Eine Mutter besuchte mit ihren drei Töchtern - alle Nichtschwimmerinnen - ein Freibad. Auf der Eintrittskarte war vermerkt: "Mit dem Kauf der Eintrittskarte anerkennt der Gast die Bestimmungen der Badeordnung." Diese lautete auszugsweise: "Haftung: Die Landeshauptstadt Bregenz haftet für Unfälle und Schäden nur bei grobem Verschulden des Badepersonals."
Mädchen verschwunden
Kurz vor Badeschluss machte sich die Mutter mit der jüngsten Tochter an der Hand auf den Weg zur Umkleidekabine. Sie bemerkte erst bei den Umkleidekabinen, dass ihr die beiden anderen Töchter (8 und 11 Jahre alt) nicht gefolgt waren. Zweimal befragte sie erfolglos den Bademeister. Dann entdeckte die Mutter die beiden Töchter am Grund eines Beckens. Trotz sofortiger Reanimierung starb ein Mädchen; das andere Mädchen erlitt wegen Sauerstoffmangels eine Gehirnschädigung.
Auch leichte Fahrlässigkeit zählt
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat die Badeordnung als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) qualifiziert. Mit dem Kauf der Eintrittskarte wurde die Badeordnung offenbar zum Vertragsinhalt. Das Konsumentenschutzgesetz (§ 6 Abs 1 Z 9 KSchG) war auf den vorliegenden Sachverhalt noch nicht anwendbar, der Unfall ereignete sich vor dem Inkrafttreten der KSchG - Novelle 1997. Die in der Badeordnung enthaltene Haftungseinschränkung wurde vom OGH aber dennoch als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB beurteilt. Begründung: Die Freizeichnung von der Haftung für Personenschäden ist bei leichter Fahrlässigkeit als Verstoß gegen die guten Sitten anzusehen.
Bademeister hat falsch reagiert
Der OGH hat das Verhalten des Bademeisters außerdem als zumindest leicht fahrlässig eingestuft. Schließlich habe dieser trotz zweimaligem Befragen durch die Mutter, ob er ihre Kinder gesehen habe, das - auf den ersten Blick menschenleere - Schwimmbecken nicht untersucht und seine Aufmerksamkeit weiterhin einem anderen Becken geschenkt.