Der Beklagte ist ein Bauhilfsarbeiter und stammt aus Bosnien-Herzegowina. Im Juni 1996 übersiedelte er aufgrund des Krieges in Bosnien mit seiner Familie nach Österreich. Er sprach schlecht deutsch und sah sich im Jahre 1996 gezwungen, eine neue Wohnung zu suchen.
Seitens der Firma Sagro Immobilien Handels GmbH wurde ihm eine Wohnung im 2. Wiener Gemeindebezirk zum Kauf angeboten. Da der Beklagte über keine Eigenmittel verfügte, wurde ihm vom Vertreter der Firma Sagro angeboten, den Kaufpreis über ein Bauspardarlehen zu finanzieren. Dem Beklagten wurde in der Folge weis gemacht, er müsse - um die Finanzierung zu Stande zu bringen - neben der Wohnung in Wien auch eine Wohnung in Bruck/Mur kaufen. Die Wohnung in Wien sollte letztendlich der Beklagte bekommen, jene in Bruck/Mur sollte nach Erklärungen des Vertreters der Firma Sagro nur "für die Finanzierung" angeschafft werden.
Der Beklagte war der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig, um die in deutscher Sprache verfassten Urkunden verstehen zu können.
Vertragsabschluss ohne vollständiger Lastenfreistellung
Er schloss in der Folge einen Bausparvertrag, einen Antrag auf Zuzählung eines Zwischendarlehens und einen Vertrag über die Überweisung des Zwischendarlehens an einen Treuhänder. In der Folge wurde das Darlehen zugeteilt, dem Treuhänder überwiesen und von diesem der Firma Sagro als Verkäuferin ausbezahlt. Dies obwohl eine vollständige Lastenfreistellung nicht erfolgt war und es ebenso zu keiner Verbücherung des Kaufvertrages gekommen war. Auch die Grundverkehrskommission lehnte eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Kaufvertrages ab.
Der Beklagte wurde niemals Eigentümer der Wohnung in Bruck/Mur und auch nicht Eigentümer der eigentlich in Wien angestrebten Wohnung.
Firma geht in Konkurs, Konsument haftet für Darlehen
Die Verkäuferin (Sagro) ging in Konkurs. Das bedeutete für den Beklagten, dass er keine Wohnung hatte und gegenüber der Bausparkasse für das aufgenommene Darlehen haftete. Die Bausparkasse stellte - nachdem die Raten des Darlehens nicht bezahlt wurden - den Kredit fällig und klagte.
Das Gericht hält fest, dass in den Jahren 1996 und 1997 seitens der klagenden Partei eine Vielzahl von gleichartigen Liegenschaftskäufen finanziert wurden, bei denen die Firmen Sagro und (mit dieser in Verbindung: Esta) als Verkäuferinnen auftraten. Es ist von über siebzig Finanzierungen die Rede.
Verkehrswertschätzung ohne Besichtigung der Wohnung
Zur Abwicklung derartiger Finanzierungen hätte es ein eingespieltes Verfahren gegeben: Die Anträge auf Finanzierung seien über die Sparkassenvertriebs GmbH an diese gelangt. Die Sparkassenvertriebs GmbH gehöre aber zu 75 Prozent der klagenden Partei. Insbesondere bei der Schätzung des Verkehrswertes der vorgeschobenen Wohnungen in Bruck/Mur war ein Angestellter der klagenden Partei direkt beteiligt. Dieser habe Verkehrswertschätzungen für Wohnungen vorgenommen, ohne diese zu besichtigen.
Das Gericht wies die Klage der Bausparkasse ab - mit Ausnahme eines Darlehensteiles, der zur Rückzahlung von Altverbindlichkeiten des Beklagten diente.
Kaufvertrag kam nicht zu Stande
Es ging davon aus, dass zwischen dem Kaufvertrag über die Wiener Wohnung und dem Finanzierungsvertrag eine wirtschaftliche Einheit bestehe. Der Kaufvertrag mit dem Beklagten sei schon mangels einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung niemals zu Stande gekommen. Eine Eigentumsübertragung einer Wiener Wohnung war von Verkäuferseite nie erfüllt worden. Dadurch könne der Beklagte der klagenden Bausparkasse erfolgreich die Ungültigkeit des Kaufvertrages entgegenhalten. Ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch scheide daher aus. Dies gelte auch für eine Mithaftungserklärung des Beklagten, die er im Zuge des gesamten Finanzierungsgeschäftes unterfertigt hatte.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Aus dem Treiben der Firmen Sagro und Esta gibt es eine ganze Reihe von Geschädigten. Der Sachverhalt ist in diesen Fällen durchaus ähnlich. In vielen Fällen hat die Bausparkasse die Betrugsopfer auf Rückzahlung der Darlehen geklagt. Auch der VKI führt einen Musterprozess für eine Geschädigte gegen die Bausparkasse. Dieses erste Urteil - von RA Dr. Markus Freund erwirkt - gibt den geschädigten Betrugsopfern Hoffnung, sich gegen die Bausparkasse durchsetzen zu können. Schließlich hätte es die Bausparkasse bzw. deren Handlungsgehilfen in der Hand gehabt, diese Methoden nicht durch Drittfinanzierungen auch noch zu unterstützen.