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Urteil: Irreführende Anleihewerbung "mit 3-facher Sicherheit"

Das HG Wien beurteilt eine Werbung, in der mit einer grundbücherlichen Sicherheit geworben wird, als irreführend, wenn diese Sicherheit nicht immer gewährt werden kann.

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die WIENWERT Immobilien Finanz AG zum einen wegen einer Werbung für Anleihen und zum anderen wegen Klauseln in den Anleihebedingungen.

Die "Wienwert Immobilienanleihe" (ISIN AT0000A100Z7) war ab einer Einlage von EUR 2.500,-- zu kaufen.

In einer Radiowerbung bewarb WIENWERT die Anleihen ua damit: "6,5%. Grundbuchsgesichert."

In Zeitungen waren ebenfalls Werbungen geschaltet (siehe Anhang).
 

Die Werbung
Die Irreführungseignung ist aus Sicht des Umworbenen zu beurteilen; das ist bei dieser Art von Werbung und bei einem einfach strukturierten Anlageprodukt mit Mindestanlage von EUR 2.500,- der durchschnittlich informierte Verbraucher, wobei der Gesamteindruck, insbesondere die blickfangartig hervorgehobenen oder betonten Werbeaussagen zu berücksichtigen sind.

Die blickfangartige hervorgehobene Werbeaussage kombiniert in beiden Schaltungen Ertrag mit hoher Sicherheit, der Spot vor allem mit der Grundbuchsicherung.

Die Beklagte gesteht zu, dass die bücherliche Sicherheit nicht in allen Fällen und nicht im ersten Rang gegeben sein muss.

Schon deswegen sind die die Sicherheit betonenden Werbeaussagen, aus denen sich diese Einschränkungen nicht entnehmen lassen, irreführend. Der angesprochene Verbraucher entnimmt dem Hinweis auf bücherliche Sicherheit die Aussage, dass damit sein Anlegegeld voll gedeckt sei, was bei Zwischenschaltung einer Zweckgesellschaft nicht mehr in der Ingerenz der Beklagten liegen und auch bei nachrangiger Eintragung nicht mehr der Fall sein muss.

Im Zusammenhang mit der Betonung "dreifache Sicherheit" und der "Siegelform" wird durch den an sich dem Gesetz nicht widersprechenden Begriff "prospektgeprüft" beim rechtsunkundigen Verbraucher der Eindruck erweckt, es unterliege diese Anlage jedenfalls der behördlichen Überprüfung und nicht bloß der Billigung, wobei eine nähere Prüfung nur bei Bedenken stattfindet.

Die Werbeschaltungen sind infolge der Hervorhebung unbedingter, geprüfter Sicherheit irreführend, wobei die kleingedruckten, kaum lesbaren Hinweise nicht ausreichend sind, um diesen Eindruck zu widerlegen.

Die Klauseln

"Die Anleihe ist bei einer Verwendung des Anleihekapitals zum Liegenschaftserwerb durch den Ankauf bzw. die Umfinanzierung einer Liegenschaft bzw. von Liegenschaftsanteilen oder in der Form, dass die Anteile an der Gesellschaft erworben werden, welche Eigentümerin dieser Liegenschaft bzw. dieser Liegenschaftsanteile ist (im Folgenden kurz "Liegenschaftsbesitzgesellschaft"), mit einer grundbücherlichen Sicherstellung der Anleihegläubiger bzw. des investierten Anleihekapitals durch einen Treuhänder aufgrund eines abgeschlossenen Treuhandvertrages verbunden; bei einem Liegenschaftserwerb im Wege einer Liegenschaftsbesitzgesellschaft jedoch nur, sofern nach Erwerb der Anteile an der Liegenschaftsbesitzgesellschaft (im Folgenden kurz "Projektgesellschaft") seitens der Emittentin ein Weisungsdurchgriff auf die zur Vertretung befugten Organe der Projektgesellschaft (z.B. Geschäftsführer) möglich ist. Die grundbücherliche Sicherstellung erfolgt im Fall einer gänzlichen Finanzierung des Ankaufs einer Liegenschaft bzw. von Liegenschaftsanteilen bzw. einer Liegenschaftsbesitzgesellschaft - sofern möglich - aus dem Anleihekapital erstrangig auf dieser Liegenschaft bzw. diesen Liegenschaftsanteilen. Wird bei einem solchen Ankauf jedoch nur der Eigenmittelanteil im Zuge einer Bankenfinanzierung aus dem Anleihekapital finanziert, erfolgt die grundbücherliche Sicherstellung der Anleihegläubiger bzw. des investierten Anleihekapitals zweitrangig."

Die Klausel sieht grundbücherliche Sicherstellung vor, enthält aber zugleich Einschränkungen, deren Bedeutung und Tragweite für den Durchschnittsverbraucher nicht nachvollziehbar sind und von unbestimmten Umständen ("sofern möglich") abhängig sind bzw die der freien Disposition der Beklagten oder der Zwischengesellschaft unterliegen, da keine Richtlinien für Kreditfinanzierungen und Eigenmittelfinanzierungen vorgegeben sind. Die Klausel ist daher intransparent gem § 6 Abs 3 KSchG.

