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Urteil: Klauseln bei 24-Stunden-Pflege

5 von 6 eingeklagten Klauseln einer 24-Stunden-Pflege unzulässig.

Der VKI klagte im Auftrag des BMASK einen Verein, der Leistungen der Personenbetreuung vermittelt. Er vermittelt nicht nur Betreuerinnen, auch Unterstützung bei Behördenwegen (zB Pflegegeld) sowie Koordinationshilfe bei der Organisation von Facharztterminen, Therapien, Spitalsaufenthalten sowie Sterbebegleitung werden gewährt. Der Pflegebedürftige bezahlt dafür eine Einschreibegebühr von 270 EUR und eine monatliche Gebühr von 365 EUR.

Der OGH hatte sich mit folgenden beiden Klauseln zu befassen:

 "Der Verein behält sich vor, bei ungebührlichem Verhalten des Antragstellers - in der Folge als Klient bezeichnet - (oder seiner Angehörigen) gegenüber dem Betreuungspersonal (unberechtigtes Beschimpfen oder Belästigungen) das Personal ohne Ersatz abzuziehen und den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu beenden." Die Klausel ist zulässig. Eine Übernahme der Wertungen der Rsp zum Heimvertrag, die das grundsätzlich bei Dauerschuldverhältnissen unverzichtbare außerordentliche Kündigungsrecht im Hinblick auf die Spezifika des Heimvertrags einschränkt, auf die Personenbetreuung zuhause ist nicht geboten. Dass auch ein - entsprechend intensives - einmaliges Verhalten als Kündigungsgrund ausreichen kann, macht die Klausel nicht per se unzulässig. Auch wenn die betreute Person grundsätzlich auf die Betreuung angewiesen sein mag, kann dies nicht dazu führen, dass sich die Betreuungsperson in einer dem Betreuten zurechenbaren Weise (ohnehin nur "ungebührlich") beschimpfen und belästigen lassen und der Beklagten dem tatenlos "zusehen" bzw für die Zeit der ordentlichen Kündigungsfrist eine weitere Betreuungsperson dieser Situation aussetzen muss.

"Die Vereinsgebühren sind zu bezahlen solange und wann auch immer die vom ...[Bekl] vermittelte Betreuungskraft beschäftigt wird, unabhängig davon, ob der Vertrag mit dem ...[Bekl] gekündigt oder aufgelöst wird." Bei kundenfeindlichster Auslegung ergibt sich daraus ("wann auch immer") ein zeitlich nicht limitiertes Beschäftigungsverbot bzw aus Sicht der Betreuungsperson ein ebensolches Konkurrenzverbot. Mag auch das Interesse des Bekl, seine umfassenden Leistungen honoriert zu erhalten, durchaus eine gewisse zeitlich befristete Untersagung der (Weiter-)Beschäftigung der vermittelten Betreuungsperson im Fall der Kündigung der Vereinsmitgliedschaft rechtfertigen, so ist aber ein zeitlich unbefristetes Verbot doch gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

OGH 23.2.2017, 2 Ob 29/16b
Klagevertreter: Dr. Nikolaus Weiser, RA in Wien



Anmerkung:
Bereits von den Unterinstanzen wurden folgende Klausel für gesetzwidrig eingestuft:

"Die Betreuung kann von beiden Vertragsparteien bis zum 15. jedes Monats jeweils zum Ablauf des folgenden Monats gekündigt werden." Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB.

"Ungeachtet der Bestimmung des Punktes 5.d) sind im Falle der privaten Weiterbeschäftigung einer vom Verein  vermittelten Betreuungskraft durch den Klienten (oder seine Angehörigen) über die Mitgliedschaft bzw. das Vertragsverhältnis hinaus pro angefangenen Monat ein Betrag von 500 EUR  an den Verein  zu bezahlen." Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB und gegen § 6 Abs 3 KSchG.

"Der Verein übernimmt jedoch keinerlei Haftung für allfällige Fehlleistungen des Betreuungspersonals bzw. Schäden, welcher Art immer, die im Zuge der Betreuung entstehen könnten." Verstoß gegen § 879 Abs  1 ABGB iVm § 6 Abs 1 Z 9 KSchG.

"Klienten, die vom Verein an die Personenbetreuungskraft  vermittelt wurden, dürfen von dieser nicht ohne Wissen und Zustimmung des Vereins betreut werden. Dies gilt sowohl während der Dauer des Vertrages als auch für die Dauer eines Jahres nach Beendigung dieser Vereinbarung. Im Falle einer Zuwiderhandlung ist dem Verein der dadurch entstandene Schaden von der Personenbetreuungskraft mit einer Vertragsstrafe von 100 EUR pro Tag abzugelten. Ein Zuwiderhandeln gegen diesen Vertragspunkt berechtigt zum sofortigen Ausschluss aus dem Verein." Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB.

Das Urteil im Volltext.

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