Das Urteil des EuGH wendet sich gegen die österreichische Rechtsauffassung, einerseits gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln gemäß
§ 9 Abs 1 LMG generell (unabhängig von deren Wahrheitsgehalt) zu verbieten, anderseits die Zulässigkeit dieser Angaben jedoch dann im Wege eines verwaltungsbehördlichen Genehmigungsverfahrens (§ 9 Abs 3 LMG) zu bejahen, wenn die Angaben nicht zur Irreführung geeignet sind.
Der EuGH hält das grundsätzliche Verbot (trotz Zugangs zur verwaltungsbehördlicher Genehmigungsmöglichkeit aller EU-Handelspartner) für zu weitgehend und im Widerspruch mit Art 28 und 30 des EG Vertrags; dh für eine Maßnahme gleicher Wirkung (bezogen auf das Verbot der mengenmäßigen Einfuhrbeschränkung), die laut EuGH - da nicht irreführend- mit dem Schutz der Gesundheit (Art 30) nicht zu rechtfertigen ist.
Das Erfordernis des Genehmigungsverfahren gemäß § 9 Abs 3 LMG geht über das EU- Lebensmittelkennzeichnungsrecht (Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln RL 79/112) hinaus: Letzteres untersagt sowohl die Etikettierung als auch die Art und Weise, die geeignet sind, den Käufer irrezuführen. Die RL gegen irreführende und vergleichende Werbung (RL 84/450) erlaubt den Mitgliedstaaten, bei irreführender Werbung einen weiterreichenden Schutz der Verbraucher vorzusehen.
Der EuGH führt aus, dass Art 2 Absatz 1 der RL 79/112 zwar einerseits krankheitsbezogene Angaben auch dann untersagt, wenn sie nicht zur Irreführung geeignet sind und darüber hinaus irreführende gesundheitsbezogene Angaben verbietet. Anderseits hält er zum Schutz der Gesundheit nicht eine so schwerwiegende Maßnahme wie eine Vorab-Genehmigungsverfahren für sämtliche gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln für gerechtfertigt, den freien Warenverkehr so weit zu beschränken. Vielmehr hält es der EuGH für ausreichend, den Hersteller oder Vertreiber des betreffenden Erzeugnisses zu verpflichten, in Zweifelsfällen die Richtigkeit der auf der Etikettierung enthaltenen Tatsachenbehauptungen nachzuweisen.
Hinsichtlich des österreichischen Verbraucherschutzes ist die vorliegende Entscheidung des EuGH zu bedauern, da gesundheitsbezogene Angaben potentiell zu Irreführung geeignet sind und es dem seriösen Anbieter bis jetzt jederzeit offen gestanden ist, die Genehmigung vom zuständigen Ministerium einzuholen. Das vorgelagerte grundsätzliche Verbot war insofern sinnvoll, als es unseriösen Anbietern bzw. Erzeugern schwerer fiel mit unrichtigen gesundheitsbezogenen Angaben zu werben, da der Anbieter oder Erzeuger von sich aus tätig werden musste, um glaubhaft zu machen, dass die gegenständlichen Werbeaussagen nicht zur Irreführung geeignet waren.
Für die österreichische Rechtslage bedeutet das zwar, dass eine Rechtsangleichung stattzufinden hat und in Zukunft möglicherweise eine Flut von Produkten mit gesundheitsbezogenen Angaben zu erwarten sein wird. Diese können jedoch mittels UWG einer scharfen Kontrolle hinsichtlich irreführender Werbeaussagen unterzogen werden. Zur Irreführung geeignete Angaben sind nach wie vor verboten, ebenso wie krankheitsbezogene Angaben (diese jedoch unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt) verboten bleiben.
Verbraucherschutzorganisationen wie der VKI werden aufgerufen sein, eine strenge Marktüberwachung durchzuführen, Zweifelsfälle aufzuzeigen und die zu erwartende Fülle von Fällen seinem gesetzlichen Klagsauftrag entsprechend zu verfolgen.
EuGH Urteil C 221/00 vom 23.01.2003
Das Urteil ist unter http://www.curia.eu.int am Internet abzurufen.