Zum Inhalt

Urteil: Lenkerbruch bei Mountainbike - Produkthaftung

Ein Leichtmetall-Lenker für Mountain-Bikes bricht bei Extremsportveranstaltung. Der OGH meint, der Hersteller hätte diese Beanspruchung vorhersehen müssen und wäre zur Warnung für Gefahren verpflichtet gewesen.

Der klagende Verbraucher ist Radrennsportler und nahm an einem Mountainbike-Rennen "Dolomiten-Mann" in Lienz teil. Kurz vor Ende des Rennens kam er - an sicherer zweiter Stelle gelegen - zu Sturz, da der Lenker seines Mountainbikes gebrochen war. Er machte Schadenersatz aus Körperverletzungen und sekundäre Vermögensschäden (entgangenes Preis- und Sponsorengeld) klagsweise geltend.

Das Verfahren ergab in der Folge, dass das beklagte Unternehmen besonders leichte Mountainbike-Lenker aus einer hochfesten Aluminiumlegierung herstellte. Der Lenker wurde ohne Montageanleitung und auch ohne Gebrauchsanweisung und somit auch ohne besondere Warnhinweise vertrieben. Er war zwar nicht ausdrücklich für den Rennsport gedacht, sondern nur als "Leichtmodell" beworben worden. Es war aber der beklagten Partei wohl bekannt, dass die österreichischen Mountainbiker diesen Lenker für Rennen benützen. In der Folge schnitt der Lenker bei einem Produkttest der Zeitschrift "Bike" schlecht ab, da das Material als zu dünnwandig und zu spröd beurteilt wurde. Auch ein eigener Test durch die beklagte Partei ergab, dass der Lenker bei wechselseitigen Dauerbelastungen brach. Daraufhin stellte die beklagte Partei die Produktion des Lenkers ein und erhöhte die Wandstärke auf 1,2 mm. Sie instruierte auch die von ihr belieferten Fachgeschäfte dahin, dass diese Lenker gegen die neueren verstärkten kostenlos ausgetauscht werden sollten. Selbst als ein solcher Lenker aus dem Produktionsprogramm bei einem Kärntner Radrennfahrer gebrochen war, führte das nicht zu einer generellen Rückrufaktion durch die beklagte Partei.

Das Erstgericht verneinte zwar die Produkthaftung, sprach aber den Klagsbetrag aus dem Titel des Schadenersatzes zu, da die beklagte Partei in Kenntnis der Gefahrenträchtigkeit des Lenkers es unterlassen habe, die Nutzer in geeigneter Weise - insbesondere öffentlich in den Medien - zu warnen, bzw. das Produkt zurückzurufen. Damit habe sie ihre Produktbeobachtungspflicht verletzt und sei schadenersatzpflichtig geworden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung keine Folge, stützte nun die rechtliche Argumentation aber sehr wohl auf das Produkthaftungsgesetz. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass es der beklagten Partei klar gewesen sein muss, dass ihr Lenker gerade im Wettkampf Verwendung finden würde. Wie der Unfall zeigt und auch die entsprechenden Sachverständigengutachten belegten, entsprach aber das vorliegende Produkt nicht dem Gebrauch, mit dem billigerweise vom Hersteller hätte gerechnet werden müssen. Wenn es dem Hersteller aber nicht gelingt, sein Produkt für alle denkbaren Verwendungszwecke und für alle möglichen Benutzergefahren fehlerfrei zu gestalten, dann müsse er hinsichtlich der offengebliebenen Gefahrenbereiche die Konsumenten informieren und warnen. Dies sei aber gerade nicht geschehen. Eine Warnpflicht bestehe nur dann nicht, wenn die mit dem Gebrauch des Produkts verbundenen Gefahren dem sachkundigen Verbraucher ohnedies offenkundig seien. Dann könne aber auch bei einem semiprofessionellen Mountainbike-Sportler keineswegs als selbstverständlich voraussetzen, dass dieser über die Festigkeit und Belastungstauglichkeit von Metall-Legierungen eines Lenkers Bescheid wisse.

Der OGH bestätigte das Urteil des Berufungsgerichts. Der OGH betonte nochmals, dass es zwar richtig sei, dass das gegenständliche Produkt nicht ausdrücklich für Extrembelastungen im Zusammenhang mit dem Radsport beworben worden sei, da aber der beklagten Partei bekannt gewesen sei, dass dieses Produkt gerade von Mountainbike-Spitzensportlern für Rennen benutzt werde, hätte die beklagte Partei mit diesem Gebrauch und den bei einem Rennen verbundenen Belastungen jedenfalls rechnen müssen.

Die Klage hatte also in allen drei Instanzen Erfolg.

OGH 28.4.1998, 10 Ob 399/97t

Volltextservice

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

unterstützt durch das 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang