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Urteil: BGH zum "flüchtigen" und zum "verständigen" Verbraucherleitbild

Bei Waren von nicht ganz unerheblichem Wert und einer nicht nur kurzen Lebensdauer ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein höherer Aufmerksamkeitsmaßstab heranzuziehen, als etwa bei Waren des täglichen Lebens mit nur geringem Wert.

Zur Frage welcher Grad an Aufmerksamkeit bei einem durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittverbraucher vorausgesetzt werden kann, auf dessen Verständnis es nach dem europäischen Verbraucherleitbild ankommt, stellt der deutsche BGH folgendermaßen klar: Bei Waren von nicht ganz unerheblichem Wert und einer nicht nur kurzen Lebensdauer ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein höherer Aufmerksamkeitsmaßstab heranzuziehen, als etwa bei Waren des täglichen Lebens mit nur geringem Wert.

Webteppiche irreführend beworben

Die Beklagte betreibt einen Einzelhandel mit Teppichen und Teppichböden und bewarb ihre Produkte mit Werbeaussagen wie insbesondere "Riesige Auswahl China Teppiche", "Konsequent preiswert", "K. Medaillon-Moud", wobei es sich in den genannten Fällen um mechanisch hergestellte Teppiche handelte.

Der Kläger, ein deutscher Verbraucherschutzverband, beanstandete die Gestaltung eines Werbeprospekts dahingehend als zur Irreführung geeignet, als die Abfolge im Prospekt und die Gestaltung der Werbung, ohne ausdrücklichen Hinweis darauf, dass es sich um Webteppiche handle, den Eindruck erwecke, dass Orientteppiche angeboten würden. Dies insbesondere deshalb, weil auf den drei vorhergehenden Seiten für Original-Orientteppiche geworben wurde.

Erstgericht verbietet Werbung

Das Erstgericht gab der Klage statt und untersagte es der Beklagten mit der Abbildung von Orient-Teppich-Mustern zu werben, insbesondere, ohne unmissverständlich und deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Webteppich aus Polypropylen handelt.

Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.

BGH weist Klage ab

Der BGH hob das Urteil auf Grund der Revision der Beklagten auf und wies die Klage ab. Ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot gem § 3 (dt) UWG (entspricht im Wesentlichen dem österreichischen § 2 UWG, Anm d Verf) ist im gegenständlichen Fall nicht anzunehmen.

Bei teuren Produkten: kein flüchtiger Verbraucher

Die Annahme eines flüchtigen Verbrauchers kann im konkreten Fall nicht bejaht werden. Der Grad der Aufmerksamkeit des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, auf dessen Verständnis es ankommt, ist von der Situation abhängig. Beim Erwerb eher geringwertiger Gegenstände des täglichen Bedarfs wird dieser Grad der Aufmerksamkeit eher gering, dh flüchtig sein. Auch das erste Durchblättern eine Zeitung wird eher flüchtig sein, wobei sich flüchtig und verständig nicht gegenseitig ausschließen. Erst im Fall einer am Angebot einer bestimmten - nicht völlig geringwertigen - Ware oder Dienstleistung wird die Werbung mit größerer Aufmerksamkeit wahrgenommen.

Diese situationsadäquate Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers ist für die Ermittlung des Verkehrsverständnisses maßgebend.

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