenverbesserungen zu erzielen, ziehe sich wie ein roter Faden durch die Untersuchungen der EU-Kommission. (RZ 6)
  • An den gegenständlichen Verhaltensweisen waren beinahe alle Kreditinstitute aus allen wichtigen Sektoren (in den mehrstufigen Bereichen nahm das jeweilige Spitzeninstitut Koordinierungsfunktionen wahr) beteiligt. (RZ 8)
  • Zahlreiche Dokumente beweisen in der Tat, dass sich die Banken der kartellrechtlichen Relevanz ihrer Absprachen tatsächlich bewusst waren. (RZ 39)
  • In vielen Fällen nahmen die Banken etwa eine Senkung der Leitzinsen zum Anlass für eine sofortige Senkung der Einlagezinsen, ohne aber zugleich auch die Kreditzinsen zu senken, da sie "nur bei sich ändernder Zinsenlandschaft durch asymmetrische Zinsrunden gewinnen" konnten. Eine solche "asymmetrische" Weitergabe von Leitzinssenkungen, die den Banken - auf Kosten der Konsumenten - beträchtliche Zinsgewinne einbrachten, erforderte freilich für ihren Erfolg die vorherige Abstimmung untereinander. Die koordinierte Verzögerung der Senkung von Kreditzinsen war daher das "erklärte Ziel aller entsprechenden Runden". (RZ 64)
  • Absprachen und abgestimmte Maßnahmen sollten - auf Kosten der Konsumenten - die Ertragslage der Banken verbessern. (RZ 73)
  • Durch die neue "Zinsgleitklausel" (Anm. ab 1.3.1997) werde die bisherige Praxis, "mit einem niedrigen Einstiegszinssatz das Geschäft heranzuziehen und später durch Anhebung des Zinssatzes die ursprüngliche Marge zu erhöhen", unmöglich gemacht. (RZ 304)

Schadenersatz aus Kartellverstoß

Mit Urteil vom 20.9.2001 hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache
C 453/99 (Courage gegen Crehan) im Wesentlichen ausgesprochen, dass die praktische Wirksamkeit des Artikel 81 EG-Vertrag beeinträchtigt wäre, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen wettbewerbsbeschränkenden Vertrag oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist.

Dass bei einem derartigen Sachverhalt auch nach nationalem Recht Schadenersatzansprüche Dritter bestehen (können), ist in der einschlägigen österreichischen Fachliteratur durchaus anerkannt (vgl. Eilmannsberger, Schadenersatz wegen Kartellverstoßes: Zum EuGH-Urteil Courage/ Crehan, ecolex 2002, 28; Stillfried/Stockenhuber, Schadenersatz bei Verstoß des Kartellverbot des 85 EG-V, wbl 1995, 301; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht3 (1997) RZ 87 ff.; zur deutschen Rechtslage vgl. Gleiss/Hirsch, Kommentar zum EG-Kartellrecht4, (1993) Band 1, RZ 1723 ff.). Judikatur zu dieser Frage fehlt weitgehend.

Für Wettbewerbsverstöße gegen das UWG wurde durch den OGH aber bereits ein Schadenersatzanspruch für Verbraucher anerkannt (OGH 24. 2. 1998, 4 Ob 53/98, KRES 10/76). Es kann also davon ausgegangen werden, dass auch Art. 81 EG-Vertrag bzw. innerstaatliche Normen gegen Kartellbildungen Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB darstellen und Verletzungen dieser Schutzgesetze schadenersatzpflichtig machen.

Neben dem Streit um überhöhte Kreditzinsen, wären auch weitere Schadenersatzansprüche von Bankkunden konkret zu prüfen.

Akteneinsicht

Sowohl im "Zinsenstreit" mit den Banken als auch zur Prüfung weitergehender Ansprüche wäre es notwendig, neben der Entscheidung auch die der Entscheidung zu Grunde liegenden Dokumente zu kennen.

Der VKI hat das zunächst bei der EU-Kommission Akteneinsicht beantragt. Diese Antrag wurde abgewiesen. Gegen diese Entscheidung ist eine Nichtigkeitsklage des VKI gegen die EU-Kommission beim Gerichtshof Erster Instanz anhängig.

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