Da die Beklagte zu den übrigen Klauseln einen umfassenden Unterlassungsvergleich angeboten und sich bloß auf mangelnde Wiederholungsgefahr berufen hat, ging das HG Wien nicht mehr auf deren Zulässigkeit ein. Die übrigen in der Klage enthaltenen Klauseln lauten:

"Die Emittentin wird durch Leistung von Zahlungen aus den Anleihen an die Zahlstelle und die Clearingstelle oder deren Order von ihrer Zahlungspflicht befreit. Eine Zahlung aus den Anleihen gilt als rechtzeitig, wenn sie am Fälligkeitstag auf dem Konto der bestellten Zahlstelle einlangt."

Der klagende VKI machte hier geltend, dass es sich bei der Zahlstelle ausschließlich um einen Beauftragen der Emittentin handelt. Die Klausel ist laut Klage gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, da es nicht zulässig sein kann, dass eine bloße Zahlung des Schuldners an seinen eigenen Erfüllungsgehilfen bereits schuldbefreiende Wirkung haben soll.

"Jeder Anleihegläubiger ist berechtigt, seine Anleihen zu kündigen und deren sofortige Rückzahlung zum Nennwert zuzüglich etwaiger bis zum Tage der Rückzahlung aufgelaufener Zinsen zu verlangen, falls

a) die Emittentin Kapital oder Zinsen nicht binnen 30 Tagen nach dem jeweiligen Fälligkeitstag zahlt;
b) die Emittentin eine sonstige Verpflichtung aus den Anleihen oder den Anleihebedingungen verletzt und die Verletzung länger als 30 Tage fortdauert;
c) die Eröffnung eines Insolvenz- oder Ausgleichsverfahren über das Vermögen der Emittentin beantragt wird und - sofern der Antrag von dritter Seite erfolgte - ein solcher Antrag nicht binnen 90 Tagen zurückgezogen oder aus anderen Gründen als mangels kostendeckenden Vermögens (oder dem jeweiligen Äquivalent einer anderen Rechtsordnung) abgewiesen wird;
d) die Emittentin in Liquidation tritt, ihre Geschäftstätigkeit ganz oder überwiegend einstellt oder wesentliche Teile ihres Vermögens veräußert oder anderweitig abgibt;"

Gegenständliche Klausel erweckt laut Klage den Eindruck, dass nur im Falle der angeführten Gründe ein außerordentliches Kündigungsrecht möglich ist. Die Klausel ist daher laut Klage gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB) bzw vermittelt einen falschen Eindruck von den den Anleihegläubigern zustehenden Rechte (§ 6 Abs 3 KSchG).

"Eine Kündigung der Anleihen nach Punkt 9.2. ist schriftlich in deutscher Sprache unter Anführung des geltend gemachten Kündigungsgrundes und Beifügung eines Nachweises, dass der Kündigende zum Zeitpunkt der Erklärung der Kündigung Inhaber der betreffenden Anleihen ist, wobei der Nachweis durch eine Bescheinigung der Depotbank oder auf andere geeignete Weise erbracht werden kann, gegenüber der Emittentin zu erklären und mittels eingeschriebenen Briefs an die Zahlstelle, die für diesen Anlass unwiderruflich Zustellbevollmächtigte der Emittentin ist, zu übermitteln."

Nach § 6 Abs 1 Z 4 KSchG ist eine Klausel unwirksam, nach der dem Verbraucher für seine Erklärung eine strengere Form als die Schriftform aufgebürdet wird. Die Klausel verstößt laut Klage gegen § 6 Abs 1 Z 4 KSchG, weil in ihr für Erklärungen des Anleihegläubigers besondere Zugangserfordernisse festgelegt werden.

"In den Fällen des Punkt 9.2 ist die Kündigung erst wirksam, wenn bei der Zahlstelle Kündigungserklärungen von Anleihegläubigern, die gemeinsam Anleihen im Nennbetrag von mindestens 10% der insgesamt ausstehenden Anleihen halten, eingegangen sind, und diese Kündigungserklärungen sich alle auf den gleichen Kündigungsgrund stützen. Sobald dieser Schwellenwert überschritten ist, hat die Zahlstelle die Anleihegläubiger, von denen ihr Kündigungserklärungen zugegangen sind, wie auch die Emittentin von der Wirksamkeit der Kündigung zu verständigen."

Eine außerordentliche Kündigung soll nach der Klausel erst und nur dann wirksam werden, wenn bei der Zahlstelle Kündigungserklärungen von Anleihegläubigern im Nominale von mindestens 1/10 der dann ausstehenden Anleihen eingegangen sind; überdies müssen sich alle kündigenden Anleihegläubiger auch noch auf den gleichen Kündigungsgrund stützen, damit die Kündigung wirksam wird. Wenn keine genügend große Anzahl von anderen Gläubigern von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen, wird die Kündigung des Anlegers daher überhaupt nie wirksam. Dafür kann laut Klage keine sachliche Rechtfertigung bestehen, so dass die Bestimmung ebenfalls gegen § 879 Abs 3 ABGB verstößt.

"Unwirksame Bestimmungen gelten als durch solche wirksamen Bestimmungen ersetzt, die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen jenen der unwirksamen Bestimmungen möglichst nahe kommen."

Die in dieser Ersetzungsklausel angeordnete "geltungserhaltende Reduktion" unwirksamer Klauseln verstößt laut Klage gegen § 6 Abs 3 KSchG und gegen § 879 Abs 3 ABGB.

Das Urteil ist rechtskräftig.

HG Wien 24.9.2014, 19 Cg 54/14h
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Klagevertreter: Kosesnik-Wehrle & Langer, RAe-KG in Wien


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