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Urteil: Gewährleistung: Beschränkung des Ersatzes von Aus-und Einbaukosten

Der gewährleistungspflichtige Verkäufer darf im Rahmen eines Austauschs auch bei hohen Aus- und Einbaukosten die einzig mögliche primäre Abhilfe nicht per se ablehnen; vielmehr kann er nur die Herabsetzung seiner Verpflichtung auf den anhand des Vertrags unter Berücksichtigung von dessen Gegenstand und Zweck im Hinblick auf die Vertragswidrigkeit und den Wert der Sache in vertragsgemäßen Zustand zu ermittelnden "angemessenen Beitrag" fordern.

Die Beklagte, die nicht mit der Verlegung beauftragt gewesen war, hatte es übernommen eine "ausreichende Menge" von Platten zur Verlegung von Flächen im Außenbereich des Hauses der Kläger zu liefern. Sie lieferte zunächst zu wenig. Die nachgelieferten Platten weisen eindeutige Farb- und Strukturunterschiede zu den Platten der Erstlieferung auf. Die Kläger erfuhren davon erst, nachdem alle Platten verlegt waren. Nachlieferungen derartiger Platten sind sehr schwierig bis unmöglich. Die Klage war gerichtet insb auf die Kosten für die Abtragung und die Neuverlegung inkl Plattenaustauschmaterial samt Sanierungskosten.

Gewährleistung
Nach der Rsp des EuGH (verb Rs C-65/09 [Weber] u C-87/09 [Putz]) hat der gewährleistungspflichtige Verkäufer dem Käufer im Rahmen des Austausches auch die Aus- und Einbaukosten ersetzen. Dies gilt nur im Verbrauchergeschäft (4 Ob 80/12m - gespaltene Auslegung). Der EuGH fügte in obiger E noch hinzu, dass der Anspruch des Verbrauchers auf Kostenerstattung für Aus- und Einbau auf einen Betrag beschränkt werden könne, "der dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit angemessen ist", wobei damit das Recht des Verbrauchers auf Erstattung der Ein- und Ausbaukosten in der Praxis nicht ausgehöhlt werden dürfe und dem Verbraucher im Fall einer Herabsetzung des Anspruchs auf Erstattung der Ein- und Ausbaukosten die Möglichkeit zu gewähren sei, eine Minderung oder eine Vertragsauflösung zu verlangen, da eine Beteiligung an der Kostentragung für ihn eine erhebliche Unannehmlichkeit darstelle.
Der gewährleistungspflichtige Verkäufer darf im Rahmen eines Austauschs auch bei hohen Aus- und Einbaukosten die einzig mögliche primäre Abhilfe nicht per se ablehnen; vielmehr kann er nur die Herabsetzung seiner Verpflichtung auf den anhand des Vertrags unter Berücksichtigung von dessen Gegenstand und Zweck im Hinblick auf die Vertragswidrigkeit und den Wert der Sache in vertragsgemäßen Zustand zu ermittelnden "angemessenen Beitrag" fordern. Nur wenn der Käufer seinerseits den auf ihn entfallenden angemessenen Anteil der Kosten nicht selbst tragen will und der Austausch oder die Verbesserung samt Aus- und Einbaukosten dann für den Verkäufer mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre, kann dieser den Käufer gemäß § 932 Abs 4 ABGB auf die sekundären Behelfe beschränken. Der Käufer kann in einem solchen Fall auch vom Unternehmer nur noch Preisminderung begehren oder wandeln; der Verkäufer muss Austausch und Verbesserung ohne angemessene Kostenbeteiligung des Käufers weder allein bewerkstelligen noch zahlen (vorschießen).

Das Gericht hat bei der Frage, ob der Verkäufer die Kosten zur Gänze oder bloß anteilig (und in welchem Umfang) zu tragen hat, zu erörtern, ob die Bedeutung der Vertragswidrigkeit und der Wert des vertragsgemäßen Verbrauchsguts zu einer Herabsetzung der Kosten für den Übergeber führen, welcher Beitrag der angemessene ist und ob der Käufer zur Kostentragung des Restbetrags bereit ist. Wenn dieser dann erklärt, er sei nicht bereit, "seinen" Anteil beizutragen, ist, weil die teilweise Kostentragung eine "erhebliche Unannehmlichkeit" bedeute, ihm die Möglichkeit der Wahl des sekundären Behelfs einzuräumen.

