Eine österreichische Konsumentin hatte von einer deutschen Versandhandelsfirma Anfang 2001 ein persönlich adressiertes Schreiben erhalten, welches den Eindruck erweckte, sie habe € 33.066,-- (ATS 455.000,--) gewonnen. Dem Schreiben war ein Warenkatalog angeschlossen. Der Anspruch auf Auszahlung war nicht von einer Bestellung abhängig, die Konsumentin gab auch von sich aus keine Warenbestellung auf.
Die Konsumentin klagte auf Grundlage des § 5j KSchG auf Auszahlung des versprochenen Gewinnes. Das OLG Innsbruck legte den Fall dem EuGH vor, um zu klären, wie derartige Ansprüche nach dem für diesen Fall anzuwendenden EuGVÜ zu qualifizieren sind und ob daher auch dann in Österreich geklagt werden kann, wenn die Auszahlung des Gewinnes weder von der Bestellung von Waren durch den Verbraucher noch von deren Lieferung abhängt.
In diesem Zusammenhang ist zunächst auf das Urteil des EuGH vom 11.7.2002 (C-96/00 - "Gabriel") hinzuweisen. In diesem Urteil hatte der EuGH eine Gewinnzusage zu beurteilen, bei der die Teilnahme an einem Gewinnspiel eines ausländischen Unternehmers von einer Bestellung durch den Verbraucher abhängig gemacht wurde. Der EuGH qualifizierte derartige Gewinnspiele als Verbrauchersache im Sinn des Art. 13 EuGVÜ. Dies hatte zur Folge, dass derartige Klagen in Österreich eingebracht werden können (vgl. VR-Info 08/2002).
Im vorliegenden Fall verneint der EuGH hingegen, dass die gegenständliche Gewinnzusage unter Art 13 EuGVÜ fallen würde. Nach Art. 13 EuGVÜ liegt eine Verbrauchersache unter anderem nur dann vor, wenn in einem Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung einer Dienstleistung vereinbart wird. Ein derartiger Vertragsinhalt sei im gegenständlichen Vertrag nicht gegeben. Allerdings hält der EuGH fest, dass die gegenständliche Gewinnzusage als Klage aus Vertrag nach Art. 5 Nummer 1 des EuGVÜ zu qualifizieren ist. Es handelt sich somit um einen vertraglichen Anspruch.
Für Fälle, die noch unter den Anwendungsbereich des EuGVÜ fallen, führt die Entscheidung des EuGH nicht automatisch zu einem inländischen Gerichtsstand. Seit 1.3.2002 verdrängt allerdings die EuGVVO das EuGVÜ im Verhältnis zu fast allen EU-Staaten. Die EuGVVO enthält gegenüber dem EuGVÜ eine deutlich erweiterte Definition der Verbrauchersache. Nach Art. 15 EuGVVO liegt eine Verbrauchersache nämlich auch dann vor, wenn der Unternehmer im Wohnsitzstaat des Verbrauchers eine gewerbliche Tätigkeit ausführt oder auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in diesen Bereich fällt. Es ist also für die Qualifizierung als Verbrauchersache nicht mehr notwendig, dass es sich um die Lieferung einer beweglichen Sache oder die Erbringung einer Dienstleistung handelt.
Durch die Einschätzung des EuGH, dass Klagen auf Auszahlung eines zugesagten Gewinnes ohne Warenbestellung grundsätzlich als vertragliche Ansprüche zu qualifizieren sind, kann auf Grund der erweiterten Definition der Verbrauchersache in der EuGVVO angenommen werden, dass derartige Gewinnzusagen im Anwendungsbereich der EuGVVO unter Art. 15 EuGVVO subsumiert werden können. Für derartige Fälle sollte daher ab dem 1.3.2002 eine Klage gegen den Unternehmer aus dem EU-Ausland beim Gericht des Wohnsitzes des Verbrauchers möglich sein.
EuGH 20.1.2005, C-27/02,