Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Steiermark die Raiffeisenbank Graz-Straßgang. Die Klage war darauf gerichtet, dass diese Klausel, die auch von den anderen österreichischen Banken verwendet wird, unzulässig ist. Weiters ging der VKI im Auftrag der AK Stmk auch dagegen vor, dass die Raiffeisenbank Graz-Straßgang aufgrund dieser Klausel den Kreditaufschlag änderte.
Die Allgemeinen Bankbedingungen enthalten folgende Klausel:
"Über die vorstehenden Absätze (1) oder (2) hinausgehende Änderungen der Entgelte sowie Änderungen des Leistungsumfangs oder der Verzinsung sind nur mit Zustimmung des Kunden möglich. Solche Änderungen werden 2 Monate nach Verständigung des Kunden über die vom Kreditinstitut gewünschte Änderung wirksam, sofern nicht bis dahin ein schriftlicher Widerspruch des Kunden beim Kreditinstitut einlangt. Das Kreditinstitut wird den Kunden in der Verständigung auf die jeweils gewünschte Änderung sowie darauf aufmerksam machen, dass sein Stillschweigen mit Fristablauf als Zustimmung gilt. Der Kunde, der Verbraucher ist, hat das Recht, seinen Girokontovertrag bis zum Inkrafttreten der Änderung kostenlos fristlos zu kündigen." (Z 45 Abs 3)
Im juristischen Fachjargon nennt man diese Klausel Erklärungsfiktion: Es wird fingiert, dass ein bestimmtes Verhalten des Vertragspartners (zB ein Schweigen) als Zustimmung gilt.
Die Bank sandte auf Grundlage dieser Klausel Kreditnehmern einen Brief, in dem sie mitteilte, dass es ihr nicht mehr möglich wäre, den bisherigen Kreditaufschlag zu verrechnen, sondern diesen um 0,5 Prozentpunkte erhöhe. Diese Änderung werde wirksam, wenn der Kreditnehmer nicht binnen 8 Wochen widerspreche.
Das Gericht stufte nun diese Klausel aus mehreren Gründen als gesetzwidrig ein:
Zunächst benachteiligt die Klausel den Vertragspartner gröblich (§ 879 Abs 3 ABGB): Nach der Klausel steht es dem Kreditunternehmen jederzeit offen, uneingeschränkt in sämtliche Hauptleistungspflichten einzugreifen und den Kreditvertrag in jede Richtung hin beliebig mittels Zustimmungsfiktion zu ändern. Durch die Änderung dieser Konditionen, insbesondere der essentialia negotii, erfolgt somit ein massiver Eingriff in die Interessen des Verbrauchers. Insbesondere könnte das Kreditunternehmen durch diese Art der Vertragsänderung die zwingenden Bestimmungen des VKrG umgehen. Dass dem Verbraucher eine Widerspruchsmöglichkeit eingeräumt wird, kann das grobe Missverhältnis zwischen den Interessen nicht ausgleichen, weil der Verbraucher sich möglicherweise der Konsequenzen der Vertragsänderung gar nicht bewusst ist.
Weiters liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG vor: Welche Vertragspunkte und Kosten nun tatsächlich mittels Zustimmungsfiktion geändert werden könnten, wird dem Verbraucher nicht klar vor Augen geführt. Es wird dem Kunden zwar dargelegt, wie Vertragsänderungen nach dieser Klausel wirksam werden können, doch bleibt im Unklaren, welche weitreichenden Konsequenzen derartige Vertragsänderungen mit sich bringen können. Die Klausel läuft somit dem Gebot der Erkennbarkeit zuwider. Zudem könnten die Schutzbestimmungen des VKrG damit komplett ausgehebelt werden.