Schadenersatz
Es kann auch im Rahmen von Schadenersatz die Verbesserung oder Sanierung verweigert werden, wenn der dafür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch ist. Für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit kommt es auf die Relation zwischen der Bedeutung des Mangels für den Übernehmer und dem mit der Verbesserung verbundenen Aufwand des Übergebers an. Im Allgemeinen werden selbst bei einem als gering einzustufenden Nachteil im Gebrauch (bloße "Schönheitsfehler") schon verhältnismäßig geringere Behebungskosten als unverhältnismäßig angesehen. Demgegenüber sind aber auch verhältnismäßig hohe Behebungskosten noch kein Grund, die Verbesserung abzulehnen, wenn der Mangel den Gebrauch entscheidend beeinträchtigt.

Eine Nachlieferung ist in concreto nicht mehr möglich. Damit liegt kein Quantitätsmangel, sondern ein Qualitätsmangel vor, weil sich das Erfordernis der Verlegung "im selben Stein", woraus eine einheitliche Optik der gesamten verlegten Fläche abzuleiten ist, (durch Nachlieferung) nicht mehr erreichen lässt. In concreto liegt ein rein ästhetischer Mangel vor.

Verhältnismäßigkeit
Laut OGH ist der Kostenaufwand für die Naturalrestitution in Form des Austauschs des Plattenmaterials samt Abtragung und Neubelegung (in einem einheitlichen Belag) iHv mehr als 120.000 EUR nicht verhältnismäßig. Laut Sachverständigen beträgt der Preis für das Plattenmaterial beträgt ca 20.000 EUR. Es fehlen aber Feststellungen zum vereinbarten Kaufpreis und Marktpreis. Die Sanierungskosten sind jedenfalls ein Vielfaches des Kaufpreises.
Da die Erstlieferung immerhin mehr als 87 % der Gesamtfläche umfasste, ist der aus der Verbesserung des optischen Mangels erwachsende Vorteil im Verhältnis zu den Kosten von mehr als 120.000 EUR, die auch absolut gesehen überaus hoch erscheinen, nicht als so groß einzustufen, dass ein redlicher und vernünftiger Verkehrsteilnehmer die Reparatur auf eigene Kosten durchführen würde.

Weiters fehlen genaue Feststellungen zur tatsächlichen Optik der Platten auf der Gesamtfläche. Erst anhand solcher Feststellungen lässt sich ein angemessener Beitrag zu den Aus- und Einbaukosten festsetzen, der vom Übergeber zusätzlich zu den (gesamten) Kosten für die auszutauschende, mangelfreie Sache zu leisten ist.

Die Differenz zwischen den Gesamtkosten und dem erst nach der Verfahrensergänzung und aufgrund der weiteren Feststellungen festsetzbaren angemessenen Beitrag wäre von den Klägern zu tragen. Mit ihnen wird die Bereitschaft diesen Anteil zu tragen bzw die allenfalls zu treffende Wahl des sekundären Behelfs (Preisminderung oder Wandlung) zu erörtern sein.
Sollten sich die Kläger weiterhin auf Schadenersatz stützen und Wertersatz begehren, wäre zu berücksichtigen, dass dann nicht der Wert der Sache mit oder ohne Mangel wie im Bereich des Gewährleistungsrechts zu veranschlagen wäre, sondern der Mangelfolgeschaden miteinzufließen hätte. Nach der Verlegung der optisch unterschiedlichen Platten wäre nämlich beim Wertersatz nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten der Wert der Liegenschaft mit einer Terrasse in einheitlicher Optik dem Wert einer Liegenschaft mit Terrasse in der derzeitigen mangelhaften Optik gegenüberzustellen.

OGH 10.2.2017, 1 Ob 209/16s

Das Urteil im Volltext.

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