Anleihen erworben
Der Kläger hatte am 29.4.1998 über Vermittlung der Diskontbank AG Rieger Bank Anleihen erworben und dafür einen Betrag von 360.000 Schilling (ca. 26.200 Euro) bezahlt. Am 27.10.1998 wurde über das Vermögen der Rieger Bank Konkurs eröffnet. Im Konkursverfahren hatte der Kläger lediglich Aussicht auf eine geringfügige Quote, sodass ihm durch die Veranlagung ein der Höhe nach noch nicht feststehender Schaden entstanden war. Er brachte eine Feststellungsklage gegen den Wirtschaftsprüfer ein. Dieser solle für den Schaden haften, der dem Kläger durch die Ausstellung eines falschen Prüfvermerks über die Bilanz der Rieger Bank zum 31.12.1997 und über den Jahresabschluss 1997 entstanden ist.
Werbung war Entscheidungsgrundlage
Der geschädigte Anleger brachte vor, dass wesentliche Entscheidungsgrundlage übergebene Werbeunterlagen gewesen seien. Darunter habe sich die Gewinn- und Verlustrechnung der Rieger Bank für die Jahre 1993 bis 1997 befunden, versehen mit dem Prüfvermerk des beklagten Wirtschaftsprüfers. Zum 31.12.1997 wies die Bilanz Aktiva - unter anderem Guthaben bei Banken - in der Höhe von 319.155.030 Schilling aus (etwa 23,2 Millionen Euro). Tatsächlich - so der Kläger - hätten keine Guthaben in dieser Höhe bestanden. Die Ansätze in der Bilanz gründeten sich auf zumindest zwei gefälschte Saldenbestätigungen. Richtigerweise hätte die Bilanz einen Verbrauch des gesamten Eigenkapitals sowie eine Überschuldung mit dem Hinweis auf Insolvenzgefahr ausweisen müssen. Aufgrund einer solchen Bilanz hätte sich der Kläger nicht zu dieser Investition entschlossen.
Wirtschaftsprüfer glaubt einer Kopie
Er warf dem Wirtschaftsprüfer vor, dass er sich trotz der Höhe des ausgewiesenen Guthabens mit der Vorlage von Kopien der Saldenbestätigungen begnügt hätte. Überdies sei nicht überprüft worden, ob die ersichtlichen Guthaben tatsächlich dem Zahlenwerk der Buchhaltung entsprachen. Selbst wenn es sich nicht um einen Bestätigungsvermerk iSd § 274 HGB handeln sollte, würde der Beklagte dennoch für den entstandenen Schaden haften, weil er es unterlassen habe, gegen die Verwendung des noch nicht endgültigen Prüfungsvermerks einzuschreiten.
Wirtschaftsprüfer bestreitet
Der beklagte Wirtschaftprüfer wandte dagegen ein, dass der in der Anleihewerbung verwendete Prüfungsvermerk kein Bestätigungsvermerk iSd § 274 HGB gewesen sei. Er sei nicht dafür verantwortlich zu machen, dass der Text einer Bestätigung (zu einem erst vorläufigen, nicht für Dritte bestimmten Jahresabschluss) ohne sein Wissen in Werbeunterlagen eingescannt worden ist. Außerdem sei die Fälschung der Saldobetätigung über Guthaben der Rieger Bank AG für den Beklagten nicht erkennbar gewesen.
Erstgericht lehnte Klage ab
Das Erstgericht wies das Klagebegehren - ohne Beweisaufnahme - allein aufgrund des beiderseitigen Vorbringens ab. Es ging davon aus, dass der Beklagte nicht rechtswidrig gehandelt habe, weil keine allgemeine Pflicht des Wirtschaftsprüfers bestehe, die eigenmächtige Veröffentlichung von Bilanzrohdaten durch das geprüfte Unternehmen zu verhindern.
Die Berufung des Klägers war erfolgreich. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Im Gegensatz zum Prüfungsbericht, der ein internes Informationsmittel für Vorstand und Aufsichtsrat darstelle, diene der Bestätigungsvermerk der Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Gesetzmäßigkeit des Jahresabschlusses und des Lageberichtes. Die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers gegenüber der geprüften Gesellschaft sei in § 275 Abs 1 HGB geregelt. Er sei dieser gegenüber zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der OGH habe bereits ausgesprochen, dass es sich bei den §§ 273 bis 275 HGB um Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB handle. Sie hätten den Zweck, die geprüfte Gesellschaft vor Vermögensschäden zu bewahren.
Haftung gegenüber Dritten ist offen
Zur Frage der Dritthaftung des Abschlussprüfers hatte der OGH allerdings noch nicht Stellung genommen. Das Berufungsgericht räsonierte in weiterer Folge über den Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 275 Abs 1 HGB und kam zum Ergebnis, dass durch diese Bestimmung allfällige Ansprüche Dritter gegenüber dem Abschlussprüfer nicht ausgeschlossen sind. Es verglich die Stellung des Abschlussprüfers mit jener des Sachverständigen, der damit rechnen muss, dass sein Gutachten auch anderen Personen als dem Besteller zur Kenntnis gelangt und die Grundlage ihrer Disposition bilden wird. In diesem Fall trifft den Sachverständigen eine objektivrechtliche Sorgfaltspflicht zugunsten dieses bestimmbaren Personenkreises. Aus diesen Erwägungen sind die Schutzpflichten des Abschlussprüfers zugunsten potentieller Kapitalgeber bei der Prüfung des Jahresabschlusses abzuleiten, wenn für deren Disposition der Bestätigungsvermerk erkennbar eine Entscheidungsgrundlage darstellen kann.
Vermerke sind sofort von Bedeutung
Der Abschlussprüfer muss nicht erst ab der Veröffentlichung, sondern schon mit der Ausstellung des Bestätigungsvermerkes damit rechnen, dass dieser von der geprüften Gesellschaft zur Darstellung der Richtigkeit ihres Jahresabschlusses verwendet wird. Da der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt keine tragfähige Grundlage für die Abweisung des Klagebegehrens bildete, habe das Erstgericht weitere Feststellungen zu treffen. Insbesondere wäre zu klären, ob der Bestätigungsvermerk der Beklagten für den Zeichnungsentschluss des Klägers tatsächlich kausal war. Weiters müsste zur Frage, ob den Beklagten im Zusammenhang mit der Saldenbestätigung eine Sorgfaltswidrigkeit unterlaufen ist, ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Der Rekurs der Beklagten war wegen der erstmals zu klärenden Frage der Dritthaftung des Abschlussprüfers zulässig, jedoch nicht berechtigt. Der OGH teilte die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes und führte zur Frage der Dritthaftung des Abschlussprüfers ergänzend aus, dass von einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auszugehen sei. Obwohl der Abschlussprüfer nur zur geprüften Gesellschaft in einem Vertragsverhältnis stehe, treffen ihn deshalb auch Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber potentiellen Gläubigern der Gesellschaft. Nach Ansicht des OGH würde sich die Schadenersatzpflicht des Abschlussprüfers sogar daraus ergeben, dass er nur Kenntnis von der Verwendung seines nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Prüfvermerks erhält und diesen Missbrauch nicht unverzüglich unterbindet.