Überdies verstößt die Klausel auch gegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG: Unter gewissen Voraussetzungen ist eine Erklärungsfiktion nach dieser Bestimmung zulässig (Es muss eine bestimmte und angemessene Frist für die fragliche Äußerung vorgesehen sein, der Unternehmer muss das Erfordernis des Hinweises auf die Bedeutung des Verhaltens des Verbrauchers einhalten.). Der Anlassfall für die Normierung dieser gesetzlichen Bestimmung (automatische Vertragsverlängerung ablaufender Abos) und auch die Fälle, die bisher in diesem Zusammenhang die Rspr beschäftigen, betreffen jedoch bloß Nebenpflichten oder -abreden, nicht jedoch die Änderung der Hauptleistungspflichten bzw. die Änderung des gesamten Vertrages. Aus den Gesetzgebungsmaterialien geht hervor, dass eine Erklärungsfiktion unter dem Gesichtspunkt des Konsumentenschutzes schon an und für sich bedenklich erscheint, sodass dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, dass er - auch bei Einhaltung aller von § 6 Abs 1 Z 2 KSchG geforderten Voraussetzungen - eine Änderung des gesamten Vertrages, insbesondere eine Änderung der "essentialia negotii" mittels Erklärungsfiktion als zulässig erachtet. Eine solche Änderung wäre jedoch bei "kundenfeindlichster" Auslegung der inkriminierten Klausel durchaus möglich. Zudem könnten sämtliche Schutzvorschriften, welche beim Vertragsabschluss zugunsten des Verbrauchers eingehalten werden müssten, durch eine solche Vertragsänderung mittels Zustimmungsfiktion umgangen und der Verbraucher so um seine Rechte gebracht werden. Eine derart ausgestaltete Klausel mit solch umfangreichen Änderungsmöglichkeiten kann somit nicht unter den Anwendungsbereich des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG und das durch diese Bestimmung normierte Regel-Ausnahme-Prinzip fallen und ist folglich auch bei Einhaltung der dort geforderten Voraussetzungen nicht zulässig.
Hingegen verneinte das Gericht im konkreten Fall Verstöße gegen § 864a ABGB, § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und § 6 Abs 2 Z 3 KSchG.
Ursprünglich klagte der VKI auf Unterlassung der Verwendung dieser Klausel und sinngleicher Klauseln und auf Unterlassung auf die Berufung dieser Klauseln, soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind. Der VKI stellte aber das Klagebegehren um und strich den Halbsatz "soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind" heraus. Das Gericht gab diesem veränderten Klagebegehren statt: Da im Verbandsprozess eine geltungserhaltende Reduktion unter Berücksichtigung des § 6 Abs 3 KSchG nicht vorgenommen werde, könne der Halbsatz "...soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind" unterbleiben.
Auch das konkrete Schreiben an die Konsumenten über die Erhöhung des Kreditaufschlages im Wege der Erklärungsfiktion ist für das Gericht gesetzwidrig. Dass es sich hierbei um ein Angebot zur Änderung des Vertrages handelt, kommt nicht deutlich zum Ausdruck, vielmehr werden die Verbraucher vor vollendete Tatsachen gestellt bzw. wird den Kunden dies suggeriert. Zudem kann der Kreditnehmer aufgrund der Angaben über die Änderung des Zinssatzes auch nicht deutlich erkennen, welche Auswirkungen dies auf seinen Kreditvertrag hat bzw. welche neue Rückzahlungsrate er nunmehr an die beklagte Partei zu zahlen hat. Das Schreiben verstößt daher gegen § 6 Abs 3 KSchG.
Die Zusendung von diesen Schreiben als "Änderungsangebote" an bestehende Kreditnehmer unter Berufung auf die inkriminierte Klausel stellt eine von § 28a KSchG erfasste Geschäftspraxis dar, weil sie auf eine Vielzahl von Verträgen Anwendung findet. Durch die Massenaussendung an die Kreditkunden der beklagten Partei sind auch allgemeine Interessen von Verbrauchern betroffen. Diese Geschäftspraxis steht auch in Zusammenhang mit der Verwendung von missbräuchlichen Vertragsklauseln (siehe oben).
Das Urteil ist nicht rechtkräftig.
Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien
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LG für ZRS Graz 08.03.2012, 18 Cg 183/11y