Im Jahr 1995 hatte die Verbraucherin für ihren damals 12-jährigen Sohn - lautend auf dessen Namen, aber ohne Losungswort - bei der Sparkasse Baden ein Kapitalsparbuch (gebunden auf 5 Jahre) eröffnet. Das Sparguthaben sollte für größere Anschaffungen für den Sohn in der Zukunft dienen. Eine Verfügung über das Sparguthaben ohne ausdrückliche Zustimmung seiner Mutter als Erziehungsberechtigter war dem 12-jährigen ausdrücklich untersagt gewesen. Dieses Sparguthaben hatte Ende 1997 ein Saldo von rund ATS 20.000,-- aufgewiesen. Im November 1996 war vom 12-jährigen - in Beisein und mit Zustimmung seiner Mutter - einmal ein Betrag von rund ATS 6.000,-- behoben worden.
Im Zeitraum von Jänner bis März 1998 erschien der noch keine 14 Jahre alte Minderjährige siebenmal in der Sparkasse und tätigte Behebungen zwischen ATS 1.000,-- und ATS 6.000,--. Dies solange, bis das Sparguthaben bis zur Gänze aufgebraucht war. Zum Schluss bekam er das Sparbuch entwertet zurück und warf es weg. Das behobene Geld verwendete er für Karten für Sportveranstaltungen und zum Spielen an Spielautomaten.
Als die Mutter feststellen musste, dass ihr Sohn vom Kapitalsparbuch alles Geld behoben und verjubelt hatte, forderte sie von der Sparkasse Baden die Erstattung dieses Betrages. Ihr Argument: Ihr Sohn konnte - nicht einmal mündiger Minderjähriger (unter 14 Jahre) - nicht wirksam über das Vermögen verfügen.
Die Sparkasse Baden war anderer Meinung. Durch die einmalige Behebung im Beisein der Mutter habe man geschlossen, dass diese alle weiteren Behebungen vorweg akzeptiere. Im übrigen sei das Auftreten des Jugendlichen gegenüber der beklagten Partei keinesfalls geeignet gewesen, nicht zumindest die erreichte Mündigkeit, somit das 14.Lebensjahr annehmen zu dürfen. Und zuletzt wurde auch noch argumentiert, dass derartige Behebungen auch für Minderjährige "als alterstypische Geschäfte" angesehen würden, da Minderjährige in diesem Alter mehrmals pro Woche bei der Sparkasse Baden mehrere tausend Schilling einzahlen und auch beheben würden.
Der VKI übernahm den Musterprozess und siegte.
Das BG Baden hielt fest, dass gemäß § 151 Abs 1 ABGB ein minderjähriges Kind ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten könne. Zwar könne gemäß § 151 Abs 2 ABGB der Minderjährige nach erreichter Mündigkeit über Sachen, die ihm zur freien Verfügung überlassen worden sind und über sein Einkommen aus eigenem Erwerb soweit verfügen und sich verpflichten, als dadurch nicht die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gefährdet wird, doch im gegenständlichen Fall war der Sohn noch kein mündiger Minderjähriger. Gemäß § 151 Abs 3 ABGB werde ein von einem minderjährigen Kind abgeschlossenes Rechtsgeschäft, das von Minderjährigen seines Alters üblicherweise geschlossen wird und eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betreffe, mit Erfüllung der das Kind treffenden Pflichten rückwirkend rechtswirksam. Das Gericht verneinte aber, dass Sparbuchbehebungen von Beträgen zwischen ATS 1.000,-- und rund ATS 6.000,-- Rechtsgeschäfte wären, die üblicher Weise von Minderjährigen dieses Alters geschlossen würden. Das Vorbringen der beklagten Partei, dass Minderjährige in diesem Alter mehrmals pro Woche bei der Sparkasse Baden mehrere tausend Schilling einzahlen oder beheben würden, war dem Gericht schon aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung nicht glaubwürdig und durch die Beweisergebnisse in keiner Hinsicht gedeckt. Dazu kam, dass das BG Baden feststellte, dass der knapp 12 Jahre alte Minderjährige noch dazu ein eher kindliches Aussehen hatte und daher ein Jahr jünger wirkte und man keinesfalls annehmen konnte, dass er das 14.Lebensjahr und somit die Mündigkeit bereits erreicht hatte. Das BG Baden hält daher richtig fest, dass die beklagte Partei auch eine Obliegenheitsverletzung trifft, wenn sie trotz des Aussehens des Minderjährigen ohne Einholung der Zustimmung der Erziehungsberechtigten die Geldbeträge ohne weiters ausfolgt.
Das BG Baden leitete aus der Behebung des Minderjährigen im Beisein der Mutter auch das genau das Gegenteil dessen ab, was die Sparkasse Baden daraus ableitete. Es sei dies keine automatische Genehmigung weiterer Behebungen sondern gerade der Beweis dafür, dass eine Sparbuchbehebung durch den Minderjährigen eben nur mit Wissen und Zustimmung seiner Mutter erfolgen dürfe. Eine stillschweigende Zustimmung der Mutter des Minderjährigen für weitere alleinige Behebungen könne daher in keinem Fall angenommen werden.
Urteil: 12-jähriger kann Kapitalsparbuch nicht selbstständig auflösen
In einem Musterprozess des VKI gegen die Sparkasse Baden wurde geklärt, dass ein unmündiger Minderjähriger nicht einfach ohne Zustimmung seiner Eltern Sparbücher beheben kann. Die Bank haftet für die unwirksamen Verfügungen.